Michail Gorbatschow besucht als letzter Staatsgast der DDR das Schloss Schönhausen
Es ist ein denkwürdiger, folgenreicher Besuch, den Michail Gorbatschow am 6. und 7. Oktober 1989 Ost-Berlin abstattet. An diesen beiden Tagen ist Gorbatschow, der sowjetische Staats- und Parteichef, mit seiner Gattin Raissa Gorbatschowa im Schloss (Nieder-)Schönhausen in Berlin-Pankow untergebracht, das die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) als Gästehaus nutzt. Das Schloss ist der einstige Sommersitz der preußischen Königin Elisabeth Christine, der Gemahlin Friedrichs des Großen. Die Gorbatschows sind dort die letzten Staatsgäste.
Gorbatschow weckt mit seinem Kurs von Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umgestaltung) die Hoffnungen der Menschen auf Reformen in der DDR.
Am Vormittag des 7. Oktober treffen sich die Mitglieder des Politbüros der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) mit Gorbatschow im Konferenzgebäude auf dem Schlossgelände. Es ist der 40. Geburtstag der DDR. Doch der ist alles andere als rosig. Die Situation ist angespannt. Die Bürger demonstrieren für mehr Freiheiten, werden von Sicherheitsorganen verhaftet und niedergeknüppelt, stellen Ausreiseanträge, wollen das Land verlassen.
Diesen Ernst der Lage erkennt man im Politbüro nicht. Gorbatschow aber bemerkt ihn. „Wenn wir zurückbleiben, bestraft uns das Leben sofort“, sagt der sowjetische Parteichef zu den SED-Politbürokraten.
Was daraus wurde, ist bekannt. Erich Honecker, Generalsekretär des Zentralkomitees der SED und Vorsitzender des Staatsrates der DDR, der nicht auf Gorbatschow hören will, wird am 18. Oktober von den anderen Mitgliedern des Politbüros durch Egon Krenz ersetzt. Am 9. November fällt die Mauer.