Künstlerische Interventionen in der Ausstellung

(english below)

Die Teilhabe verschiedener Stimmen ist für diese Ausstellung im besonderen Maße wertvoll und notwendig. Im Rahmen der Konzipierung und Gestaltung der Ausstellung wurden daher zeitgenössische künstlerische Interventionen integriert. Den ersten Aufschlag macht Nando Nkrumahs künstlerische Ergänzung zum Reiterstandbild von Kurfürst Friedrich Wilhelm vor dem Schloss Charlottenburg. Es freut uns sehr, weitere Künstler:innen für Beiträge gewonnen zu haben, inklusive der Perspektiven der Künstlerin Lizza May David und der Aktivistin Marianne Ballé Moudoumbou, die mit den Kurator:innen an der Ausstellungskonzeption beteiligt waren. Die Illustratorin Patricia Vester hat neben ihrer Intervention auch mit ihrer Beratung zum Thema Anti-Rassismus einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung geleistet.

Lizza May David

Die bildende Künstlerin Lizza May David (*1975, Quezon City, Philippinen) lebt in Berlin. Sie ist Malerin und transdisziplinäre Künstlerin und studierte an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg, der École des Beaux Arts de Lyon (Frankreich) und der Universität der Künste Berlin. In Form von abstrakter Malerei, Installationen und architektonischen Interventionen sowie kollektiven Arbeiten befasst sie sich mit den Leerstellen in persönlichen und kollektiven Archiven.

Wessen Tränen?

(Hommage an Fred Wilson), 2023, Acryl auf Leinwand, 188 × 126 cm, Besitz der Künstlerin

Für die Ausstellung produzierte Lizza May David ein Gemälde, dessen Maße der Umgebung von ausgestellten Porzellanfiguren im Depot der SPSG entsprechen. Die Farben vermitteln eine Stimmung, die die Künstlerin während der Teilnahme an den Workshops zur Ausstellungskonzeption und dem Besuch im Depot aufnahm. Mit den Tropfen verweist sie auf das Werk des amerikanischen Künstlers Fred Wilson, der bereits seit den 1980ern den westlichen Kanon in musealen Sammlungen hinterfragt.

Marianne Ballé Moudoumbou

Marianne Ballé Moudoumbou ist Diplom-Dolmetscherin. Sie engagiert sich in einem breiten Bündnis für eine offizielle Anerkennung der während der „Maafa“ – Große Zerstörung – verübten Völkermorde und Verbrechen und für entsprechende Entschädigungen. Sie ist in vielen Organisationen engagiert: als Sprecherin von Pan-African Women’s Empowerment & Liberation (PAWLO) - Masoso e. V., Mitbegründerin und stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Afrikanischen Gemeinde in Deutschland e. V., aktuelle Sprecherin des Vertreter*innenrats der Bundeskonferenz der Migrant*innenorganisation (BKMO). Sie war Mitglied in der Vollversammlung der IHK Potsdam, sie ist Mitglied im Sprecherrat von VENROB e. V., dem Netzwerk entwicklungspolitischer Gruppen, Initiativen und Vereine im Land Brandenburg und sie ist auch Mitbegründerin des Komitees für ein Afrikanisches Denkmal und Mitglied im Landesintegrationsbeirat Brandenburg. Sie ist zurzeit Gastdozentin an der Alice-Salomon-Hochschule (ASH) Berlin und leitet das Teilprojekt VIW-Vitamin P-PAWLO-Palanca-SdE Chancenpatenschaft in Brandenburg.

Correspondances voilées

2023 © Marianne Ballé Moudoumbou

Das von Marianne Ballé Moudoumbou verfasste Gedicht gibt den Erfahrungen von Afrikaner:innen / Schwarzen Menschen am preußischen Hof aus ihrer Perspektive einen angemessenen Ausdruck. Ihre Wörter und Fragen machen die (Un)Sichtbarkeit und Fragmentierung der Biografien verschleppter Personen sichtbar und spürbar.

Emeka Okereke

Emeka Okereke ist ein nigerianischer bildender Künstler der zwischen Lagos und Berlin lebt und arbeitet. 2015 nahm er an der 57. Biennale von Venedig mit der Installation A Trans-African Worldspace teil. Emeka Okereke ist Gründer und künstlerischer Leiter des Invisible Borders Trans-African Project, einer von Künstler:innen geleiteten Initiative, die sich mit den Lücken und Missverständnissen befasst, die durch die Grenzen zwischen den 54 Ländern des afrikanischen Kontinents entstehen.

Im Jahr 2022 war er Gastdozent und -wissenschaftler an der Indiana University in Bloomington, USA. Derzeit unterrichtet er an der Universität der Künste Berlin (UdK Berlin) einen selbst konzipierten Kurs mit dem Titel „Exploring a Void“.

