Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg erhält auf verschiedenen Wegen vier seit 1945 verschollene Gemälde zurück
Am 21. Januar 2015 kehren im Rahmen einer Pressekonferenz im Potsdamer Neuen Palais vier aus verschiedenen Quellen stammende Gemälde in die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) zurück. Sie galten seit 1945 als verschollen. In Anwesenheit S. E. Herrn Deividas Matulionis, Botschafter der Republik Litauen, und dem Ministerialdirektor bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Herrn Dr. Günter Winands, werden die Kunstwerke der SPSG übergeben. Es handelt sich um die Gemälde „Die drei Marien am Grabe Christi“ von Antonio Campi (1523–1587), die „Madonna mit Johannisknaben“, Tizian Nachfolge (nach 1631), die „Auferweckung der Tochter des Jairus“ von Gerard Wigmana (1673–1741) und den „Salon der Kaiserin Alexandra von Russland in der Villa Serradifalco bei Palermo“ von Carl Ludwig Rundt (1802–1868). Besucher können die Gemälde bis Ende März im Rahmen von Führungen durch das Neue Palais sehen, bevor sie restauriert und an die neuen Bestimmungsorte gebracht werden.
Vier Bilder, vier Geschichten
Die zwischen 1583 und 1587 entstandene Holztafel „Die drei Marien am Grabe Christi“ des aus Cremona stammenden Malers und Architekten Antonio Campi wurde der SPSG im September 2014 von der Republik Litauen restituiert. Das Gemälde war 1945 aus seinem Auslagerungsort, den Neuen Kammern in Potsdam, verschwunden. 1951 wurde es dem Nationalmuseum Litauens in Vilnius übergeben, nachdem es von einem Privatmann beschlagnahmt worden war. 2005 meldete die Bundesrepublik Eigentumsrechte an dem Gemälde an, die zunächst jedoch abgewiesen wurden. Nach einem langjährigen Revisionsverfahren wurde es aber schließlich der Bundesrepublik Deutschland zugesprochen.
König Friedrich Wilhelm III. (1770–1840) hatte das Bild 1821 – zusammen mit mehr als 3000 weiteren Gemälden – aus dem Besitz des in Berlin lebenden englischen Kaufmanns und Kunstsammlers Edward Solly erworben und im Berliner Schloss aufhängen lassen. Campis Darstellung basiert auf dem Markusevangelium oder einer apokryphen Quelle, wo von drei Frauen – unter ihnen Maria Magdalena – berichtet wird, die zum Felsengrab Jesu gekommen waren, um den Toten zu salben. Dieser war aber nicht in seinem Grab auffindbar. Ein Engel erschien den Frauen, verkündete die Auferstehung des Toten und trug ihnen auf, den Aposteln die frohe Botschaft zu überbringen. Der Künstler zeigt die farbenprächtig gekleideten Frauen vor einer bergigen Landschaft mit einer in einem Flusstal gelegenen Ortschaft. Die signierte Holztafel ist ein besonders schönes Beispiel für das späte Werk Antonio Campis, von dem sich nur wenige Werke außerhalb von Italien befinden.
Ebenfalls im September 2014 konnte ein Gemälde aus dem Kabinett der Bildergalerie im Park Sanssouci zurückgewonnen werden. Die „Madonna mit Johannisknaben“ galt lange als ein Werk Tizians (um 1488–1576) selbst. Mit dieser Zuschreibung hatte König Friedrich der Große (1712–1786) das Gemälde für das Kabinett der Bildergalerie in Sanssouci erworben. Erst seit dem Wiederauftauchen des Gemäldes weiß man, dass zwar die Komposition auf eine späte Madonna Tizians zurückgeht, das Werk aber jüngeren Datums und frühestens 1631 entstanden sein kann.
Die Madonna war bis 1945 in Rheinsberg ausgelagert und von dort in die Sowjetunion verbracht worden. Sie kam in den Besitz des Komponisten Isaak Dunajewski (1900–1955), dessen Sohn das Gemälde 1991 verkaufen wollte. Es gelangte dann in den Besitz eines Unternehmers in Maastricht, der das Bild verpfändete. Erst mit Hilfe des niederländischen Privatdetektivs Ben Zuidema kam der Stein ins Rollen. Zuidema, dessen Fahndungserfolge im Bereich von Kunsthandel und Entführungen als Vorlage für die Krimireihe „Der Meisterdetektiv“ dienten, informierte die Kustoden der SPSG im September 2014, dass der Unternehmer inzwischen verstorben sei, der Pfandleiher sein Geld zurückverlange und bereit sei, der SPSG das Werk für eine Aufwandsentschädigung zu überlassen. Nach der Zusage der SPSG die Kosten zu erstatten, löste Ben Zuidema das Gemälde aus und übergab es einer Anwaltskanzlei in den Niederlanden. Dort wurde es dann von der SPSG entgegengenommen.
