Im Rahmen der Ausstellung „Re:Generation. Klimawandel im Grünen Welterbe – und was wir tun können“ bieten die Psychologist4Future mehrere Workshops und Rundgänge zum Umgang mit dem Klimawandel an. Ein Interview mit Constanze Meyer, psychologische Psychotherapeutin und Achtsamkeitslehrerin. Sie lädt im September erneut zu einem Achtsamkeitsrundgang durch die Ausstellung ein.
Wie kamen Sie dazu, sich als Psychotherapeutin mit der Klimakrise zu beschäftigen?
Mich hat 2019 die Bewegung „Fridays for Future“ sehr berührt: diese ernsthaften und entschlossenen Jugendlichen, teilweise ja noch Kinder, die mit ihren Klimastreik-Aktionen das gefährliche Ausmaß der Klimakatastrophe ins Bewusstsein einer globalen Öffentlichkeit trugen. In der Psychotherapie haben wir für diese Verantwortungsübertragung an Jüngere einen konzeptionellen Begriff: „Parentifizierung“. Und mit dieser ungesunden Rollenumkehr haben wir es aus einer psychologischen Perspektive auch hier zu tun. Die Idee, mein psychotherapeutisches Wissen mit ökologischem Engagement zu verbinden, kam mir 2020 bei meinem ersten Kontakt mit den Psychologists4Future. Mittlerweile sind sie ein eingetragener Verein mit über 1000 Aktiven und haben es sich zur Aufgabe gemacht, den notwendigen gesellschaftlichen Transformationsprozess psychologisch und sozialgerecht mitzugestalten.
Nehmen psychische Störungen oder Krankheiten im Zuge der Klimakrise zu?
Vorweg, eine Beschäftigung mit Bedrohungslagen ist immer belastend und löst in der Regel eine Reihe unterschiedlicher Gefühle aus, wie zum Beispiel Angst, Wut oder Hilflosigkeit. Diese Gefühle sind angemessen und nicht pathologisch, das heißt, sie sind eine gesunde und normale Reaktion auf die wahrgenommene Bedrohungssituation. Ein gesunder Umgang mit diesen Gefühlen erfordert jedoch ein hohes Maß an emotionaler Kompetenz und Resilienz. Gefühle wie Ängste oder Wut sollten nicht dauerhaft vermieden oder verdrängt werden, da sie uns zum Handeln motivieren können und eine zukunftsorientierte Haltung begünstigen. Dies gilt auch für die Beschäftigung mit ökologischen Bedrohungsszenarien. Wir sprechen an dieser Stelle von Klimastress. Wenn diese Belastungen allerdings dauerhaft zu stark werden und als Folge der Alltag nicht mehr bewältigt werden kann, dann kann sich eine psychische Störung entwickeln.
Zur Zunahme von Extremwetterereignissen gehören auch lange Hitzeperioden. In diesem Zusammenhang müssen wir mit massiven Auswirkungen auf die psychische Gesundheit rechnen. So drohen bei anhaltender Hitze zunehmende Aggressivität, nach dem dritten Tag eine höhere Quote an Psychiatrieeinweisungen und höhere Suizidraten. Hier können auch bereits bestehende psychische Erkrankungen verstärkt werden, zudem kann sich die Wirkweise von Psychopharmaka verändern.
Die Aussichten der weiteren Erderhitzung können auch Menschen verunsichern, die selbst noch nicht direkt betroffen sind. Merken Sie das in ihrer täglichen Arbeit?
Ja, das merke ich, wenn bereits eine direkte Betroffenheit im eigenen Umfeld besteht. Ich behandle zahlreiche Patient:innen aus dem Havelland, dort haben wir es seit mehreren Sommern mit Dürren und Waldbränden zu tun. Viele dieser Patient:innen haben Gärten, betreiben etwas Landwirtschaft und sie fragen sich, wie das weitergehen soll. Sie haben große Sorgen, was noch auf sie zukommen wird und wie sie das bewältigen sollen.
Insgesamt spiegeln sich die Belastungen durch die akkumulierenden multiplen Krisen der letzten Jahre in meiner täglichen Arbeit wider. Es sind ja nicht nur die ökologischen Krisen, die Menschen an ihre Grenzen treibt. Denken Sie an die Folgen von Corona, Stichwort Vereinzelung, Einsamkeit, Angst vor Ansteckung und so weiter oder die psychischen und ökonomischen Folgen des Ukrainekriegs.
Was raten Sie Menschen, die Ängste oder psychische Störungen angesichts der Klimakrise entwickeln oder befürchten? Wie sollen sie damit umgehen?
Erst einmal geht es darum, eigene Gefühle zuzulassen und ernst zu nehmen. Des Weiteren ist es hilfreich, mit anderen über die Gefühle und Belastungen zu sprechen und sich Räume für Austausch zu suchen. Am besten mit Menschen, von denen wir erwarten können, dass sie uns verstehen und annehmen.
