750 Hektar Parkanlagen, 600 einzelne Baudenkmäler, 236.000 Quadratmeter Gebäudefläche – in der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg gibt es auch abseits der bekannten Wege zahlreiche spannende Orte, die wir Ihnen ab sofort in unregelmäßigem Abstand auf dem Blog vorstellen möchten – seien es nicht zugängliche, versteckte oder auch nur kuriose Winkel in dem großen Kosmos der Stiftung. Den Anfang macht das Kaiser-Friedrich-Mausoleum neben der Friedenskirche im Park Sanssouci.
Im bewussten Kontrast zum strengen und in seinem Skulpturenprogramm sehr „atheistischen“ Park Sanssouci Friedrichs des Großen ließ Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861) das gesamte Ensemble von Friedenskirche, Marly- und Friedensgarten zwischen 1844-1854 mit einer stark von der tiefen Religiosität des Königs geprägten Ikonographie anlegen. So wählte er auch die Friedenskirche als seine persönliche Grablege: Die Sarkophage des Königs und seiner Frau, Königin Elisabeth (1801-1873), befinden sich in einer Gruft unterhalb des Kirchenschiffs.
Die Blickführung durch den Marlygarten – eine Art „hortus conclusus“, also Paradiesgarten – von Westen ist durch stets neue Perspektiven und Ansichten auf das Ensemble geprägt, sodass der Betrachter von immer neuen Blicken überrascht wird und dennoch selten in der Lage ist, den gesamten Baukomplex zu erfassen. Erst im mittleren Bereich des Gartens gelingt es, die einzelnen Bauteile in ihrer malerischen Gesamtheit zu bewundern: In der Mitte ragt der schlanke Campanile der Friedenskirche in die Höhe, links davon schließt sich die Stirnseite des Kirchenschiffs mit vorgelagertem Atrium an und auf der rechten Seite das langgestreckte Kavalierhaus, auch „Schloss Marly“ genannt. Ganz links, halb versteckt hinter hoch gewachsenen Nadelbäumen, verbirgt sich ein kuppelbekrönter Rundbau, der sich auf den ersten Blick harmonisch in das Ensemble einzufügen scheint. Um was für ein Gebäude könnte es sich dabei handeln? Friedrich Wilhelm IV. und seine Architekten ließen sich bekanntermaßen stark von der Architektur Italiens inspirieren – handelt es sich beim Rundbau also möglicherweise um eine Taufkirche, ein Baptisterium, wie man es oftmals in Italien als Kuppelbauten freistehend neben Kirchen findet?
Auch wenn es aus der Zeit Friedrich Wilhelms IV. mehrere kuppelbekrönte Bauten gibt, man denke an die Kapelle des Berliner Schlosses oder die Potsdamer Nikolaikirche, war dieser Bauteil in der Planung des Königs und seiner Architekten Ludwig Persius, Friedrich August Stüler und Ludwig Ferdinand Hesse ursprünglich nicht vorgesehen. Das Bauwerk steht tatsächlich mit einem anderen bekannten, kuppelbekrönten Gebäude in Berlin im – wenn auch nur indirekten – Zusammenhang: dem Berliner Dom.
Jahre nach dem Tod Friedrich Wilhelms IV. – sein Bruder war inzwischen als Wilhelm I. (1797-1888) Deutscher Kaiser – setzte sich dessen Sohn, Kronprinz Friedrich Wilhelm (1831-1888), energisch für einen Domneubau ein, da der alte Dom für die inzwischen zur Reichshauptstadt erhobene Stadt Berlin nicht mehr groß und repräsentativ genug erschien. Schon sein Onkel Friedrich Wilhelm IV. hegte große Pläne für einen neuen Dom, die aber nie zur Ausführung gelangten. Kronprinz Friedrich Wilhelm ließ sich nun zwischen 1884 und 1888 vom Architekten Julius Carl Raschdorff (1823-1914) eine Vielzahl von Plänen für einen Domneubau vorlegen, die Jahre später – inzwischen war Wilhelm II. Deutscher Kaiser – in stark abgewandelter Form auch zur Ausführung gelangten. Dieser kurzen, aber intensiven Zusammenarbeit zwischen Raschdorff und dem Kronprinzen, der den Künsten und der Architektur sehr zugewandt war, ist es wahrscheinlich zu verdanken, dass der Architekt im Jahr 1889 erneut zu einer wichtigen Bauaufgabe in Potsdam herangezogen wurde.
Kronprinz Friedrich Wilhelm bestieg im März 1888 im Alter von 56 Jahren schwerkrank den Thron, nannte sich Friedrich III. und ging als 99-Tage-Kaiser in die Geschichte ein, da er bereits am 15. Juni desselben Jahres starb. Ein Jahr nach seinem Tod wurde nun eben jener Architekt Raschdorff, vermutlich auf Veranlassung der Witwe, Kaiserin Victoria (1840-1901), die sich inzwischen „Kaiserin Friedrich“ nannte, damit beauftragt, ihm ein angemessenes Mausoleum zu errichten. Bei dem etwas geheimnisvoll hinter den Bäumen hervorlugenden Gebäude handelt es sich somit um eine kaiserliche Grablege.
