Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) hat die Sanierung des Campanile (Glockenturm) der Friedenskirche im Potsdamer Park Sanssouci abgeschlossen. Ermöglicht wurden die Wiederherstellungsarbeiten durch die 2015 von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD) initiierte bundesweite Spendenkampagne. Ihr waren bereits 2018 die Wiederherstellung der Dächer über den Seitenschiffen und die Restaurierung des venezianischen Apsismosaiks aus dem frühen 13. Jahrhundert im Chorraum des Gotteshauses zu verdanken. Die großzügige Unterstützung von Fernsehmoderator Günther Jauch, der Hermann Reemtsma Stiftung, der Deutschen Stiftung Denkmalschutz sowie zahlreiche Spenden, die der Bauverein Friedenskirche Potsdam e. V. einwerben konnte, erlaubten seit Februar 2022 auch die dringend erforderliche Instandsetzung des Glockenturms. Die Gesamtbaukosten für den Glockenturm der – seit 1990 zu dem von der SPSG betreuten UNESCO-Welterbe gehörenden – Friedenskirche in Höhe von 4,07 Millionen Euro wurden ausschließlich mit Spendenmitteln finanziert.
Grazil, aber marode
Der nach dem Vorbild des romanischen Campanile der Kirche Santa Maria in Cosmedin in Rom entworfene und 1850 vollendete Glockenturm mit den grazilen Dreierarkaden war in seiner Substanz erheblich gefährdet. Ursprünglich sorgte eine gusseiserne Konstruktion samt reich dekorierter Spindeltreppe für „inneren Halt“, doch unzureichende Entwässerung und mangelnde Wartung führten binnen weniger Jahrzehnte zu irreparablen Korrosionsschäden. Bereits 1905 mussten die mittels schmiedeeiserner Ringanker mit den Außenwänden verbundenen Eisengussplatten durch massive Geschossebenen aus Stahlbeton-Hohldielen verstärkt werden. Diese Deckenplatten waren erst wenige Jahre zuvor von Paul Stolte in Genthin erfunden worden. Doch auch dieses Trägersystem war zuletzt marode. Die Betonlagen waren aufgeplatzt, die Flacheisenbewehrungen fast vollständig weggerostet. Schäden zeigte auch das Mauerwerk. Die Sandsteinsäulen in den Rundbogenarkaden waren teils nicht mehr tragfähig und nur provisorisch gesichert. Es fehlten Terrakotta-, Kunst- und Natursteinelemente.
„Korsett“ aus Edelstahl
Für die Wiederherstellungsmaßnahmen wurde der 42 Meter hohe Turm eingerüstet. Die im September 2021 begonnenen Gerüstarbeiten waren eine besondere Herausforderung, weil nur die östliche Turmseite freisteht. Die drei verbleibenden Seiten mussten mit auskragenden Konstruktionen „schwebend“ über den unmittelbar anschließenden Dächern der umgebenden Gebäude erschlossen werden.
Zur Vorbereitung der Restaurierung der historischen – aus Schmiede- und Gusseisen bestehenden – Deckenkonstruktionen im Turminneren wurden zunächst Freilegungs- und Strahlarbeiten ausgeführt. Da es sich um bleihaltige Anstriche handelte, waren besondere sicherheitstechnische Vorkehrungen notwendig. Beim Rückbau der Betondeckenplatten war es erforderlich, von oben beginnend, jede Ebene einzeln zu bearbeiten und wieder zu stabilisieren, bevor die nächste in Angriff genommen werden konnte. Danach folgte der Einbau eines Edelstahl-„Korsetts“ in allen Deckenebenen, das die geschwächte historische Konstruktion stützt und zugleich wieder sichtbar macht. Übrigens hat jede Decke andere Maße, weshalb alle Deckenelemente individuell angefertigt werden mussten. Für die neue Edelstahl-Überfangung mussten Auflagerkonstruktionen hergestellt werden. Alle originalen Deckenverspannungen im Mauerwerk wurden ertüchtigt, Mauerwerksschäden an den Turminnenseiten beseitigt und Verfugungen ergänzt. Das flache Turmdach wurde instandgesetzt und die farbig gefasste Holzkassettendecke unterhalb des Daches restauriert. Besonders anspruchsvoll war die Restaurierung der verzierten gusseisernen Tragelemente und Treppenstufen sowie der applizierten Zinkgussornamente. Fehlende Teilstücke der Gusseisenelemente wurden nachgegossen und in einem Kaltschweißverfahren eingebracht, ebenso wurden Bruchstellen und Längsrisse in zwei tragenden Gusseisensäulen geschlossen.
