Kostbarkeiten auf Reisen

SPSG verleiht sechs herausragende Objekte der Rokoko-Möbelkunst zu einer Sonderausstellung nach Dresden

Mit einem Schreibtisch, einem Cartonnier mit Uhrenaufsatz sowie drei Standuhren besitzt die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) fünf herausragende Möbel des Pariser Kunsttischlers Jean-Pierre Latz (1691-1754). Drei von ihnen, Schreibtisch, Cartonnier und eine Standuhr, stehen wohl seit dem Ankauf 1746 gemeinsam im Arbeits- und Schlafzimmer Friedrichs II. (1712-1786) in Schloss Sanssouci in Potsdam. Eine von Latz signierte Uhr wird im Marmorpalais gezeigt, eine weitere aus seiner Werkstatt befindet sich wieder im Neuen Palais. Latz gilt als einer der bedeutendsten Ebenisten des 18. Jahrhunderts, seine Stücke zählen zu den Meisterwerken ihrer Epoche und waren zu ihrer Zeit an europäischen Höfen äußerst begehrt.
Für das Sonderausstellungsprojekt „Fait à Paris. Die Kunstmöbel des Jean-Pierre Latz am Dresdner Hof“ des Kunstgewerbemuseums der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD), das zudem Abschluss eines umfangreichen Forschungsprojektes ist, werden diese fünf Objekte gemeinsam mit einem sechsten Stück, einer ebenfalls im Besitz der SPSG befindlichen Uhrenkopie aus dem 19. Jahrhundert, vom 19. Oktober 2024 bis zum 2. Februar 2025 im Dresdner Residenzschloss zu sehen sein. 
Das Möbel-/Uhrenensemble aus dem Arbeits- und Schlafzimmer von Sanssouci wurde bereits im Februar 2024 von dort entnommen, um es im Vorfeld der Ausstellung noch Konservierungsmaßnahmen zu unterziehen. Die SPSG freut sich, als Leihgeberin an dieser wegweisenden Ausstellung zu Jean-Pierre Latz beteiligt zu sein. Nach Ende der Ausstellung sind die Objekte voraussichtlich wieder ab Mitte Februar 2025 im Schloss Sanssouci bzw. im Marmorpalais und im Neuen Palais zu bewundern.
Der Schreibtisch und der Cartonnier sind Teil der Sammlung Möbel der SPSG, die rund 5.000 Objekte umfasst; die Uhren gehören zur etwa 140 Objekte umfassenden Uhrensammlung der SPSG.
 

Schreibtisch
Friedrich II. ließ seinen persönlichen Schreibtisch 1746 in Paris ankaufen. Das „Bureau Plat“ des Ebenisten Jean-Pierre Latz ist mit Satinholz und Amarant furniert und mit feuervergoldeten Beschlägen verziert. Es hat auf beiden Seiten drei große Schubladen. Das Möbel stand bis zum Tod des Königs 1786 in seinem Schlaf- und Arbeitszimmer in Schloss Sanssouci. Im frühen 20. Jahrhundert verkaufte  Wilhelm von Preußen (1882-1951) das Stück an den Antiquitätenhändler Jakob S. Oppenheimer (1879-1941). Als das Ehepaar Oppenheimer Ende März 1933 aus Deutschland fliehen musste, gelangte der Tisch im Zuge der Reichsfluchtsteuerauseinandersetzung in den Besitz des Deutschen Reiches und wurde bald darauf wieder in Schloss Sanssouci ausgestellt. Dank seiner Auslagerung nach Schloss Babelsberg während des Zweiten Weltkrieges kehrte er 1953 nach Sanssouci zurück und konnte 2002 an die Erbengemeinschaft Oppenheimer restituiert werden. Mit Hilfe der Kulturstiftung der Länder wurde der für die friderizianischen Schlossausstattungen so wichtige Schreibtisch im Jahr 2006 für die SPSG zurückgekauft.

Cartonnier (Dokumentenschrank)
Graf Friedrich Rudolf von Rothenburg (1710-1751) kaufte den Dokumentenschrank für Friedrich II. zusammen mit dem Schreibtisch 1746 in Paris. Er stand zunächst im Schlaf- und Arbeitszimmer des Königs in Schloss Sanssouci, im Laufe des 19. Jahrhunderts in den Kavalierzimmern. Im Jahr 1900 wurde der Schrank als einziges französisches Möbel aus den Sammlungen Kaiser Wilhelms II. (1859-1941) auf der Weltausstellung in Paris präsentiert. Die sowjetischen Truppen transportierten den Schrank 1945 nach Russland und so kehrte er erst 1958 zurück ins Schloss Sanssouci.
Der Dokumentenschrank besteht aus einem Unterschrank mit  einer kleinen Kommode mit fünf größeren und zwei kleineren Schubladen. Wie auch der Schreibtisch ist er mit feuervergoldeten Beschlägen in Form von Rocaille-Motiven verziert. Ebenfalls reich mit vergoldeter Bronze verziert ist die Uhr, die auf dem Cartonnier angebracht ist, daneben sitzen zwei Figuren. Die männliche Figur mit Kind im Arm auf der rechten Seite verkörpert Kronos, den Gott der Zeit. Links befindet sich eine weibliche Figur mit verschiedenen Attributen zum Thema Zeit, der Handspiegel deutet auf die Personifikation der Wahrheit hin. Der Cartonnier selbst steht auf einem schlichten Unterschrank  derselben Höhe wie der Schreibtisches. Eine zeitgenössische Kopie des Cartonnier mit Uhrenaufsatz befindet sich im Dritten Kavalierzimmer in Schloss Sanssouci.