Okerekes Werk oszilliert zwischen verschiedenen Medien. Er setzt Fotografie, Video, Poesie und performative Interventionen ein, um ein übergreifendes Thema zu erforschen: das der Grenzen.

Tracing Presence(s)… of place, body and time

David Felix Esser (sound design)
2023

Der Künstler Emeka Okereke begleitete die Restaurierung von zwei exotisierend und stereotyp gestalteten Statuen, beide Schlüsselwerke der Ausstellung. Erst kürzlich wurden sie in einem Depot aufgefunden, angegriffen, beschädigt und abgelegt, ohne dass bekannt ist, wie es dazu
kam. Die auf mysteriöse Weise fehlende Episode in der Genealogie der Statuen hat einen Raum für Fragen, Reflexionen und eine Neuinterpretation der Geschichte der Statuen eröffnet, den diese fotografisch-performative Intervention erkundet.

Patricia Vester

Patricia Vester ist Illustratorin und auf Prozessbegleitung, Empowerment und Diversity Trainings spezialisiert. Was sie bewegt, wird illustriert. Patricia Vester illustriert für soziokulturelle Projekte und Initiativen und unterstützt und empowert seit Jahren leidenschaftlich die Schwarze Community mit adäquaten Illustrationen.

Sie ist Artist in Residence 2023 der Koordinierungsstelle Koloniales Erbe Thüringen KET an den Universitäten Jena und Erfurt und bietet Antidiskriminierungsberatung in Brandenburg an. Für die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg arbeitet sie neben der Ausstellungsintervention an der Entwicklung, Ausbildung & Umsetzung rassismuskritischer Führungen im Schloss Charlottenburg.

gelebt

2023, Graphic Novel

Patricia Vester beschäftigt sich mit dem Leben der Bilillee Ajiamé Machbuba aus afro-deutscher Perspektive. Im Stil einer Graphic Novel erzählt sie die Objektgeschichten der Totenmaske (Abdrücke von Gesicht, Hand und Fuß) und hinterfragt kritisch die museale Praxis. In der Ausstellung sind ihre Illustrationen raumgreifend zu sehen und mit den Gipsabgüssen der Totenmaske von Bilillee kontextualisiert.

In ihren Worten:
Die Geschichte der Bilillee Ajiamé Machbuba, der wohl bekanntesten Versklavten eines deutschen Fürsten im 19. Jahrhundert, deren Geschichte in den Parks Bad Muskau und Schloss Branitz bis heute nicht genügend Respekt und Richtigstellung erfahren hat, wird hier erzählt aus der Perspektive einer Schwarzen Deutschen, Schwester und Trauernden. Einer Trauernden um die Verunmöglichung, den kapitalistischen postkolonialen Umgang und die Geschichtsverzerrung, die der Geschichte dieses Mädchens widerfahren ist.

Hier als künstlerische Intervention und Empowerment, Workbook, Statement und mitfühlendes Dokument, welches zugleich hinterfragt: Wie geht Museum heute? Wieviel Mut brauche ich, um eine Geschichte neu zu erzählen? Wem gehören Lebensgeschichten und wer darf sie wie erzählen?

 

Artistic interventions in the exhibition: Prussian Palaces. Colonial Histories.

The participation of different voices is especially valuable and necessary for this exhibition. Consequently, contemporary artistic positions were integrated as interventions during its conception and design.  The first impact is made by Nando Nkrumah's artistic addition to the equestrian statue of Elector Friedrich Wilhelm in front of Charlottenburg Palace. We are very pleased to add the perspectives of artist Liza May David and activist Marianne Ballé Moudoumbou, as both have supported the curators in the exhibition’s development Moreover illustrator Patricia Vester’s advisement on the topic of anti-racism played an integral part in the exhibition’s set up.

Lizza May David

Visual artist Lizza May David (b. 1975, Quezon City, Philippines) is based in Berlin, Germany. She is a painter and transdisciplinary artist and studied at the Academy of Fine Arts Nuremberg (Germany), École des Beaux Arts de Lyon (France) and University of Arts Berlin (UdK). Through abstract painting, installations, and architectural interventions, as well as collective works, she addresses the voids in personal and collective archives.

Whose Tears?

(Homage to Fred Wilson), 2023, Acrylic on canvas, 188 × 126 cm, property of artist

For the exhibition Lizza May David produced a painting with dimensions that correspond to the surroundings of porcelain figures in the depot of the SPSG, which will be exhibited. The colours convey a mood that the artist picked up while visiting the depot as well as participating in the workshops on exhibition conception. The teardrops are a reference to the work of the American artist Fred Wilson, who has been questioning the Western canon in museum collections since the 1980s.

