(english below)
Raum 1
Schlösser. Preußen. Kolonial.
In den Schlössern und Gärten in Berlin und Brandenburg ist die koloniale Vergangenheit Deutschlands noch heute erkennbar. In einem offenen Prozess beginnt die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) damit, diese koloniale Geschichte des Hofes und der Monarchie aufzuarbeiten. Untersucht werden dabei unter anderem die Lebensgeschichten bisher unbeachteter Menschen am Hof als Teil der preußischen Geschichte sowie die kolonialen Kontexte von Kunst und Sammlungsobjekten. Die im Austausch und unter Beteiligung von verschiedenen Gruppen und Verbänden entstandene Ausstellung stellt punktuell erste Ergebnisse dieser Arbeit vor. Dabei wird deutlich, wie weit sich koloniale Denk- und Verhaltensweisen seit dem 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart überliefert, entwickelt und fortgesetzt haben.
Die Ausstellungtexte sind mit Autor:innenkürzeln (siehe Impressum am Ausgang) versehen, um die unterschiedlichen Positionen der Schreibenden kenntlich zu machen.
Inhaltswarnung
Hinweis: In den folgenden Räumen treffen Sie auf rassistische und stereotype Bilder, Darstellungen rassistischer und sexualisierter Gewalt, rassistische Begriffe in den historischen Quellen sowie explizite Geschichten vom Versklavungshandel. Einige Reproduktionen rassistischer Bilder sind mit einer Folie bedeckt. Nur direkt davor stehend werden die Bilder sichtbar.
Kolonialgeschichte im Schloss
Die preußischen Schlösser und Gärten gelten für viele als prächtig, schön, reich und edel ausgestattet. Sie waren und sind jedoch auch Schauplätze einer vielseitigen Geschichte, die von Rassismus, Exotismus, Unfreiheit, Ausbeutung und Gewalt geprägt war. Bisher nicht erzählte, aber wichtige Zusammenhänge kommen zutage, wenn der Blick auf die kolonialen Bezüge der Sammlungen gerichtet wird.
Die Kolonialgeschichte der Schlösser wird sichtbar in Biografien von Menschen, die aus dem Versklavungshandel nach Preußen verschleppt wurden. Ebenso zeigen sich koloniale Bezüge in den höfischen Sammlungen sowie in den lückenhaften Informationen, die über außereuropäische Objekte oder über die verschleppten Menschen am Hof bekannt sind. Besonders deutlich äußern sich koloniale Denkweisen in der exotisierenden und rassistischen Zurschaustellung von Schwarzen Menschen vor der höfischen Gesellschaft.
Wir befinden uns in einem Prozess
Um die preußische Kolonialgeschichte angemessen zu verstehen, braucht es unterschiedliche Sichtweisen und einen kritischen Blick von außen. In Zusammenarbeit mit externen Fachberater:innen haben daher die Kurator:innen im Verlauf von fünf Workshops Themen und Objekte kritisch beleuchtet und diskutiert. Das Konzept der Sonderausstellung wurde auf Basis dieser Zusammenarbeit erstellt. Gemeinsames Ziel war es, eine kritische Ausstellung zur preußischen Kolonialgeschichte in den Schlössern und Gärten als Ergänzung und als Kontrapunkt zu den bisherigen Präsentationen zu zeigen.
Die kolonialen Bezüge zu erkennen und ernst zu nehmen bedeutet, vermeintliche Grundsätze zu überdenken und einige grundlegende Fragen neu zu stellen: Wie gehen wir mit bestimmten Objekten in den Schlössern um? Wie zeigen wir sie? Wie informieren wir angemessen über die kolonialen Zusammenhänge? Wie bewerten wir die Strukturen und Systeme der vergangenen Jahrhunderte, um daraus neue Erkenntnisse über die deutsche Kolonialgeschichte zu gewinnen?
Die Workshops fanden statt im kritischen Austausch mit: Marianne Ballé Moudoumbou, Fekadu Bekele, Lizza May David, Ibou Diop, Nataly Jung-Hwa Han, Kilian Kindelberger, Mnyaka Sururu Mboro und Annette Steyn.