Uhr
Vier kräftige Löwenfüße aus feuervergoldetem Messing leiten von einem niedrigen Postament, das an der Vorderseite eine männliche Maske mit aufgeblähten Backen – möglicherweise ein Windgott – zeigt, zu dem sich nach unten verjüngende Piedestal über. Im oberen Drittel befindet sich das von Rocaillen und Strahlen gerahmte Pendelloch. Die schwarz unterlegten Schildpattflächen weisen Einlegearbeiten (Marketerien) in Form von Messingadern, die Blumen- und Blattranken darstellen, auf. Kräftig ausgebildete C-Schwünge, Voluten und Muscheln aus vergoldetem Messing zieren besonders die Ecken des Piedestals und leiten zu dem flachen Podest über, auf dem die Uhr steht. Obenauf sitzt hinter dem halbrunden Abschluss der Uhr, der von einer Herkulesmaske verziert wird, der geflügelte Kronos/Saturn mit der Sense; durch das Stundenglas in seiner linken Hand aber auch als der Zeitgott Chronos zu identifizieren. Zu beiden Seiten des Zifferblatts entwickeln sich aus Rocaillen die Körper zweier Drachen, die zu der Herkulesmaske aufschauen. Unter dem Zifferblatt mit der Signatur „CHAROST À PARIS“, den blauen römischen Stunden- und schwarzen arabischen Minutenziffern in eigenen kleinen Emailkartuschen befindet sich in der Messingplatte die Datumsanzeige: eine quadratische Aussparung für den Tag und eine gebogene für den Monat. Darunter zeigt ein Relief Rhea/Kybele, die Göttermutter und Schwester des Kronos/Saturn, auf ihrem Löwenthron. Ein Putto reicht ihr eine Mauerkrone.
Auch diese Uhr erwarb Graf Rothenburg 1746 für Friedrich II. in Paris. Sie stand mit einer Ausnahme – zwischen 1918 und 1928 – immer im Arbeits- und Schlafzimmer des Königs im Schloss Sanssouci.

Bodenstanduhr mit Glockenspiel
1754 ließ Friedrich II. diese Uhr durch seinen Kunstagenten Petit in Paris ankaufen und im Potsdamer Stadtschloss aufstellen. Nach 1945 gelangte sie in das Neue Palais, wo sie in der Roten Damastkammer des Unteren Fürstenquartiers zu sehen ist.
Die Oberflächen sind mit unterschiedlichen, teilweise gefärbten Hölzern intarsiert. Das Furnierbild ergibt in der unteren Hälfte Gitterwerke mit Kreuzblumen und oben verschiedene Blumen, im zentralen Bereich Jagdmotive, darunter ein Wildschweinkopf. Apoll thront auf der Uhr mit Leier und Bogen, unter den vergoldeten Bronzeapplikationen befinden sich auch zwei kleine, einander zuge­wandte Drachen. Die Uhr besitzt ein Glockenspiel.

Pendule „aux biches“
Das Oberteil der Uhr ruht auf vier liegenden Hirschkühen, wodurch sich der Name (biche, franz. „Hirschkuh“) erklärt. Als Bekrönung thront die Jagdgöttin Diana mit Köcher, Pfeil und Bogen auf einer Wolke. An den Seiten sind ein Wildschwein- bzw. ein Hundekopf angebracht, darüber jeweils ein zweiarmiger Leuchter. Die große Pendule steht auf einem hohen balusterförmigen Fußgestell. Alle drei Schauseiten sind mit Messingblech belegt. In diesen Messingfond sind Ornamente geschnitten, in die farbig hinterlegtes Schildpatt, Horn sowie Perlmutt eingelegt sind. Das zentrale Motiv der Vorderseite bilden wiederum Jagdmotive: Jagdhorn, Köcher mit Pfeilen sowie Lanzen. Ursprünglich besaß auch diese Uhr ein Glockenspiel von Michel Stollewerk (seit den 1730er Jahren in Paris tätig). Dieses ging nach 1918 verloren.
Diese kostbare Uhr erwarb Friedrich II. um 1765 wahrscheinlich aus dem Nachlass der Madame de Pompadour (1721-1764) in Paris und zierte damit ein Gästezimmer im Neuen Palais. Sein Nachfolger König Friedrich Wilhelm II. (1744-1797) ließ sie in das Marmorpalais im Neuen Garten bringen, wo sie heute nach mehreren anderen Aufstellungsorten wieder zu bewundern ist.

Pendule „aux biches“ - Kopie
Diese Uhrenkopie aus dem Jahr 1870 ist erst nach dem Zweiten Weltkrieg im Neuen Palais nachweisbar. Sie stammt vermutlich von dem Berliner Uhrenfabrikanten, -händler und Hofuhrmacher Franz Koch (gest. vor 1889), der seit etwa 1840/50 wirkte. Das Gehäuse folgt dem französischen Modell der Pendule „aux biches“ (mit Hirschkühen) aus dem 18. Jahrhundert. Im Unterschied dazu sind die flächigen Rücklagen der drei Schauseiten hier aber mit Ebenholzfurnier und einer Rahmung aus eingelegten Messingbändern belegt.
Die Uhr stand lange im Neuen Palais und ist heute, da sie nicht zur Originalausstattung des Schlosses gehört, normalerweise deponiert. 

Kontakt

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SPSG | Abteilung Bildung und Marketing
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