Nahe dem Park Sanssouci, verborgen hinter einem hellen Mauerwerk, liegt einer der wichtigsten Orte der SPSG. Und zugleich einer, den kaum jemand kennt. „Schirrhof“ heißt er. In den so bezeichneten Betriebsstätten wurden vor der Motorisierung Gespanne hergestellt und gewartet.
Auf dem heutigen Schirrhof gehen knapp 60 Mitarbeiter:innen ganz verschiedenen Handwerksberufen nach, maurern, tischlern, schmieden, malern. Gemeinsam kümmern sie sich um die Gebäude und Anlagen der Stiftung, von Potsdam bis Rheinsberg, von Oranienburg bis Königs Wusterhausen. Ihre Arbeit lässt sich grob in zwei Kategorien einteilen: Da wären zunächst die Notfälle und kurzfristigen Einsätze. Wenn irgendwo der Strom ausfällt, eine Tür klemmt, ein Graffito auf einer Wand auftaucht oder eine Alarmanlage sich meldet, rücken die entsprechenden Expert:innen aus und lösen das Problem sofort.
In die zweite Kategorie fallen planbare Projekte. An diesem freundlichen Donnerstagvormittag nimmt sich Malergeselle Daniel Henning zum Beispiel gerade die Fenster von Schloss Paretz vor. Nachdem sie in der benachbarten Tischlerei aufgearbeitet wurden, erhalten sie von ihm nun einen neuen Anstrich. Er arbeitet schon seit 24 Jahren für die Stiftung. Langweilig werde der Job nicht. „Das ist hier nicht wie bei normalen Betrieben, bei denen man ein Zimmer tapeziert und dann geht es weiter zum nächsten Objekt. Wir haben ja auch mit historischen Räumen zu tun und das ist schon was Besonderes.“ Zuletzt hat Henning im Treppenaufgang des Orangerieschlosses im Park Sanssouci die Wände in Sandsteinoptik gestrichen. „Wir bekommen regelmäßig Schulungen in solchen alten Maltechniken. Da gibt es dann immer wieder neue Herausforderungen.“
Auch Torsten Janke ist von alten Handwerkstechniken fasziniert. Janke leitet den Schirrhof seit zwei Jahren. Zuvor hat der Tischlermeister in Düsseldorf erfolgreich einen eigenen Betrieb geführt. In seiner Freizeit erlernt er traditionelle Handwerke. So hat er bei einem Uhrmacher Praktika absolviert und einem Bootsbauer über die Schulter gesehen, um sich sein eigenes Kajak bauen zu können. Man spürt die Begeisterung, wenn er von seiner Arbeit erzählt. „Die Handwerker früherer Jahrhunderte konnten schon richtig was! Mich beeindruckt immer wieder, was die ohne die modernen Hilfsmittel, die uns heute zur Verfügung stehen, alles hinbekommen haben.“ Doch auch mit Hilfsmitteln müssen seine Mitarbeiter:innen großes Geschick an den Tag legen. „Historische Sachen“, so nennen sie hier all die Materialien und Objekte, mit denen sie zu tun haben, die sie aufarbeiten, reparieren und ausbessern. Und mit denen sie natürlich besonders vorsichtig umgehen müssen. Janke war von Anfang an beeindruckt, wie bedacht seine Leute arbeiten: „Die Mitarbeiter sind alle wirklich hervorragend ausgebildet.“
Wenn sie Vorstellungsgespräche führen, lassen die Meister:innen gerne Probe arbeiten. 20 Minuten würden da schon reichen. „Ein erfahrener Meister sieht ganz schnell, ob jemand was draufhat. Da muss man nur beobachten, wie der Bewerber sich bewegt oder wie er mit dem Material umgeht.“ Janke ist es wichtig, dass auf dem Schirrhof auch ausgebildet wird. Dass hier nicht allein Bauten und Anlagen bewahrt werden, sondern auch ein reicher Wissensschatz weitergegeben wird. „Wir lassen hier das richtige Handwerk weiterleben. Und zwar hoffentlich für die nächsten Jahrzehnte und länger.“ Sein persönliches Ziel besteht darin, dass alle Meister- und Gesellenstellen besetzt sind, wenn er selbst in Rente geht. „Das wäre mein Traum. Dann hätte ich den Schirrhof für die Zukunft vorbereitet.“ Aktuell sucht er dringend im Meisterbereich Wasserversorgung eine:n Mitarbeiter:in für die Heizungsanlagen.
Der Geselle oder die Gesellin wäre Martin Prill unterstellt. Prill ist als Brunnenbaumeister der Leiter des Meisterbereichs Wasserversorgung und sozusagen der Herr über das gigantische Leitungssystem der Schlösser und Gärten. Tropft in der Bildergalerie ein Hahn, sind im Neuen Garten Wurzeln in die Rohre gewachsen oder fällt in einem Büro die Heizung aus, dann klingelt sein Telefon.
Neben seinem Schreibtisch hängt eine historische Karte der 95 Kilometer langen Brauchwasserleitungen, die unter Park Sanssouci vergraben sind. Brauchwasser darf zum Gießen verwendet werden, ist jedoch nicht zum Trinken geeignet. Entstanden ist das System zum großen Teil zu Zeiten von König Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861). Herzstück war das im Stile einer Moschee erbaute Pumpwerk an der Havelbucht. Mit einer beachtlichen Leistungsstärke von 80 PS war die Dampfmaschine damals eine der größten in Preußen gebauten. Heute sorgt in der „Moschee“ eine moderne Kreiselpumpe für den Transport des Wassers. 500 Kubikmeter Wasser pro Stunde speist sie an Sommertagen ins Netz. „Was davon nicht direkt genutzt wird, landet im 8000 Kubikmeter großen Reservoir auf dem Ruinenberg“, erklärt Prill. Wenn es von dort 42 Meter hinabströmt, genügt der Eigendruck, um die Fontänen im Park Sanssouci zu betreiben. Jeden Tag dreht einer von Prills Mitarbeiter:innen eine Runde durch den Park und öffnet von Hand die Schieber.