Notwendig ist auch eine gesunde Selbstfürsorge zu pflegen, sich Pausen von der Informationsflut über die Krisen zu gönnen und das zu tun, was wirklich psychisch nährt und Freude macht.
Die Ursachen werden dadurch nicht aufgehoben, wir können aber Spannungs- und Angstzustände reduzieren. Achtsamkeits- und Atemübungen, künstlerische Arbeit, Musikmachen oder Sport beruhigen und sorgen dafür, dass wir klar denken können, und nicht in einen Panikmodus kommen, sondern handlungsfähig bleiben. Sehr hilfreich ist auch eine Meditationspraxis, in der Achtsamkeit und Mitgefühl zur Mit- und Umwelt gestärkt wird. In so eine Erfahrungspraxis werden wir beim Achtsamkeits-Rundgang einsteigen.
Was ich unbedingt noch empfehlen möchte, was mir persönlich auch sehr geholfen hat, als ich begann mich intensiver mit den Krisen zu beschäftigen, war, mich mit anderen zu verbinden. Die ökologischen Krisen sind kein individuelles, sondern ein kollektives Problem, das wir nur gemeinschaftlich angehen können. Deshalb empfehlen wir auch gerne sich einer passenden Gruppe anzuschließen und sich für wirksamen Klimaschutz einzusetzen.
Der Achtsamkeits-Rundgang durch den Park Sanssouci findet ja im Rahmen der aktuellen Ausstellung „Re:Generation“ statt. Diese zeigt die Schäden, die durch Klimawandelfolgen verursacht wurden und wie Besucher*innen ihren Handabdruck vergrößern können. Wie finden Sie diese Ausstellung?
Ich finde die Ausstellung gut gelungen, da sie meiner Einschätzung nach auch ein Publikum sensibilisieren kann, das sich möglicherweise sonst nicht intensiv mit den Auswirkungen der ökologischen Krisen beschäftigt. Auch die Farbgebung, das Signalrosa in der Verbindung zum Grün der Pflanzen finde ich ästhetisch ansprechend. Mit den expliziten Hinweisen auf die Schäden an den wunderschönen, Jahrhunderte alten Bäumen macht die Ausstellung die Krisen emotional erfahrbarer. Die emotionale Bedeutung von Bäumen und Wald sind tief in unser kollektives Gedächtnis eingeschrieben, so handeln viele Märchen und Mythen von Wald und Bäumen. Wenn Bäume sterben, das lässt einfach nicht kalt.
Gleichzeitig zeigt die Ausstellung vorbildlich Anpassungsmaßnahmen und Handlungsmöglichkeiten auf und vermittelt, wie die Schäden begrenzt werden können und Bäumen und dem Ökosystem partiell geholfen werden kann. Für mich hat das etwas sehr Tröstliches.
Was können Teilnehmende bei Ihren Achtsamkeitsrundgängen erwarten?
Nach einer Einführung und ersten Sitzmeditation im Forum werden wir einen meditativen Rundgang in den Teil der Ausstellung machen, in dem Bäume und Pflanzen im Fokus stehen. Naturerfahrungen, der Kontakt mit Bäumen, Pflanzen und Tieren, auch die Stille wirken stressreduzierend, stärkend und somit Resilienz fördernd. Zum Abschluss gibt es einen Austausch und wir werden uns überraschen lassen, was sich durch Teilen unserer Erfahrungen an Handlungsimpulsen entfalten kann. Und es wird noch Tipps zu Resilienz und Selbstfürsorge geben, sodass wir Mut für die Zukunft schöpfen und den Blick fürs Schöne behalten.
Veranstaltungen zum Thema
Klimagefühle
Workshop zum Umgang mit Emotionen durch den Klimawandel mit Alexandra Rausch, psychologische Psychotherapeutin
Sonntag, 15. September, 11 Uhr
Park Sanssouci, Zur Historischen Mühle, 14469 Potsdam
Treffpunkt: Chinesisches Haus
Eintritt: 10 Euro / ermäßigt 8 Euro
Weitere Informationen und Tickets
Achtsamkeit im Park – Meditationen und Impulse
Rundgang durch den Park Sanssouci mit Constanze Meyer, psychologische Psychotherapeutin und Achtsamkeitslehrerin
Samstag, 28. September, 10 Uhr
Park Sanssouci, Zur Historischen Mühle, 14469 Potsdam
Treffpunkt: Chinesisches Haus
Eintritt: 10 Euro / ermäßigt 8 Euro
Weitere Informationen und Tickets
Das gesamte Begleitprogramm
Ausstellung
Re:Generation. Klimawandel im grünen Welterbe – und was wir tun können
Open-Air-Ausstellung im Park Sanssouci
27. April bis 31. Oktober 2024
Park Sanssouci, Zur Historischen Mühle, 14469 Potsdam
Eintritt: frei
www.spsg.de/regeneration
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