Eine wichtige Komponente der Sanierung war der Einbau einer funktionstüchtigen Entwässerungsanlage für alle Turmebenen, deren Fehlen die Ursache für die umfangreichen Schäden an den Eisenkonstruktionen war. Das bei Schlagregen durch die Turmöffnungen eindringende Regenwasser wird nun künftig durch Schlitze, Tropfkanten und Ablaufrinnen in den Decken durch Regenfallrohre in den Friedensteich an der Kirche abgeleitet.
2023/24 folgte in einem weiteren Bauabschnitt die Restaurierung der gesamten Ziegeloberflächen der Fassaden inklusive des Austauschs von schadhaften Vollziegeln und Baukeramiken, die in einer Ziegelmanufaktur speziell für den Turm in Form und Farbe passend hergestellt wurden. Speziell sind auch die Verfugungen der Ziegel, die als Hohlfugen ausgebildet, dem Bestand entsprechend ergänzt wurden. Die Oberfläche der Ziegel konnte außerdem durch ein Laserverfahren erfolgreich gereinigt werden.
Historisches Geläut
Darüber hinaus mussten die Glockenstühle instandgesetzt und die vier historischen, 1849 von Johann Carl Hackenschmidt (1778-1858) in Berlin gegossenen Bronzeglocken inklusive der Joche und Klöppel restauriert werden. Sie bilden eines der wenigen komplett erhaltenen Geläute des 19. Jahrhunderts – nicht nur in Potsdam. Die vier Uhrziffernblätter und Zeiger wurden wieder vergoldet, die ausgeschlagenen Treibachsen als Zeitzeugnisse an Ort und Stelle belassen und die Uhren mit neuen Treibwerken versehen.
Turmkreuz und Wandbild
Das ursprünglich vorhandene Turmkreuz bestand aus einer schmiedeeisernen Grundkonstruktion, die mit getriebenem Zinkblech umhüllt war und wegen massiver Korrosionsschäden Anfang der 1960er Jahre abgenommen werden musste. Erst 1988 wurde es durch ein Kreuz aus Zinkguss ersetzt, dessen Form der ursprünglichen entsprach. Auch dieses Kreuz musste wegen Rissbildungen im November 2014 demontiert werden. Es wurde in Aluminiumguss nachgefertigt, doppelt vergoldet und im März 2024 auf das Dach des Turmes gesetzt.
Das von der Ädikula überdachte Wandbild „Christus am Ölberg“ von Eduard Steinbrück (1802-1882) wurde 1850 in der seinerzeit besonders innovativen Maltechnik der Stereochromie ausgeführt. Am Wandbild musste der Putz gefestigt und Verluste in der Malschicht retuschiert werden. Die Deckenkassettierung sowie der Palmettenschmuck und die Kreuzbekrönung in Zinkguss wurden wiederhergestellt. Das Kreuz erhielt wieder eine Vergoldung.
Die Projektbeteiligten
Die komplexe Gesamtmaßnahme der Turminstandsetzung wurde Ende September 2024 abgeschlossen. Seitens der SPSG waren Frank Karalus für die Gesamtleitung des Projektes und Dr. Ute Joksch für die Projektleitung Restaurierung zuständig sowie Klaus Dorst als Kustos für Architektur. Tragwerksplaner war Steffen Stich, Elektroplaner Gerwin Dreßler, Außenanlagenplaner Jörg Kilian. Die restauratorische Fachplanung und Fachbauleitung realisierten für Metall Mario Jehle, für Baukeramik Andreas Rentmeister (SPSG) und für die Architekturfassung Ute Joksch. Die Ausführungsplanung, Ausschreibung der Leistungen und Objektbetreuung verantworteten das Potsdamer Architekturbüro Bernd Redlich und dessen Bauleiter Andreas Kitschke.
