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Gartenpraxis in Zeiten des Klimawandels

05. Juli 2024 Von SPSG

Alles so schön grün hier. In Kleingartenanlagen und heimischen Beeten ist von der Dürre der letzten Jahre kaum noch etwas zu spüren. Bartnelken, Gladiolen und Lilien blühen um die Wette, Bienen summen umher und die Rasen sind grün. Nach dem überdurchschnittlich nassen Winter 2023/24 haben sich die Grundwasserspiegel in Berlin und Brandenburg etwas erholt. Doch der erste Eindruck täuscht leicht über den tatsächlichen Zustand unserer Gärten hinweg.

„Seit 2018 beobachten wir, dass sich unser Garten wandelt, wo durch die Trockenheit die Sträucher und Bäume anfangen zu schlappen“, berichtet Sven Kerschek. Der großgewachsene Mittfünfziger arbeitet seit 1990 bei der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG), erst zwölf Jahre im Gartenteam des Parks Sanssouci, danach 20 Jahre als Leiter im Neuen Garten. Kaum jemand kennt die Parks in Potsdam so gut wie er. Rund 80 Prozent der Bäume seien geschädigt und werden in den kommenden Jahren verloren gehen, erzählt er. Nicht nur die zunehmenden Dürreperioden wirken sich auf die Flora in Brandenburg aus, auch Hitzestress, Starkregen und heftigere Stürme setzen den Pflanzen und Gehölzen zu. 

„Am Anfang haben wir überlegt, wie wir den Park Sanssouci retten können. Aber irgendwann mussten wir uns eingestehen, dass wir diesen Garten nicht mehr retten können, sondern den Fokus darauf legen müssen, wie wir ihn für künftige Generationen wieder aufbauen können“, berichtet Kerschek. In privaten Gärten mit geringen Baumbeständen mag es nicht ganz so drastisch aussehen, aber die milderen Winter und heißeren Sommer mit langen Phasen ohne Regen setzen auch den Sträuchern, Bäumen und Wiesen in unseren Gärten zu. Die vertrockneten Rasen der vergangenen Sommer haben wir wohl alle noch in Erinnerung. Doch gerade in Brandenburg, mit den trockensten Böden deutschlandweit, gab es in den letzten Jahren bereits Rationierung von Trinkwasser und das Verbot, den eigenen Garten zu sprengen. Wenn es dann doch einmal regnet, kommt immer öfter Starkregen in großen Mengen und kurzer Zeit vom Himmel. Die Böden sind dann oft gar nicht in der Lage, das viele Wasser aufzunehmen.

Die SPSG besinnt sich daher zurück auf alte Stärken. „Ab 2025 werden wir eine Baumschule auf dem Ruinenberg etablieren. Da haben wir ganz sandigen Boden, ganz wenig Wasser. Und da heißt es dann für die Jungpflanzen einfach: Überlebst du, hast du Glück gehabt und darfst in den Garten, stirbst du, hast du Pech gehabt“, erklärt Kerschek den Ansatz. Früher hätten sie Baumschulware eingekauft, die unter idealen Bedingungen gezogen worden wurde. Wenn diese dann in den märkischen Sand des Parks Sanssouci verpflanzt wurde, hätten die Bäume den Schock ihres Lebens bekommen. Bereits Friedrich der Große hatte Baumschulen in der Region anlegen lassen und auf dieses eigene Saatgut müsse man sich nun wieder zurückbesinnen. 

Saatgut selbst gewinnen – das könne man auch im eigenen Garten, betont Dr. Wanda Born. Die promovierte Agrarökonomin berät mit ihrer Werkstatt für Biodiversität DAUCUM Unternehmen, Kommunen und auch private Gartenbesitzer:innen. Aus eigenem Saatgut könne man Pflanzen ziehen, die bereits besser an die widrigeren Bedingungen angepasst sind und gleichzeitig auch die Biodiversität unterstützen. „Die Klimakrise und die Biodiversitätskrise gehen Hand in Hand und triggern sich auch gegenseitig“, meint Dr. Born. Doch während das Klima durch zunehmende Wetterextreme und die Klimabewegung im öffentlichen Bewusstsein angekommen ist, läuft der Verlust der Artenvielfalt viel schleichender ab. Zudem gehe es neben dem Aussterben ganzer Gattungen auch um den Verlust an verschiedenen Ökosystemen und vor allem auch der genetischen Vielfalt.

