Campanile der Friedenskirche in Sanssouci

Restaurierung

2021 bis 2024 – Potsdam, Park Sanssouci

Nachdem die Neubaupläne König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen (1795-1861) für den Berliner Dom an den revolutionären Ereignis­sen von 1848/49 gescheitert waren, nahm der am 24. September 1848 geweihte Kirchenneubau am Südostrand der historischen Parkanlage von Sanssouci den Status seiner offiziellen Hofkirche an. Beim Bau des Ensembles der Friedenskirche wurden die damals schon industriell gefertigten, modernen Materialien wie Zinkblech, Zink- oder Eisenguss verwendet. Die Gestaltung des in den oberen Geschossen rundum mit Arkaden geöffneten Turms soll von dem zu Beginn des 12. Jahrhunderts errichteten Glockenturm der römischen Kirche S. Maria in Cosmedin inspiriert sein. Der mittelalterlich anmutende Campanile der Friedenskirche bestand – wie das Innere der New Yorker Freiheitsstatue oder der Pariser Eifelturm – ursprünglich aus einer reinen Eisenkonstruktion.

Zustand vor der Restaurierung

Durch mangelnde Wartung und ungehindert eindringendes Regenwasser bei unzureichender Entwässerung mussten 1906 die geschossweise eingebauten, bauzeitlichen Eisenträger wegen starker Korrosionsschäden ausgebaut werden. Auf ihnen lagerte die mittlere Wendeltreppe. Aus konstruktiven Erwägungen verzichtete das damalige Hofbauamt auf eine Erneuerung dieser grazilen Originalkonstruktion und ließ stattdessen massive Geschossebenen einbauen. Diese in Zement vergossenen Betondielen sind seit mehr als 100 Jahren den Witterungseinflüssen ausgesetzt und haben ebenfalls nur noch eine eingeschränkte Tragfähigkeit. Seit dem Ende des vergangenen Jahrhunderts ist der Zugang zum Turminneren daher gesperrt.

Förderung

Die Restaurierung des Campanile war dank der großzügigen Unterstützung von zwei großen Potsdamer Denkmalfreunden möglich: Der Herrmann Reemtsma Stiftung sowie dem Ehepaar Günther und Thea Jauch. Rund 500.000 Euro konnten mithilfe einer bundesweiten Spendenkampagne der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) gemeinsam mit der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD) und dem Bauverein Friedenskirche Potsdam e. V. eingeworben werden.

Maßnahmen

Die restauratorischen Maßnahmen konzentrierten sich vor allem auf drei größere Teilbereiche:

Für die Wiederherstellungsmaßnahmen wurde der 42 Meter hohe Turm eingerüstet. Die im September 2021 begonnenen Gerüstarbeiten waren eine besondere Herausforderung, weil nur die östliche Turmseite freisteht. Die drei verbleibenden Seiten mussten mit auskragenden Konstruktionen „schwebend“ über den unmittelbar anschließenden Dächern der umgebenden Gebäude erschlossen werden.

Zur Vorbereitung der Restaurierung der historischen – aus Schmiede- und Gusseisen bestehenden – Deckenkonstruktionen im Turminneren wurden zunächst Freilegungs- und Strahlarbeiten ausgeführt. Da es sich um bleihaltige Anstriche handelte, waren besondere sicherheitstechnische Vorkehrungen notwendig. Beim Rückbau der Betondeckenplatten war es erforderlich, von oben beginnend, jede Ebene einzeln zu bearbeiten und wieder zu stabilisieren, bevor die nächste in Angriff genommen werden konnte. Danach folgte der Einbau eines Edelstahl-„Korsetts“ in allen Deckenebenen, das die geschwächte historische Konstruktion stützt und zugleich wieder sichtbar macht. Übrigens hat jede Decke andere Maße, weshalb alle Deckenelemente individuell angefertigt werden mussten. Für die neue Edelstahl-Überfangung mussten Auflagerkonstruktionen hergestellt werden. Alle originalen Deckenverspannungen im Mauerwerk wurden ertüchtigt, Mauerwerksschäden an den Turminnenseiten beseitigt und Verfugungen ergänzt. Das flache Turmdach wurde instandgesetzt und die farbig gefasste Holzkassettendecke unterhalb des Daches restauriert. Besonders anspruchsvoll war die Restaurierung der verzierten gusseisernen Tragelemente und Treppenstufen sowie der applizierten Zinkgussornamente. Fehlende Teilstücke der Gusseisenelemente wurden nachgegossen und in einem Kaltschweißverfahren eingebracht, ebenso wurden Bruchstellen und Längsrisse in zwei tragenden Gusseisensäulen geschlossen.

Eine wichtige Komponente der Sanierung war der Einbau einer funktionstüchtigen Entwässerungsanlage für alle Turmebenen, deren Fehlen die Ursache für die umfangreichen Schäden an den Eisenkonstruktionen war. Das bei Schlagregen durch die Turmöffnungen eindringende Regenwasser wird nun künftig durch Schlitze, Tropfkanten und Ablaufrinnen in den Decken durch Regenfallrohre in den Friedensteich an der Kirche abgeleitet.

2023/24 folgte in einem weiteren Bauabschnitt die Restaurierung der gesamten Ziegeloberflächen der Fassaden inklusive des Austauschs von schadhaften Vollziegeln und Baukeramiken, die in einer Ziegelmanufaktur speziell für den Turm in Form und Farbe passend hergestellt wurden. Speziell sind auch die Verfugungen der Ziegel, die als Hohlfugen ausgebildet, dem Bestand entsprechend ergänzt wurden. Die Oberfläche der Ziegel konnte außerdem durch ein Laserverfahren erfolgreich gereinigt werden.

Darüber hinaus mussten die Glockenstühle instandgesetzt und die vier historischen, 1849 von Johann Carl Hackenschmidt (1778-1858) in Berlin gegossenen Bronzeglocken inklusive der Joche und Klöppel restauriert werden. Sie bilden eines der wenigen komplett erhaltenen Geläute des 19. Jahrhunderts – nicht nur in Potsdam. Die vier Uhrziffernblätter und Zeiger wurden wieder vergoldet, die ausgeschlagenen Treibachsen als Zeitzeugnisse an Ort und Stelle belassen und die Uhren mit neuen Treibwerken versehen.

Das ursprünglich vorhandene Turmkreuz bestand aus einer schmiedeeisernen Grundkonstruktion, die mit getriebenem Zinkblech umhüllt war und wegen massiver Korrosionsschäden Anfang der 1960er Jahre abgenommen werden musste. Erst 1988 wurde es durch ein Kreuz aus Zinkguss ersetzt, dessen Form der ursprünglichen entsprach. Auch dieses Kreuz musste wegen Rissbildungen im November 2014 demontiert werden. Es wurde in Aluminiumguss nachgefertigt, doppelt vergoldet und im März 2024 auf das Dach des Turmes gesetzt.

Das von der Ädikula überdachte Wandbild „Christus am Ölberg“ von Eduard Steinbrück (1802-1882) wurde 1850 in der seinerzeit besonders innovativen Maltechnik der Stereochromie ausgeführt. Am Wandbild musste der Putz gefestigt und Verluste in der Malschicht retuschiert werden. Die Deckenkassettierung sowie der Palmettenschmuck und die Kreuzbekrönung in Zinkguss wurden wiederhergestellt. Das Kreuz erhielt wieder eine Vergoldung.