Ridolfo Schadow. Sohn – Bildhauer – Römer

Der Bildhauer Carolus Zenon Ridolphus Schadow – besser bekannt unter dem Vornamen Ridolfo – wurde am 9. Juli 1786 geboren. (1) Zu dieser Zeit hielten sich seine Eltern in Rom auf. Wenig später berief man seinen Vater Johann Gottfried Schadow (1764-1850) zum Hofbildhauer und Direktor der Berliner Akademie der Künste in Berlin.

Ridolfo erlernte bei seinem Vater das Handwerk und arbeitete in dessen Werkstatt mit. Ende 1810 ging er nach Rom. Dort ließ er sich dauerhaft nieder und schloss sich dem Künstlerkreis um den berühmten dänischen Bildhauer Bertel Thorvaldsen (1770-1844) an. Innerhalb dieses fruchtbaren Umfeldes und angesichts der vielfältigen Anregungen durch die in Rom vorhandenen antiken Kunstwerke entwickelte Ridolfo nach und nach seine eigene Formensprache.

Regelmäßig schrieb Ridolfo seinem Vater lange Briefe aus Rom. Er berichtete über Erlebnisse, Visionen und Fortschritte seiner Arbeiten. Für die Verkaufspräsentation seiner Skulpturen in Berlin gab er detaillierte Instruktionen. Vor 200 Jahren, am 31. Januar 1822, verstarb er überraschend an einer schweren Lungenentzündung und wurde in der Kirche S. Andrea delle Fratte in Rom beigesetzt. (5)

 

Zusammen mit seinem zwei Jahre jüngeren Bruder Wilhelm (1788-1862), einem ausgebildeten Maler, unternahm Ridolfo Schadow Ende 1810 die weite Reise nach Rom. Die finanziellen Mittel der Familie reichten nicht aus, den Aufenthalt in der italienischen Hauptstadt zu finanzieren. König Friedrich Wilhelm III. unterstützte die beiden Künstler jedoch mit einem Stipendium.

In Rom, wo sie im Frühjahr 1811 ankamen, nahmen die beiden Schadow-Brüder Quartier in der Künstlerpension Casa Buti. Durch die Vermittlung des Vaters fanden sie unmittelbaren Anschluss an die führenden Künstler und deren Werkstätten. Der berühmte italienische Bildhauer Antonio Canova (1757-1822) und der nicht weniger bekannte dänische Bildhauer Bertel Thorvaldsen (1770-1844) wurden Ridolfos Mentoren. (6) Im Atelier in der Via Quattro Fontane des preußischen Bildhauers Christian Daniel Rauch (1777-1857) konnte Ridolfo sofort tätig werden.

Rom wurde für ihn ein Ort der Inspiration: Wohin man sich auch wendete, Zeugnisse jeglicher Epochen – Antike, Renaissance, Barock – waren hier sichtbar und erlebbar: Bauten und Ruinen, Bilder und Skulpturen, Musik und Traditionen. Was sich für Goethe „überdrängt und überfüllt“ anfühlte, war für Ridolfo der Schmelztiegel, in dem er seine Formensprache, sein künstlerisches Abbild der Wirklichkeit suchte. Doch zunächst zweifelte der junge Bildhauer an seinen Fertigkeiten. Er unterbrach nach nicht einmal einem Jahr seinen Aufenthalt, um sich in Berlin zu sammeln. Nach seiner Rückkehr nach Rom erfuhr er endlich die gesuchte Bestätigung durch den Erfolg seiner freien und beauftragten Arbeiten.

Dabei zeigt die Korrespondenz mit seinem Vater, die als Nachlass im Zentralarchiv der Staatlichen Museen Berlin aufbewahrt wird, die enge Verbundenheit mit seiner Familie und wie wichtig Ridolfo der private und professionelle Austausch mit seinem Vater war.