Marianne Ballé Moudoumbou

Marianne Ballé Moudoumbou is a certified interpreter. She is involved in a broad alliance for an official recognition of the genocides and crimes committed during the "Maafa" - Great Destruction - and for appropriate compensation. She is involved in many organizations: as spokesperson of Pan-African Women's Empowerment & Liberation (PAWLO) - Masoso e. V., co-founder and deputy chairperson of the Central Council of the African Community in Germany (Zentralrat der Afrikanischen Gemeinde in Deutschland e. V), current spokeswoman of the Representative Council of the Federal Conference of Migrant Organizations (Bundeskonferenz der Migrant*innenorganisation : BKMO). She was a member of the General Assembly of the Potsdam Chamber of Commerce and Industry, she is a member of the Speaker's Council of VENROB e. V., the network of development policy groups, initiatives and associations in the state of Brandenburg, as well as a co-founder of the Committee for an African Memorial and a member of the Brandenburg State Integration Advisory Council. She is currently a guest lecturer at the Alice-Salomon-Hochschule (ASH) Berlin and leads the sub-project VIW-Vitamin P-PAWLO-Palanca-SdE Chancenpatenschaft in Brandenburg.

Correspondances voilées

2023 © Marianne Ballé Moudoumbou

The poem written by Marianne Ballé Moudoumbou gives appropriate wording to the experiences and perspectives of African/Black people at the Prussian court. Her words and questions make the (in)visibility and fragmentation of the biographies of trafficked people visible and tangible.

Emeka Okereke

Emeka Okereke is a Nigerian visual artist and scholar who lives and works between Lagos and Berlin. In 2015, his work was exhibited at the 56th Venice Biennale, in the context of an installation titled A Trans-African Worldspace. Emeka Okereke is the founder and artistic director of Invisible Borders Trans-African Project, an artist-led initiative that addresses gaps and misconceptions posed by frontiers dividing the 54 countries of the African continent.
In 2022, he was a visiting lecturer / scholar at the Indiana University in Bloomington, USA. He is currently teaching a self-designed course titled "Exploring a Void", at the Berlin University of Arts (UDK Berlin).
Okereke's work oscillates between diverse mediums. He employs photography, video, poetry and performative interventions in the exploration of one over-arching theme:  that of borders.

Tracing Presence(s)… of place, body and time

David Felix Esser (sound design)
2023

Artist Emeka Okereke followed the restoration of two exoticizing and stereotypical statues, both key works in the exhibition. Only recently, were they discovered at a depot, assaulted, damaged, and discarded, with no record of how this came to be. The mysteriously missing episode in the genealogy of the statues has opened up a space for questions, reflections, and re-imagination of history, which this photographic performative intervention explores.

Patricia Vester

Patricia Vester is an illustrator specializing in process support, empowerment and diversity training. What moves her gets illustrated. Patricia Vester illustrates for socio-cultural projects and initiatives and has been passionately supporting and empowering the Black community with adequate illustrations for years.

She is Artist in Residence 2023 of the Koordinierungsstelle Koloniales Erbe Thüringen KET at the Universities of Jena and Erfurt and she offers anti-discrimination counseling in Brandenburg. For the Prussian Palaces and Gardens Foundation, she works on the development, training & implementation of racism-critical guided tours at Charlottenburg Palace, in addition to the exhibition intervention.

gelebt

2023
Illustrator Patricia Vester explores the life of Bilillee Ajiamé Machbuba from an Afro-German perspective.

In the format of a graphic novel, she relays the story of the death mask (imprints of face, hand and foot) and critically questions museum practice. In the exhibition, her illustrations will be on view across the room and contextualized with the plaster casts of Bililee's death mask.

In her words:
The story of Bilillee Ajiamé Machbuba, probably the best-known girl enslaved by a German prince in the 19th century, whose story has not received enough respect and rectification in the parks of Bad Muskau and Branitz Castle until today, is told here from the perspective of a Black German, asister, a mourner. A mourning the impossibility, the capitalist postcolonial treatment and the distortion of history, which happened to the history of this girl.

An artistic intervention and an empowerment, workbook, statement and compassionate document that at the same time questions: How does museum work today? How much courage do I need to retell a story? Who owns biographies and who is allowed to tell them and how?

Pressekontakt

im Auftrag der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg

ARTEFAKT Kulturkonzepte
Alexander Flöth, Elisabeth Friedrich & Stefan Hirtz
mail(at)artefakt-berlin.de
030.440 10 688

Pressefotos

www.artefakt-berlin.de

 

 

Schlösser. Preußen. Kolonial.
Biografien und Sammlungen im Fokus
Sonderausstellung
4. Juli – 31. Oktober 2023
Schloss Charlottenburg – Neuer Flügel, Spandauer Damm 10-22, 14059 Berlin
www.spsg.de/kolonial