Raum 2
Das System des Hofes
Zum kurfürstlichen und königlichen Hof gehörten eine Reihe formaler Praktiken, die den Bediensteten im 17. und 18. Jahrhundert auferlegt wurden und die der Monarchie zum Vorteil gereichten. Die Bediensteten mussten um Erlaubnis bitten, wenn sie heiraten oder den Hof verlassen wollten, und sie hatten nur einen geringen oder gar keinen Einfluss auf ihren beruflichen Werdegang. Dieses System garantierte, dass der Hof funktionierte, machte Bedienstete aber abhängig von der Monarchie und sorgte für ihre Unterdrückung.
Der Lebensunterhalt von versklavten oder ehemals versklavten Bediensteten wurde durch ihren Status und ihre Rassifizierung beeinträchtigt. Ihre Entwurzelung machte sie verletzlich, da sie von nahestehenden Menschen und Orten, denen sie sich zugehörig fühlten, getrennt wurden.
Die Geschichte dieses Systems allein sagt nicht viel über das Leben der Bediensteten aus. Aber über ihre Erfahrungen zu reflektieren, führt zu einem vollständigeren Bild der preußischen Geschichte, zu der diese Menschen unbestreitbar gehörten. Die Lücken eröffnen einen Raum, um über den Alltag und das eigenständige Handeln der Bediensteten am preußischen Hof nachzudenken.
Biografien
Die auf den Gemälden dargestellten Bediensteten erhielten zunächst den rechtlichen Status von Sklaven beziehungsweise Kriegsgefangenen. Von kapitalistischen Bestrebungen und dem Sklavenhandel gezeichnet, bilden ihre Biografien einen Teil der brandenburgischen und preußischen Geschichte.
Viele dieser Geschichten lassen sich nicht vollständig rekonstruieren. Hauptgrund dafür ist, dass ihre Biografien fast ausschließlich auf Basis von höfischen Quellen – Taufbüchern und den Sammlungen der Schlösser – erzählt werden kann. Diese fragmentierten Geschichten und ihre Lücken werden daher nur aus der Perspektive der Monarchie erzählt und berichten damit von Gewalt, Unterdrückung und Klassenunterschieden.
Die Lücken tragen jedoch auch dazu bei, das Leben der Bediensteten zu verstehen. Wen heirateten sie und wohin zogen sie nach ihrem Dienst? Wie widersetzten sie sich den Bedingungen, die ihnen durch das höfische System aufgezwungen wurden? Bestehende Erzählungen zu hinterfragen, dient der Anerkennung des Handlungsvermögens der Dienerschaft. Auf diese Weise können Berichte über den Widerstand gegen den kurfürstlichen und königlichen Hof sichtbar gemacht werden.
Raum 3
Kolonialismus und Definitionen
Die aktuellen Diskussionen über den deutschen Kolonialismus verweisen auf die Vielschichtigkeit der deutschen Geschichte. Viele Initiativen, Organisationen und Künstler:innen setzen sich mit den Vermächtnissen des deutschen Kolonialismus in der Gegenwart auseinander.
Trotz der historischen Quellen, die das Ausmaß des deutschen Kolonialismus detailliert beschreiben, bleibt eine gewisse Unklarheit darüber bestehen, was Kolonialismus im brandenburgischen, preußischen und deutschen Kontext bedeutet. Im Vergleich zu seinen europäischen Pendants war dieser Kolonialismus wohl weniger expansiv und allgegenwärtig. Das bedeutet jedoch nicht, dass er weniger gewalttätig war.
Die frühen europäischen Kolonialunternehmen unterstützten sich teilweise gegenseitig, dennoch war der Kolonialismus ein Machtkampf, der sich im 19. und 20. Jahrhundert zuspitzte. Die Methoden und Vorgehensweisen unterschieden sich, aber das Ziel blieb das gleiche: Herrschaft.
Zur Erforschung der deutschen Kolonialgeschichte gehört es, die Prozesse, Strukturen und Praktiken zu erfassen, die den deutschen Kolonialismus im Laufe der Zeit geprägt haben. Dazu gehört auch, zu verstehen, in welchem Maße die Hohenzollern und der Hof Teil dieser Geschichte sind.
Raum 4
Sklaverei als koloniale und kapitalistische Praxis
Seit der Gründung der Brandenburgisch-Afrikanischen Compagnie (BAC) 1682 beteiligte sich Brandenburg aus wirtschaftlichen Gründen am Versklavungshandel. Es ist damit ein Paradebeispiel für die Verbindung zwischen Kapitalismus und Kolonialismus.
Die BAC gründete ihren ersten kolonialen Handelshafen an der „Goldküste“ im heutigen Ghana.
