Johann Gottfried Schadow hielt sich selbst als junger Künstler in Rom auf. Von 1785 bis 1787 lebte er dort mit seiner Frau Marianne (1758-1815), die er kurz nach der Ankunft in Rom geheiratet hatte. Dafür war er, wie später auch sein Sohn Ridolfo, zum Katholizismus übergetreten. (Nach seiner Rückkehr nach Berlin konvertierte er wieder zum protestantischen Glauben.) In Rom studierte Schadow antike Skulpturen, vor allem, indem er sie zeichnete. Bei dem Bildhauer Alexander Trippel (1744-1793) nahm er Unterricht im Modellieren. Doch am prägendsten wurde für Schadow sein Kontakt mit dem italienischen Bildhauer Antonio Canova (1757-1822). Dessen von der Antike inspirierte Skulpturen zeigten in Schadows Augen Gefühl, Natürlichkeit und Grazie. Der junge Berliner Künstler bewunderte diese damals neue Auffassung in der Bildhauerkunst. Mit Canova verband ihn eine lebenslange Freundschaft. In seinen späteren Briefen aus Berlin empfahl er ihm seine Schüler, wie Christian Daniel Rauch (1777-1857) und Christian Friedrich Tieck (1776-1851), später seine Söhne Ridolfo und Wilhelm Schadow.
Mit einer in Ton modellierten Gruppe Andromeda wird von Perseus befreit errang Schadow 1786 beim Wettbewerb Concorso di Balestra in Rom eine Medaille. Mit gestärktem Selbstbewusstsein drängte es ihn nun wieder in die Heimat. Nach Berlin zurückgekehrt arbeitete er kurzzeitig in der Königlichen Porzellanmanufaktur und entwarf Modelle. 1788 starb sein früherer Lehrer Jean Pierre Antoine Tassaert (um 1727-1788). Schadow wurde dessen Nachfolger als Leiter der Hofbildhauerwerkstatt, Mitglied und später Direktor der Akademie der Künste, wo er auch als Lehrer für Bildhauerkunst wirkte. Was er in Rom erlernt hatte, wandte er zuerst bei seiner Arbeit an dem völlig neuartig empfundenen Grabmal des Grafen Alexander von der Mark an. Der illegitime Sohn des Königs Friedrich Wilhelm II. mit Wilhelmine Encke, später Gräfin von Lichtenau, war im Alter von acht Jahren gestorben. Das Monument orientiert sich an der griechischen Antike und ist eines der ersten Beispiele der klassizistischen Kunst in Berlin. In der Folge führte Schadow zahlreiche Werke für den Hof aus, wie die Quadriga auf dem Brandenburger Tor in Berlin, die Prinzessinnengruppe, die beidenStandbilder des Hans Joachim von Zietensowiedes Fürsten Leopold von Anhalt-Dessau und zahlreiche mythologische Reliefs. Bei den Menschendarstellungen bemühte er sich, individuelle Eigenschaften mit einem allgemeingültigen Ideal zu verbinden. Das gilt auch für die Porträtbüste des damals 18jährigen Ridolfo. (8)
In dem ältesten Sohn sah Schadow sicher den Erben seines bildhauerischen Vermächtnisses. Die väterlichen Briefe sind voller Wärme und ehrlichem Interesse an dessen Arbeit. Er ermunterte Ridolfo, seine Marmorwerke nach Berlin zu senden. Dort wurden sie – mit speziellen Anweisungen aus Rom – ins rechte Licht seines Ateliers in der heutigen Schadowstraße 10/11 gesetzt und Interessierten gezeigt. Auch in den Ausstellungen der Königlichen Akademie der Künste waren die Werke zu sehen. Auf diese Weise gelang es Johann Gottfried Schadow mit Erfolg, Spitzenstücke aus Ridolfos Werkstatt, wie den Paris (9) oder die Figuren Amor, Spinnerin, Sandalenbinderin und Mädchen mit Tauben, in den Briefen der beiden als „die Gruppe“ bezeichnet, an den Hof zu veräußern. Ridolfo schickte Zeichnungen und Beschreibungen seiner Arbeiten nach Berlin. Der Vater sandte ihm Geld aus den Verkäufen und kümmerte sich um die jährliche Zahlung von 310 Reichstalern, Ridolfos Gehalt als königlicher Hofbildhauer. Der letzte Brief des Vaters an den Sohn vom 12. Januar 1822 erreichte Rom ausgerechnet am Sterbetag Ridolfos. Zu spät, er konnte ihn nicht mehr lesen.
Silke Kiesant