Zur Geschichte der Friedenskirche
Das Ensemble der Friedenskirche, 1845 bis 1856 im Auftrag von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen (1795-1861) errichtet, gehört zu den bedeutendsten Bauten und Gartenanlagen der deutschen Romantik. Der Monarch ließ am 14. April 1845, genau 100 Jahre nachdem Friedrich der Große (1712-1786) den Bau des Schlosses Sanssouci verfügt hatte, den Grundstein für die Friedenskirche legen. Das Gotteshaus stand für die Überzeugung Friedrich Wilhelms IV., im Auftrag Gottes zu regieren und war zugleich seine Antwort auf die sozialen Fragen des 19. Jahrhunderts. Sie sollte nicht nur die Hofkirche sein, die dem weltlichen „Sorgenfrei“ Friedrichs des Großen gefehlt hatte, sie war auch ein politisches Statement – zum Frieden nach dem Sieg über Napoleon, zum Frieden, den das orthodoxe Russland, das katholische Österreich und das protestantische Preußen als Heilige Allianz anzubieten hatten und zu jenem Frieden, den der König nach der Niederschlagung der Revolution von 1848 erreicht zu haben glaubte. Es ging ihm um die Dynastie, nicht um Demokratie.
Unter Beteiligung des Königs wurde die Friedenskirche nach Plänen des Hofarchitekten Ludwig Persius (1803-1845) im Marlygarten des Parks Sanssouci errichtet. Nach Persius‘ Tod 1845 wurde der Baumeister Friedrich August Stüler (1800-1865) mit der Weiterführung beauftragt. Der Komplex der Friedenskirche und ihrer Nebenbauten ist oberitalienischen Klosterbauten nachempfunden. Geweiht wurde die Friedenskirche am 24. September 1848. Der Turm wurde 1850 fertig gestellt.
Zeigt die Architektur von Kirche und Campanile die Vorliebe des Königs für frühchristliche Basiliken, so überraschen Details der Gestaltung und der Baukonstruktion des Turms mit modernen innovativen Materialien und Materialanwendungsverfahren. Der Campanile ist ein Zeugnis der Entwicklung von handwerklichen zu vorindustriellen Herstellungs- und Baumethoden im 19. Jahrhundert – vergleichbar mit dem Neuen Museum in Berlin. Haltbarer sollten diese bau- und materialtechnischen Neuerungen sein, in großen Mengen kostengünstiger industriell herstellbar, zeitsparend im Bauprozess und dennoch ästhetisch überzeugend.
An erster Stelle ist hier die aus Guss- und Schmiedeeisen konstruierte imposante Spindeltreppe zu nennen. Eisen „gilt im industriellen Schwellenland Preußen als Synonym für den Fortschritt schlechthin, und es gilt zugleich als ein höchst nationales Material. […] Wer im 19. Jahrhundert mit Eisen baut, baut fortschrittlich“ (Werner Lorenz 1995). Weitere innovative Materialien sind die Wandmalerei in Stereochromietechnik, die Baukeramik der Firma March und die mit Romankalk hergestellten Fugenputze.
Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Seit 1985 hat die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) aus Spenden, Erträgen ihrer Treuhandstiftungen und Mittel der Lotterie GlücksSpirale, der Rentenlotterie von Lotto, in ganz Deutschland mehr als 600 Millionen Euro für 6.000 bedrohte Baudenkmale zur Verfügung stellen können. Allein in Potsdam förderte die Stiftung über 50 Objekte, zuletzt die Wiederherstellung der Kolonnaden der Glienicker Brücke mit einer eigenen Spendenkampagne. Die Arbeit in Potsdam unterstützte ein ehrenamtliches Ortskuratorium unter der Leitung von Ines C. Koch.
Eigens für die Sanierung des Campanile der Friedenskirche hatten die DSD, die SPSG und der Bauverein Friedenskirche Potsdam e. V. eine bundesweite Spendenkampagne unter dem Motto „Hier helfen wir – retten Sie mit!“ initiiert.
Prominente Botschafter
Für die Rettung der Friedenskirche machten sich zahlreiche prominente Botschafterinnen und Botschafter des öffentlichen Lebens gemeinsam mit dem Bauverein Friedenskirche Potsdam e. V., der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg stark, so der Fernsehmoderator Günther Jauch, die Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, Klara Geywitz, „Tatort“-Kommissar Jörg Hartmann und Gemeindemitglied Ursula Weyrauch.