Eine besondere Eigenart der brandenburgischen Kurfürsten, preußischen Könige und Deutschen Kaiser ist, dass es keine zentrale Grabstätte aller Herrscher und ihrer Ehefrauen gibt. Fast hundert Familienmitglieder liegen in der Hohenzollerngruft unter dem Berliner Dom, andere im Mausoleum im Schlossgarten Charlottenburg, Friedrich der Große (1712-1786) liegt bekanntermaßen in einer Gruft auf der obersten Terrasse vor dem Schloss Sanssouci und Kaiser Wilhelm II. (1859-1941) ist – aus nachvollziehbaren historischen Gründen – im Niederländischen Exil beigesetzt. Kaiser Friedrich III. wählte nun für sich den Ort der Friedenskirche in Potsdam, wo auch schon sein kunstsinniger Onkel bestattet war. Womöglich fühlte er sich ihm näher verbunden als seinem Vater, Kaiser Wilhelm I., der zusammen mit seiner Frau, der Kaiserin Augusta (1811-1890), und seinen Eltern, König Friedrich Wilhelm III. (1770-1840) und Königin Luise (1776-1810), im Charlottenburger Mausoleum ruht.
Raschdorff ließ sich bei seiner Gestaltung von einer Kapelle aus dem 17. Jahrhundert in Innichen in Südtirol inspirieren, die wiederum die Grabeskirche in Jerusalem zu Vorbild hatte. Auch steuerte die Kaiserinwitwe eine Skizze bei. Durch die eher nüchterne Fassade und die zahlreichen Rundbögen fügt sich das Mausoleum jedoch auch harmonisch in den Gesamtkomplex der Friedenskirche ein und ist erst bei genauerem Hinsehen als eine spätere Zutat zu identifizieren.
Die kompakte Form, die hoch gelegenen Fenster und der auf den ersten Blick nicht einsehbare Eingang geben dem Mausoleum zunächst einen abweisenden Charakter. Tritt man jedoch durch das Portal, das sich zum Atrium der Friedenskirche richtet, ein, ist man überrascht, was für ein hoher, lichtdurchfluteter Raum sich im Inneren verbirgt. Der Blick wandert von den Seiten nach oben: Zwei übereinanderliegende Reihen aus schwarzen Marmorsäulen tragen Rundbögen, dazwischen Figuren von Engelsköpfen und (ursprünglich) goldenen Palmenblättern. Weiter nach oben richtet sich der Blick auf die Kuppel, die mit einem goldglänzenden Mosaik ausgekleidet ist – auch hier wechseln sich Palmenzweige und Engelsfiguren ab. Anders als eine unterirdische Gruft oder das etwas düster-sakral anmutende Mausoleum in Charlottenburg ist die Atmosphäre geradezu heiter und luftig.
In der Mitte des kreisrunden Raums stehen die großen Sarkophage von Kaiser Friedrich III. und seiner Frau Victoria (sie wurde 1901 hier beigesetzt) aus weißem Marmor, meisterhaft geschaffen vom Bildhauer Reinhold Begas. In einer Art Altarnische befinden sich rechts und links zwei weitere Grabmäler mit aufwendigem Skulpturenschmuck aus Marmor: Hier liegen zwei der acht Kinder des Paares, die früh verstorbenen Söhne Sigismund (1864-1866) und Waldemar (1868-1879). In der Mitte der Nische fällt der Blick jedoch auf einen vergleichsweise schlichten Sarg aus Kupfer. Es handelt sich dabei um die jüngste Ergänzung des Mausoleums: Friedrich Wilhelm I. (1688-1740) – der so genannte Soldatenkönig und Vater Friedrichs des Großen – wurde, wie sein Sohn, ursprünglich in der Potsdamer Garnisonkirche bestattet. Ihre Särge wurden im Zweiten Weltkrieg ausgelagert und blieben bis 1991 auf der Burg Hohenzollern in Baden-Württemberg. Erst nach der Wende kehrten sie nach Potsdam zurück – Friedrich der Große fand seine letzte Ruhe nach über 200 Jahren in der erwähnten Gruft am Schloss Sanssouci, sein Vater im Mausoleum an der Friedenskirche, das erst rund 150 Jahre nach seinem Tod errichtet wurde.
Als Friedrich III. 1888 den Thron bestieg, setzte die Bevölkerung große Hoffnung in den offen liberalen Kaiser, der sich von der Politik seines Vaters und Bismarcks zeitlebens deutlich abgrenzte. Diese Hoffnung wurde frühzeitig zunichtegemacht. Auch wenn dieses „Was-wäre-wenn“ nach seinem Tod und spätestens nach dem Ersten Weltkrieg zuweilen bis hin zur Legende überhöht und verklärt wurde, fragen sich Historiker:innen bis heute, wie sich die Geschichte im 19. und 20. Jahrhundert weiterentwickelt hätte, wenn Kaiser Friedrich III. länger am Leben geblieben wäre. Auch wenn er schon als Kronprinz wichtige Impulse auf dem Gebiet der Kunst und Architektur gab – so geht beispielsweise das Bode-Museum, ihm zu Ehren ursprünglich „Kaiser-Friedrich-Museum“ genannt, auf seine Initiative zurück – gibt es keinerlei Neubauten, die er als Kronprinz oder Kaiser in Auftrag gab. Einzig das Mausoleum in Potsdam-Sanssouci, freilich nicht mehr zu Lebzeiten errichtet, kann als wirklicher baulicher Nachlass Friedrichs III. gelten. Und genauso, wie der 99-Tage-Kaiser in der Geschichte Preußens und des Deutschen Reichs oft im Schatten seiner Vorgänger und Nachfolger zu stehen scheint, ist auch das Mausoleum ein Bauwerk „auf den zweiten Blick“, das sich in all seiner Eigentümlichkeit doch immer wieder neu zu entdecken lohnt.
Aus konservatorischen Gründen ist das Mausoleum für Besucher:innen leider nicht zugänglich.
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