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„Es geht auch um das Verlernen von eingespielten Denkweisen“

12. Mai 2023 Von Ortrun Egelkraut

Ein Gespräch mit Carolin Alff und Dr. Susanne Evers zur Ausstellung Schlösser. Preußen. Kolonial.
 

Frau Alff, Frau Evers, die Ausstellung eröffnet am 4. Juli. Wie ist der Stand der Vorbereitungen zwei Monate zuvor, läuft alles nach Plan?

Carolin Alff: Wir sind im Zeitplan und das beruhigt. Trotzdem denken wir manchmal, die Zeit wird knapp. Wir können nicht nochmal drei Schritte zurückgehen und konzeptionelle Lösungen neu überdenken. Wir beschäftigen uns jetzt mit der Organisation und prüfen zum Beispiel unsere Ausstellungstexte, sodass wir in der Beschreibung nicht unbewusst rassistische Bilder reproduzieren. Zu den originalen Ausstellungsobjekten haben wir im Moment kaum Kontakt. Hinter den Kulissen wird ganz viel gearbeitet und zur Eröffnung steht dann alles!

Wie haben Sie sich als Team der Ausstellung dem Thema „Kolonialismus in den Schlössern“ genähert?

Susanne Evers: Bis zum März 2023 waren wir als Dreier-Team mit der Kuratierung beauftragt. Der Historiker Hatem Hegab ist nach der Konzipierungsphase ausgeschieden. Zu Beginn haben wir eine Art Leitlinie verfasst, in der wir die Ziele und die Vorgehensweise für diese Ausstellung definiert haben.

Carolin Alff: Dieses Positionspapier beschreibt nicht nur den Weg, wie die Ausstellung entstanden ist, es beschreibt auch die unterschiedlichen Hintergründe, die Einfluss darauf haben. Wer sind wir, was haben wir für Ziele, was haben wir für Erwartungen und Lebensgeschichten? Es sollte sehr transparent sein, wer das Thema begleitet.

Auch das Ausstellungskonzept wurde in einem ungewöhnlichen Prozess erarbeitet. Wie lief das ab?

Carolin Alff: Der Anstoß, dass die SPSG jetzt eine Ausstellung zur kolonialen Vergangenheit der Schlösser und der Sammlungsbestände macht, kam ja von außen. Und zu Recht wurde dann auch die Beteiligung von Gruppen und Personen eingefordert, die andere Erfahrungen in Deutschland machen und die sich mit diesem Thema schon sehr lange auseinandersetzen. Normalerweise gibt es Kurator:innen, die das Konzept erarbeiten.
In diesem Fall war schnell klar, dass das so nicht funktioniert. Also entschieden wir uns für einen gemeinsamen Arbeitsprozess mit Expert:innen von außen.

Susanne Evers: In einer Workshop-Reihe wurden die spezifischen Themen der Ausstellung gemeinsam mit externen Initiativen und Fachleuten entwickelt und diskutiert. Auch die Gestaltung der Ausstellungsräume und die Auswahl der Exponate beruht auf diesem Austausch.

Wer hat dabei von wem am meisten gelernt?

Susanne Evers: In erster Linie haben wir von den Partner-Expert:innen gelernt. Vor allem haben wir gelernt, die Perspektive zu wechseln. Es geht ja in der Ausstellung darum, unsere bisherigen Erzählweisen zu erweitern und die Sammlungsobjekte und Biografien aus anderer Perspektive zu beleuchten.

Carolin Alff: Und es geht dabei auch viel um das Ver-Lernen von bestimmten eingespielten Strukturen und Denkweisen.

Haben Sie ein Beispiel dafür?

Susanne Evers: Wir haben ein schönes Objekt aus Leder und Textil, das auf der Inventarkarte mit „Behangstück“ bezeichnet ist, also dachten wir: Teil eines Wandbehangs. Nachforschungen ergaben jetzt, dass es Teil eines zeremoniellen Kragens aus China ist, der vor allem zu Hochzeiten getragen wurde. Wir und viele Kunsthistoriker:innen vor uns haben es nur aus unserer Sicht betrachtet, der europäischen, und nicht danach gefragt, was es im Entstehungsland für eine Bedeutung hatte.

Geht der Austausch mit den Partner:innen noch weiter?

Carolin Alff: Ja, wir sehen die Ausstellung nicht als fertigen Schlusspunkt, das ist ein Zwischenschritt, den wir ab 4. Juli mit unseren Besucher:innen teilen wollen. Danach werden wir weiter lernen und schauen: Wie kann man das Thema in den Schlössern und Gärten weiter fassen, auf lange Sicht.

 

Carolin Alff, Projektleiterin und Kuratorin, hat ihr Dissertationsprojekt „Repräsentation und Realität: Die Afrikabilder in Nürnberg und Augsburg im 16. Jahrhundert“ bei der Universität Hamburg im Dezember 2021 eingereicht. Seit 2019 wirkte sie bei der SPSG in verschiedenen Ausstellungsprojekten mit. Seit November 2021 ist sie Projektleiterin und Kuratorin der Ausstellung „Schlösser. Preußen. Kolonial.“ Berufserfahrung hat sie u. a. in London (Victoria and Albert Museum) und Nairobi (Rahimutulla Museum of Modern Arts) gesammelt.

Dr. Susanne Evers, Co-Kuratorin, promovierte an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg mit einer Arbeit über italienische Stuckdekoration des 17. Jahrhunderts. Vor ihrem Eintritt in die SPSG arbeitete sie an der Phillips Collection in Washington D. C. und an der Bibliotheca Hertziana (Max-Planck-Institut) in Rom. Seit 1997 ist sie Sammlungskustodin für Textil und Glas bei der SPSG und seit 1998 Beauftragte für die wissenschaftliche Nachwuchsförderung.
 

Die Ausstellung „Schlösser. Preußen. Kolonial“ wird Biografien und Sammlungsobjekte der Schlösser und Gärten aus anderen Perspektiven beleuchten.

Schlösser. Preußen. Kolonial.
Biografien und Sammlungen im Fokus
4. Juli bis 31. Oktober
Schloss Charlottenburg – Neuer Flügel & Altes Schloss
Di–So, 10–17.30 Uhr, letzter Einlass 17 Uhr
Eintritt: 14 Euro / ermäßigt 10 Euro
Abendticket: 10 / 6 Euro, gültig ab 16.30 Uhr
spsg.de/kolonial

 

Der Beitrag ist zuerst erschienen in der SANS,SOUCI. 02.2023

 

 

 

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