Private Gärten könnten hier einen entlastenden Faktor darstellen, so Dr. Born: „Gärten in Städten sind oftmals zu Rückzugsorten für viele Arten geworden, weil hier Pestizide und Herbizide weniger zum Einsatz kommen.“ Und das könne man bewusst fördern, indem man die Strukturvielfalt im Garten erhöhe. „So, dass ich eben nicht nur den Rasen habe und vielleicht noch irgendwo ein paar Blumen, sondern zum Beispiel auch eine Hecke mit einheimischen Wildpflanzen, einen Tümpel, den ich auch bepflanzen kann, irgendwo vielleicht noch ein wenig Totholz und auch offenen Boden, den die meisten Wildbienen benötigen“, empfiehlt die Biodiversitätsexpertin. Damit Blumen blühen und Früchte wachsen können, sind wir auf natürliche Bestäuber angewiesen. “In China haben wir diesen Punkt schon lange, dass Blüten von Nutzpflanzen mit der Hand bestäubt werden müssen. Und Insekten gibt es nur, wenn wir ihnen auch Lebensräume bieten“, so Dr. Born. Die in den letzten Jahren so populär gewordenen Insektenhotels würden hier nur bedingt Abhilfe schaffen, da über 70 Prozent der Wildbienen im Boden nisten. „Bei Tagfaltern heißt das zum Beispiel, nicht nur Nektarpflanzen wie den Schmetterlingsflieder zur Verfügung zu stellen, sondern auch geeignete Raupenfutterpflanzen, lange Gräser, wo viele Arten ihre Eier ablegen, und Überwinterungsmöglichkeiten.“

Das Fehlen der Insekten macht auch Sven Kerschek Angst: „Vor zehn Jahren ist man im Sommer über die Autobahn gefahren und konnte danach sein Auto grundreinigen. Das haben wir schon seit Jahren nicht mehr. Da müssen wir auch mal was liegen lassen. Rasen, zum Beispiel, hat die schlechteste Biodiversität, die es überhaupt gibt. Wenn man unbedingt Rasen haben will, kann man den vielleicht verkleinern und daneben auch mal etwas wachsen lassen.“ Den Rasen schon früh im Jahr kurz zu mähen sei ohnehin nicht mehr ratsam, meint auch Dr. Born: „Wenn ich den erst im Juni mähe, dann hält sich die Feuchtigkeit im Wurzelbereich viel besser. Der Biodiversität und letztlich auch der Klimaanpassung tue ich damit einen Gefallen. Rasenbewässerung ist dagegen nicht mehr zeitgemäß in Brandenburg.“ Kurz geschorener Rasen verdunste über die gekappten Kapillaren wesentlich mehr Wasser. Übrig bleibt dann oft nur eine gelb verbrannte Steppenlandschaft, wie wir sie in den vergangenen Jahren in vielen Parks und Privatgärten gesehen haben. 

Neben der Strukturvielfalt im Garten rät Dr. Born auch dazu, die kalte Jahreszeit im Garten zu nutzen. Im Juli sei das Zeitfenster für Wintergemüse wie zum Beispiel Endivien-Salate. „Der Vorteil ist ganz klar, dass die Winter zuverlässiger geworden sind, was die Extremwetter angeht. Wenn ich im Spätsommer nochmal Gemüse anbaue, das auch kältere Temperaturen aushält, kann ich mir das viele Gießen sparen“, so Dr. Born. Dafür würden sich Rote Bete, viele Rettichsorten oder auch Pastinaken eignen. Und wenn man dann alte und samenfeste Sorten nimmt, die man so nicht im Supermarkt bekommt, steigere man gleichzeitig noch die genetische Vielfalt im eigenen Garten und trage zu deren Erhalt bei.

Und die gelte es in jedem Fall zu bewahren, denn Biodiversität sei eine Art Versicherung für krisenhafte Umbrüche, wie sie mit dem Klimawandel einhergehen, meint Dr. Born. Auch Sven Kerschek rät Gartenbesitzer:innen, auszuprobieren, was sich mit dem heißeren und trockeneren Klima verträgt und dabei auf Vielfalt zu setzen. „Einfach darüber nachdenken, was man da genau anpflanzt und vielleicht auch mal ein einheimisches Gehölz nehmen, das wenig Wasser braucht. Dann haben Sie schon ganz viel getan.“

 

Veranstaltungen

Wintergemüse anbauen – jetzt ist die richtige Zeit!
Workshop für Groß und Klein ab 6 Jahre mit DAUCUM, Werkstatt für Biodiversität
Samstag, 13. Juli, 14 Uhr
Park Sanssouci, Zur Historischen Mühle, 14469 Potsdam, Forum an der Teeküche am Chinesischen Haus
Treffpunkt: Chinesisches Haus
Eintritt: 18 Euro / ermäßigt 10 Euro inkl. Material
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Alte Sorten und Saatgutgewinnung bei Tomaten
Workshop für Groß und Klein ab 6 Jahre mit DAUCUM, Werkstatt für Biodiversität
Donnerstag, 29. August, 14 Uhr
Park Sanssouci, Zur Historischen Mühle, 14469 Potsdam, Forum an der Teeküche am Chinesischen Haus
Treffpunkt: Chinesisches Haus
Eintritt: 18 Euro / ermäßigt 10 Euro inkl. Material
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Ausstellung

Re:Generation
Klimawandel im grünen Welterbe – und was wir tun können
Open-Air-Ausstellung im Park Sanssouci
27. April – 31. Oktober 2024
Park Sanssouci, Zur Historischen Mühle, 14469 Potsdam
Eintritt: frei
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Tags:
klima

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