Auch im Winter fließt immer etwas Frischwasser durch die Leitungen. Aber nicht für die Fontänen, sondern für die Goldfische, die in den Becken leben. Prill hat zwar kein Verständnis für die Besucher:innen, die ihre Haustiere hier aussetzen, verantwortlich fühlt er sich für sie aber trotzdem. „Wir sorgen dafür, dass da mit dem Frischwasser immer genug Luft in die Becken reinkommt. Denn auch Goldfrische brauchen Luft.“ In ganz trockenen Wochen lässt er als Sparmaßnahme die Fontänen ausstellen, damit die Parkanlagen weiter bewässert werden können. „Die Gärtner haben Vorrang“, so Prill. „Wir stellen sicher, dass die immer wässern können. Und wenn die Stadt uns sagt, dass wir tagsüber kein Wasser aus der Havel entnehmen dürfen, dann pumpen wir eben nachts.“ Auch Prill ist schon über 20 Jahre in der Stiftung. Es fällt auf, dass die meisten hier lange dabei sind. Wer auf dem Schirrhof ankommt, bleibt nicht selten bis zum Ruhestand.
Reparieren, nicht austauschen
Der Schlosser Mario Pfeiffer hatte gar keinen anderen Arbeitgeber. Er begann im September 1989 auf dem Schirrhof eine Lehre und ist bis heute geblieben. Wie hat sich die Arbeit in all der Zeit verändert? „Erstaunlich wenig“, sagt er zunächst, dann fällt ihm aber doch etwas Entscheidendes ein: „Heute ist die Devise: So viel erhalten wie möglich, so viel restaurieren wie nötig.“ Es geht seit vielen Jahren schon nicht mehr schwerpunktmäßig darum, dass etwas so aussieht, wie es irgendwann einmal ausgesehen hat, sondern dass, wenn möglich, die ursprünglichen Materialien bestehen bleiben. Man tauscht nicht mehr so schnell etwas aus, lässt unter Umständen auch Schäden bestehen.
Gerade machen Pfeiffer und ein Kollege einen historischen Zaun mit sogenanntem Schuppengeflecht fertig für den Abtransport. Er soll nach seiner Aufarbeitung wieder zurückkehren auf den Klausberg, wo er seit der vorletzten Jahrhundertwende steht. Alle Teile, die noch stabil genug waren, haben sie auf Anweisung der zuständigen Restaurator:innen lediglich neu anstreichen lassen und nicht ersetzt. Was original ist, hat erst einmal seine Berechtigung. „Zeitwert“ nennen sie das. Oft geht es auch darum, zu markieren, dass etwas alt ist, dass es eine Vergangenheit hat.
„Am Posttor sind noch Einschusslöcher aus dem Zweiten Weltkrieg zu sehen. Die sollten wir auch so belassen, damit die Geschichte am Objekt nachvollziehbar bleibt.“ Nicht nur Tore oder Zäune, sondern auch Türschlösser werden geschont. Mit ihrer Reparatur haben Pfeiffer und seine Kollegen am meisten zu tun. „Wenn du an einem kaputten Schloss arbeitest, das 150 oder 200 Jahre alt ist, dann weißt du nicht, wie lang das dauert. In jedem anderen Betrieb würden sie die Dinger einfach wegschmeißen und für 50 Euro was Neues kaufen. Wir bauen hier im Zweifel jedes kleine Einzelteil nach, damit das alte Schloss erhalten bleibt.“
Auch wenn man selbst nicht im Handwerk arbeitet, kann man verstehen, warum Pfeiffer und all die anderen gerne jeden Morgen herkommen. Sie leisten schlichtweg sehr sinnvolle Arbeit hier. Welterbe bewahren, das heißt eben auch Tore ausbessern, das heißt Wände anstreichen, das heißt verstopfte Rohre durchspülen. Viel ist in den Schlössern und Gärten von der Bewahrung der Vergangenheit für die Zukunft die Rede. Auch auf dem Schirrhof geht es genau darum, um Vergangenheit und Zukunft, aber es kommt noch etwas hinzu: die Gegenwart. Hier ermöglichen sie all ihren Kolleg:innen in den Gärten, in den Restaurierungswerkstätten, in den Schlössern und Büros ihre Arbeit. Tag für Tag sorgen sie dafür, dass der Laden läuft. Zuverlässig, unauffällig, im Hintergrund. Und wenn den Schirrhof kaum jemand kennt, dann gibt es dafür einen einfachen Grund – weil die Leute dort einen ziemlich guten Job machen.
Eine Übersicht über alle Ausbildungsberufe und die aktuellen Angebote in der Stiftung finden Sie auf
www.spsg.de/jobs-ausbildung
Bei Fragen rund um die Ausbildung wenden Sie sich bitte an:
Elke Herrmann 0331.96 94-157, e.herrmann(at)spsg.de
Der Beitrag ist zuerst erschienen im SPSG-Magazin SANS,SOUCI. 04.2024
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