Zwischen 1683 und 1717 versklavte und transportierte sie mehr als 20.000 Menschen. Die BAC plünderte nicht nur Rohstoffe wie Gold und Elfenbein, sondern handelte auch mit Sklaven als Finanzware.
Nach der Auflösung der BAC im frühen 18. Jahrhundert und in Reaktion auf den zunehmenden Druck von Intellektuellen und öffentlichen Meinungsmacher:innen wurde die Sklaverei 1857 in Preußen abgeschafft. Sklaven wurden jedoch weiterhin auf Sklavenmärkten in anderen Ländern gekauft. Viele versklavte Menschen leisteten Widerstand gegen ihre Unfreiheit und Ausbeutung. Ihre Biografien wurden bisher nicht als Teil der preußischen Geschichte erzählt.
Raum 5
Weiterführung der Sklaverei
Im 19. und 20. Jahrhundert haben die Deutschen trotz der Abschaffung der Sklaverei weiterhin Menschen als Sklaven gekauft und ausgebeutet. Der Sklavenhandel bleibt deshalb ein integraler Bestandteil der deutschen Kolonialgeschichte.
Eine Gesetzesänderung im Jahr 1857 führte dazu, dass die Versklavung in Preußen eingeschränkt und versklavten Menschen die Freiheit gewährt wurde, sobald sie preußischen Boden betraten. Eine rechtliche Grauzone ermöglichte es Adeligen weiterhin, Sklaven im Ausland zu erwerben.
Im 17. und 18. Jahrhundert waren diejenigen, die als Sklaven und Kriegsgefangene nach Brandenburg gebracht wurden, preußische Untertanen. Später sollten Neuankömmlinge jedoch aktiv in die preußische Gesellschaft „integriert“ werden. Sie wurden als Teil dieser Gesellschaft betrachtet und viele erhielten die preußische Staatsbürgerschaft. Dies änderte jedoch nichts daran, dass sie mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus nach dem Ersten Weltkrieg mit Rassismus und Vorurteilen konfrontiert waren.
Raum 6
Sammeln als Herrschaftsprinzip
Die frühesten außereuropäischen Objekte und Materialien sind in Europa in den fürstlichen Kunstkammern zu finden. Anhand dieser Sammlungen wurde Wissen produziert. Dieses Wissen ist beeinflusst von der Repräsentationsfunktion der Sammlungen und zeigt den Machtanspruch der Fürst:innen.
Internationale Expeditionen wurden vordergründig zwar zu wissenschaftlichen Zwecken unternommen. Tatsächlich waren wirtschaftliche Interessen ausschlaggebend. Reisende brachten Objekte und Kunstwerke nach Europa. Dort wurden sie in verschiedene Ordnungen eingeteilt, also kategorisiert, und von Wissenschaftler:innen am Hof untersucht. Diese „Verwissenschaftlichung“ von Sammlungen nahm im 18. Jahrhundert zu und führte zur Gründung von Akademien und Museen.
Das Wissen, das in Europa über die außereuropäischen Objekte entstand, ist von einer eurozentrischen Sichtweise geprägt und entspricht nicht dem Wissen um die Objekte in ihren Herkunftsländern. Doch durch die Autorität der Institutionen haben sich die europäischen Deutungen und falschen Zuschreibungen lange in wissenschaftlichen Texten gehalten.
Kunstkammer 2.0
Das Sammeln und Besitzen von außereuropäischen Objekten ist bis heute sehr beliebt. Im 19. Jahrhundert wurden sie in großen Mengen von europäischen Handelsgesellschaften aufgekauft oder von Expeditionen mitgebracht. Nach ihrer Ankunft in Europa wurden sie teilweise in Einzelteile zerlegt, um sie den Bedürfnissen der Europäer:innen und der Mode der Zeit anzupassen. Einer Delokalisierung der Objekte folgte somit oft eine Dekontextualisierung.
Alexander von Humboldt befeuerte mit seiner Amerika-Expedition die Reiselust des Adels. In der Folge finden sich in vielen Privatgemächern – auch in denen der Hohenzollern – kunstkammerähnliche Sammlungen, die solche Reisen dokumentieren.
Die Kunstwerke des preußischen Königshauses gingen in die Sammlungen der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG) über. Wie im 18. Jahrhundert kam es erneut zu einer „Verwissenschaftlichung“ der Sammlungen. Die Objekte wurden in europäische Kunst- und Materialgattungen unterteilt und sie werden jeweils von einer Expert:in verwaltet.