Im Frühjahr 2022 kehrte die Bronzeplastik „Ruhende Frau“ des Schweizer Bildhauers Fritz Huf nach Schloss Schönhausen zurück. Von 1951 bis 1990 stand das Kunstwerk im Garten des Schlosses, das zu dieser Zeit Amtssitz des Präsidenten und später Gästehaus der DDR war. Zuvor und auch danach verschwand das 1924 entstandene Kunstwerk mehrfach. Dr. Ulrike Schmiegelt-Rietig, Provenienzforscherin der SPSG, führt uns zur Entstehung der Plastik, zur Biographie des Künstlers und ihrem Auftraggeber und zur glücklichen Fügung, die „Ruhende Frau“ nun endlich einer breiten Öffentlichkeit zu zeigen.
Der Bildhauer, Maler und Grafiker Fritz Huf (1888-1970) ist heute in Deutschland nur noch wenig bekannt. Dabei war der gebürtige Schweizer gerade hier schon früh sehr erfolgreich und vor allem als Porträtist geschätzt. Schon bald nach seiner Ankunft in Frankfurt am Main hatte er im Januar 1913 seine erste, vielbeachtete Ausstellung im Frankfurter Kunstverein. Im Herbst des darauffolgenden Jahres übersiedelte er nach Berlin, wo ihn die Schriftstellerin Mechtilde Lichnowsky förderte und ihm die Türen zur Berliner Gesellschaft öffnete, indem sie ihm Kontakte zu intellektuell, kulturell und wirtschaftlich führenden Kreisen verschaffte. Er porträtierte prominente Zeitgenossen wie den Dichter Rainer Maria Rilke, den Politiker Walther Rathenau oder Max Liebermann.
Im Hause von Friedrich von Friedländer-Fuld lernte Huf die 19-jährige Natalie (Natascha) Fürstenberg (1896-1951) kennen, die mit der Tochter des Unternehmers befreundet war. Bald nach der ersten Begegnung sollen die beiden sich heimlich verlobt haben, 1919 heirateten sie. Nataschas Vater, der Bankier Carl Fürstenberg war wohl von der Verbindung wenig begeistert, konnte seiner jüngsten Tochter jedoch die Einwilligung schließlich nicht verweigern.
Bald nach der Hochzeit übernahm Fritz Huf das Atelier des verstorbenen Bildhauers Louis Touaillon, das er mit seinen Künstlerkollegen Ernesto de Fiori und Kurt Edzard teilte. In dieser Zeit schuf er eine Reihe von Porträts seiner jungen Frau. Meist handelte es sich um Büsten oder Masken. 1923 verlieh er einer lebensgroßen weiblichen Aktdarstellung die Züge Nataschas. Unter dem Titel „Ruhende Frau“ stellte Huf das lebensgroße Tonmodell im Februar 1924 in einer großen Einzelausstellung in der Galerie Paul Cassirer aus. Im selben Jahr konnte er das Werk in Bronze gießen lassen. Wahrscheinlich hatte Nataschas älterer Bruder Hans Fürstenberg (1890-1982) das Geld für den Bronzeguss gegeben. Möglicherweise hatte Huf die „Ruhende Frau“ auch von Anfang an im Auftrag seines Schwagers für ihren späteren Standort geschaffen.
Hans Fürstenberg war wie sein Vater Bankier. Bereits 1919 ließ der Vater ihn zum Inhaber seines Unternehmens, der Berliner Handelsgesellschaft, ernennen. Dies verschaffte ihm die Mittel, 1922 ein großes Grundstück in der Kaiserin-Augusta-Straße 34-36 im Berliner Tiergartenviertel zu erwerben. Im darauffolgenden Jahr ließ er sich dort durch den Architekten Paul Otto Baumgarten, der bereits Max Liebermanns Villa am Wannsee entworfen hatte, ein großzügiges Haus bauen. Der kunstsinnige Fürstenberg stattete sein Haus mit allem aus, was zu einem großbürgerlichen Haushalt gehörte. Gemälde und Skulpturen zierten die repräsentativ eingerichteten Räume. Luxuriös ausgestattet waren die Bibliotheken, in denen Fürstenbergs Sammlungen deutscher und französischer Erstausgaben untergebracht waren. Im hinteren Garten der Villa sollte Fritz Hufs „Ruhende Frau“ einen besonderen Platz bekommen. Während von den Räumlichkeiten der Villa einige Fotografien überliefert sind und die geschmackvolle Einrichtung bezeugen, wurden bisher keine Aufnahmen des Gartens aufgefunden. Lediglich ein Ölgemälde des Gartens, das Hans Fürstenberg selbst malte und später als Illustration seinen publizierten Erinnerungen einfügte, zeugt heute noch vom ersten Standort der „Ruhenden Frau“.
