Im Schloss Sanssouci kam es am 13. Mai 1998 zu einem denkmalpflegerischen Tabubruch. Nach mehr als hundert Jahren wurde der Marmorsaal der Sommerresidenz Friedrichs des Großen wieder zum Schauplatz eines festlichen Essens. Nur einmal hatte der preußische Hof seit dem Tod der letzten Bewohnerin von Sanssouci, Königin Elisabeth von Preußen, im Jahr 1873 eine Ausnahme gestattet: Kaiser Wilhelm II. ehrte im Juni 1895 den Maler Adolph Menzel anlässlich seines bevorstehenden 80. Geburtstages mit einem Diner im Marmorsaal.
Nun war es Bundeskanzler Helmut Kohl, der sich gegen alle konservatorischen Vorbehalte durchgesetzt hatte. Es war sein ausdrücklicher Wunsch, Bill Clinton, den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, bei seinem zweiten Staatsbesuch in Deutschland mit einem Mittagessen in Sanssouci zu ehren. Clinton besuchte aus Anlass des 50. Jahrestags der Berliner Luftbrücke zum ersten Mal die neuen Bundesländer.
Alle Einwände von Denkmalpflegern ließ Helmut Kohl nicht gelten. Den Vorschlag, das Diner in der Ovidgalerie der benachbarten Neuen Kammern von Sanssouci auszurichten, die sonst den festlichen Rahmen für Staatsgäste-Empfänge bot, hatte der amerikanische Protokollchef abgelehnt. Die sinnenfrohen Szenen der Metamorphosen des römischen Dichters Ovid, die in Form von vergoldeten Stuckreliefs in die Wände der Galerie hineinkomponiert sind, waren dem Chef des Protokolls zu freizügig. Man befürchtete, die Presse könnte einen Bezug zur Lewinsky-Affäre herstellen, die seit Beginn des Jahres 1998 in den Medien ständiges Thema war.
Aus diesem Grund tafelte der prominente Staatsgast im repräsentativen Hauptraum des Weinbergschlosses. Das Diner orientierte sich an den kulinarischen Vorlieben Friedrichs des Großen: Perlhuhn als Vorspeise, Zander als Hauptgericht und eingelegte Früchte aus dem Schlossgarten zum Dessert. Nach dem Mahl schritten Präsident und Kanzler auf der Freitreppe des Schlosses hinunter an die Große Fontäne. Dort wartete Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe an einem Tisch, an dem Bill Clinton seinen Namen in das Goldene Buch des Landes schrieb.
Der damalige Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Hans-Joachim Giersberg, setzte im Anschluss des Besuches durch, dass eine derartige Fremdnutzung der sensiblen Räume künftig nicht mehr vom Willen eines Politikers abhängen dürfe, sondern vom Stiftungsrat genehmigt werden muss.