Ridolfo Schadow lebte in der Casa Buti, einer Herberge in der Via Sistina 48-51, welche von der Familie Buti unterhalten wurde. Er übernahm die Wohnräume des Bildhauers Christian Daniel Rauch, als dieser nach Preußen abberufen worden war. Zunächst bewohnte er ein, später zwei Zimmer in der ersten Etage. Seine Nachbarn waren außer Bertel Thorvaldsen u.a. die Maler Wilhelm Wach (1787-1845) und Adolf Senff (1785-1863). In weiteren Räumen der Casa Buti residierten zeitweilig Wilhelm von Humboldt (1767-1835) und seine Frau Caroline (1766-1829) mit ihren Kindern. In der Umgebung hatten sich viele Kunstschaffende niedergelassen: Nur drei Häuser entfernt, in der parallel verlaufenden Via Gregoriana, lebten Künstler und Reisende im Palazzo Zucchari. Am Fuß der unweit gelegenen Spanischen Treppe befand sich das bei Deutschen und Skandinaviern beliebte Caffè Greco. Wenige Meter den Monte Pincio hinauf residierten Künstlerinnen und Künstler in der Villa Malta.

Eine Zeichnung von Ferdinand Olivier (1785-1841) aus dem Jahr 1819 zeigt den Blick durch den Hof der Casa Buti zu der dahinter aufragenden Villa Malta. (2) Ein Jahr nach Olivier malte Johann Anton Ramboux (1790-1866) eine fast identische Ansicht der Casa Buti. (3) In beiden Werken sind auch Bewohnerinnen des Hauses dargestellt, die ihren täglichen Aufgaben nachgehen. Höchstwahrscheinlich handelt es sich dabei um die Wirtin Anna Maria Buti und ihre drei Töchter Elena, Vittoria und Olimpia. Sie saßen häufig Modell für die Kunstschaffenden, so auch für Ridolfo Schadow. Die drei Mädchenfiguren der Gruppe Urteil des Amor zeigen in Alter und Ähnlichkeit der Gesichtszüge Parallelen zu anderen, signierten Darstellungen der Buti-Schwestern.

Biographen sind sich sicher, dass Ridolfo mit der Ältesten, Elena (1797-1883?), verlobt war, obwohl er sich in den vorhandenen Quellen nie dazu äußerte. Sie war zur Stunde seines Todes an seiner Seite. Möglicherweise hat Schadow in der Sprache der Bildhauerkunst seine Auserwählte zu erkennen gegeben…

Ridolfo Schadow übernahm das Atelier (4) des Bildhauers Christian Daniel Rauch, nur wenige hundert Meter von der Casa Buti entfernt. Hier fand er gleich nach seiner Ankunft sehr gut eingerichtete Räumlichkeiten vor, ausgestattet mit Modellen, Werkzeugen und exzellent ausgebildeten Mitarbeitern.

Die erste Skulptur, die der junge Künstler 1811 in Rom fertigstellte, war die mythologische Figur des Paris. Sie wurde als Bronzeguss im Jahr 1820 in Berlin auf der Akademieausstellung gezeigt. Mit der Skulptur der Sandalenbinderin erzielte er erstmals 1816 weitreichende Beachtung. Es folgten zahlreiche Ankäufe und neue Aufträge, insbesondere durch begüterte Italienreisende. In seiner Zeit in Rom modellierte und erarbeitete Schadow mehr als 54 Büsten, Basreliefs, Skulpturen und Skulpturengruppen.

Von seinem recht gleichförmig verlaufenden Alltag berichtete Ridolfo Schadow Folgendes: Am Vormittag ging er ins Atelier und modellierte oder retuschierte, dann unternahm er einen Spaziergang oder ritt mit seinem Pferd aus, ging ins Café oder zum Billard. Zu Hause erledigte er dann seine Korrespondenz oder las. Samstags zahlte er seinen Mitarbeitern ihren Wochenlohn. Am Sonntag ging er zu Messe, denn 1819 war er zum katholischen Glauben übergetreten. Der unerwartet frühe Tod Ridolfo Schadows ließ einige seiner Werke unfertig. Um den vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen, reiste Emil Wolff (1802-1879), Neffe und Schüler Johann Gottfried Schadows, nach Rom. Er vollendete die begonnenen Arbeiten seines Vetters und fertigte Ridolfos Grabmonument. (5)

Sylva van der Heyden