Die Fürstenbergs waren jüdischer Herkunft, und so musste Hans Fürstenberg 1936 vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten nach Frankreich und von dort nach 1940 weiter in die Schweiz fliehen. Fritz und Natascha Huf waren bereits Mitte der 1920er Jahre nach Frankreich übersiedelt. Auch sie flohen nach der deutschen Besatzung ihres Gastlandes in die Schweiz.
In Berlin hielt Fürstenberg zunächst den Anschein aufrecht, dass er unverändert in seinem Haus wohne, um nicht die Aufmerksamkeit der NS-Behörden zu erregen. Zwei Jahre lang blieb alles unverändert, selbst das Personal, der Chauffeur, die Köchin, ein Diener versahen weiterhin ihren Dienst. 1938 wurde die Situation unhaltbar. Zu dieser Zeit suchte das Auswärtige Amt nach einer geeigneten Dienstwohnung für den neuen 1. Staatssekretär, Ernst von Weizsäcker. Aus einer Liste von Vorschlägen fiel die Wahl auf die Villa Fürstenbergs, wegen ihrer günstigen Raumaufteilung, der Nähe zum Dienstort Weizsäckers, der auch sonst verkehrsgünstigen Lage, und weil der Bau noch verhältnismäßig neu war, also keine hohen Renovierungs- und Umbaukosten zu erwarten waren. Hans Fürstenberg wurde gezwungen, das Haus deutlich unter seinem Wert an das Reichsfinanzministerium zu verkaufen, das es wiederum dem Auswärtigen Amt zur Verfügung stellte. Weizsäcker nutzte seine Dienstvilla, bis er im Sommer 1943 auf eigenen Wunsch als Botschafter beim Heiligen Stuhl nach Rom versetzt wurde. Bei den schweren Bombenangriffen der Alliierten auf Berlin 1944 wurde das Haus weitestgehend zerstört.
Aufgrund seiner vielfältigen internationalen Geschäftsbeziehungen verlor Hans Fürstenberg zwar sein Vermögen in Deutschland, doch er war auch nach seiner Flucht zunächst nicht mittellos. Mithilfe getreuer Mitarbeiter gelang es ihm, nach dem Verkauf seines Hauses und der Entrichtung der „Reichsfluchtsteuer“, einen Teil des Mobiliars seines Berliner Hauses und vor allem seine kostbare Büchersammlung nach Frankreich zu bringen. Der zurückgebliebene Teil der Einrichtung wurde im Juli 1938 im Auktionshaus Union (Leo Spik) verramscht.
Die „Ruhende Frau“ blieb höchstwahrscheinlich im Garten des Hauses zurück. Nach Ende des Krieges wurde die Bronzeplastik von ihrem Standort entfernt. Vermutlich waren Buntmetalldiebe am Werk, die überall in Berlin ihr Unwesen trieben. Kurt Reutti, vom Berliner Magistrat mit der Bergung von Kunstwerken beauftragt, fand sie 1948 auf dem Schrottverladeplatz der tschechoslowakischen Militärmission im Berliner Osthafen. Er kam dorthin, um mithilfe eines Kriminalbeamten das vom Leipziger Platz gestohlene Denkmal für General Wrangel zu beschlagnahmen. Da das Denkmal jedoch bereits zerschnitten und unrettbar verloren war, einigte er sich mit dem Betreiber des Verladeplatzes darauf, andere dort lagernde Kunstwerke im gleichen Gewicht auszuwählen. Unter dieser Auswahl befanden sich Bronzeplastiken von Georg Kolbe, Renée Sintenis, Ernsto de Fiori, Fritz Kölle und eben die „Ruhende Frau“ von Fritz Huf.
Der Berliner Magistrat übergab die Kunstwerke der Nationalgalerie. Für kurze Zeit wurde die „Ruhende Frau“ dort ausgestellt. 1951 bekam das Kunstwerk einen neuen Standort im Garten von Schloss Schönhausen. Das Schloss war zu dieser Zeit der Amtssitz des ersten und zugleich einzigen Präsidenten der DDR, Wilhelm Pieck. Nach Piecks Tod wurde es zum Gästehaus der DDR umgebaut. Bis 1990 blieb die „Ruhende Frau“ auf ihrem Platz, hinter einer hohen Gartenmauer vor den Blicken der Öffentlichkeit verborgen. Nach dem Ende der DDR war die Zukunft von Schloss und Garten zunächst ungewiss. Um das Kunstwerk zu schützen, ließ die Nationalgalerie ihre Leihgabe ins sichere Depot bringen. Dort blieb das Kunstwerk für mehr als dreißig Jahre.
Nachdem Schloss Schönhausen 2005 der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten übergeben worden war, begann neben der Restaurierung des Schlosses auch die Rekonstruktion des Gartens. Anders als beim Schloss entschied man sich, den für Präsident Pieck entworfenen Garten zu erhalten beziehungsweise wiederherzustellen. Dazu gehörte auch die Wiedererrichtung der Bildwerke, die den Garten zu der Zeit geschmückt hatten. Eine erneute dauerhafte Ausleihe der „Ruhenden Frau“ kam jedoch nicht in Frage. So entstand die Idee, einen Nachguss anfertigen zu lassen, und daraus wiederum folgte die Frage nach dem Inhaber der Rechte an dem Kunstwerk. Recherchen des Fördervereins Schloss & Garten Schönhausen e.V. führten 2018 zur Wiederentdeckung der Herkunft der „Ruhenden Frau“ aus dem Eigentum Hans Fürstenbergs. Unabhängig davon untersuchten zur gleichen Zeit die Provenienzforscher:innen des Zentralarchivs der Staatlichen Museen zu Berlin die Provenienz der Bronzeplastik im Rahmen der Vorbereitung des Bestandskatalogs der Neuen Nationalgalerie. Auf der Basis ihrer Forschungsergebnisse konnte die SPK feststellen, dass das Kunstwerk mit größter Wahrscheinlichkeit als NS-verfolgungsbedingter Vermögensverlust anzusehen ist und entschied sich für die Restitution an die Erbin des Eigentümers. Dies ist die Fondation Furstenberg-Beaumesnil, die Hans Fürstenberg noch zu Lebzeiten errichtete, um das Barockschloss Beaumesnil in der Normandie, das er 1938 erwarb und nach dem Krieg restaurieren ließ, zu erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Für die Wiederherstellung des Schlossgartens erwies sich dies als eine glückliche Fügung, denn daraus ergab sich für die SPSG die Chance, statt eines Abgusses das Original zu erwerben. So nahmen die Mitarbeiterinnen Kontakt zur Rechtsvertreterin der Fondation Furstenberg Beaumesnil auf, um das Werk anzukaufen. Die Fondation begrüßte den Ankaufswunsch und die Möglichkeit, das Kunstwerk an seinem „Heimatort“ Berlin zu zeigen. Wegen des Entgegenkommens der Erbin konnten die Parteien sich schnell auf den Preis einigen. Der Förderverein Schloss & Garten Schönhausen e.V. war sofort bereit, die für den Nachguss gesammelten Spenden für die Erwerbung des Originals umzuwidmen. Dieser überaus großzügigen Unterstützung ist es zu verdanken, dass die „Ruhende Frau“ an ihren Platz im Garten von Schloss Schönhausen zurückkehrt und nach beinahe 100 Jahre im Verborgenen bald endlich für die Öffentlichkeit, die Besucher:innen von Schloss und Garten Schönhausen zugänglich sein wird. Bis zu ihrer endgültigen Aufstellung wird allerdings noch einige Zeit vergehen, denn zuvor ist eine gründliche Restaurierung notwendig. Damit den Freundinnen und Freunden von Schloss und Garten Schönhausen diese Zeit nicht zu lang wird, heißen wir die „Ruhende Frau“ am „Tag der Provenienzforschung“ am 13. April um 17 Uhr im Schlossgarten willkommen und laden zu einer ersten Begegnung herzlich ein.
Mi., 13.04. / 17 Uhr Berlin / Schlossgarten Schönhausen
Zurück in Schloss Schönhausen: Die „Ruhende Frau“ von Fritz Huf
Gespräch zum Tag der Provenienzforschung 2022
Eintritt frei, Spenden erwünscht
Treffpunkt: Eingang Schloss Schönhausen
barrierefrei
Weitere Informationen
Weitere Informationen zum Schloss Schönhausen und zum Schlossgarten Schönhausen
0 Kommentare