Über die entschlossene Vermittlung des Auktionshauses Ketterer Kunst aus München wurde der SPSG „Die Erweckung der Tochter des Jairus“ von Gerard Wigmana erstattet. Friedrich der Große hatte es unter dem Namen des wesentlich bekannteren niederländischen Künstlers Hendrik van Limborch (1681–1759) erworben und 1768/69 in die Erstausstattung der Blauen Kammer (Vorkammer seines Appartements) im neu erbauten Neuen Palais hängen lassen. Dort wurde es in direkter Nähe dreier weiterer kleinformatiger Darstellungen Hendrik van Limborchs präsentiert, die biblische und mythologische Historien wiedergaben. In der Blauen Kammer verblieb es bis zu seiner Auslagerung 1942 nach Rheinsberg, von wo es 1945/46 verschwand. Das seither als Kriegsverlust geführte Gemälde tauchte erst vor kurzem im Privatbesitz wieder auf. Das als Vermittler eingeschaltete Auktionshaus Ketterer Kunst wandte sich mit dem Einverständnis des Besitzers an die SPSG und restituierte es ohne Inanspruchnahme einer Aufwandsentschädigung.
Wigmana stellte die biblische Geschichte der Auferweckung der Tochter des Jairus dar, die im Neuen Testament (Markus 5, 35–42 und Lukas 8, 49–56) erzählt wird. Jesus wurde zur erkrankten Tochter von Jairus, dem Vorsteher der Synagoge, gebeten, die jedoch vor seinem Eintreffen verstarb. Jesus bat ihren Vater, fest im Glauben zu sein, nahm ihre Hand und sagte „Mädchen, ich sage dir, stehe auf!“ und sie stand auf. Das Bild zeigt den Moment des Erstaunens und vor allem Erschreckens der anwesenden Familie über die Auferweckung des Mädchens.
Die 1856 von Carl Ludwig Rundt gemalte Darstellung des Salons der Kaiserin Alexandra Feodorowna von Russland in der Villa des Herzogs Serradifalco bei Palermo, gelangte durch die Vermittlung des Art loss register wieder an die SPSG. Das Gemälde hing im Berliner Schloss und befand sich in den 1930er und 1940er Jahren im Schloss Charlottenburg. Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Gemälde verschwunden und wurde 2011 vom Art loss register in einer Auktion bei Sotheby’s New York wiederentdeckt. Mit dem Verweis, dass es sich um einen Kriegsverlust handele, wurde das Gemälde aus der Auktion zurückgezogen. Dank der engagierten Vermittlung von Sotheby’s New York überließ es die Besitzerin in einer großzügigen Geste kostenfrei der SPSG.
Alexandra Feodorowna (1798–1860) wurde als Prinzessin Charlotte von Preußen geboren und war eine Schwester König Friedrich Wilhelms IV. (1795–1861). Sie heiratete 1817 den späteren Zaren Nikolaus I. (1796–1855). Der seit 1846 als preußischer Hofmaler tätige Carl Ludwig Rundt, schuf vor allem Architektur- und Landschaftsdarstellungen sowie Genreszenen. In den preußischen Sammlungen befanden sich zahlreiche Gemälde des Künstlers, vor allem Ansichten italienischer Landschaften und Bauwerke. Von diesen werden heute etliche als Kriegsverluste der SPSG geführt. Das zurückgekehrte Gemälde zeigt einen Salon in der Villa des Herzogs Serradifalco unweit Palermos. Den Winter 1845/46 hatte die Zarin aufgrund ihrer angegriffenen Gesundheit in dem heutigen Vorort Palermos, Olivuzza, verbracht, in der Villa Butera, die ihr von einer russischen Bekannten, zur Verfügung gestellt wurde. Auch ihre Schwester, die preußische Prinzessin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin (1803–1892) und Prinz Friedrich Wilhelm Ludwig von Preußen (1794–1863), bewohnten einige Zeit die nah gelegene Villa des Herzogs Serradifalco, die hier von Rundt dargestellt wurde.
Liste der Werke
- Antonio Campi, Die drei Marien am Grabe Christi, zwischen 1583 und 1587, GK I 2039, Öl auf Holz, 30 x 39 cm
- Tizian Nachfolge, Madonna mit Johannisknaben, nach 1631, GK I 7739, Öl auf Leinwand, 103 x 115 cm
- Gerard Wigmana, Die Auferweckung der Tochter des Jairus, GK I 5210, Öl auf Holz, 72 x 55 cm
- Carl Ludwig Rundt, Salon der Kaiserin Alexandra von Russland in der Villa Serradifalco bei Palermo, 1856, GK I 336, Öl auf Leinwand, 79 x 102 cm
Verlustkataloge und Provenienzforschung der SPSG
Die SPSG hat die während und in der Folge des Zweiten Weltkrieges verloren gegangenen Gemälde über zwei Verlustkataloge „Gemälde I“ (2004) und „Gemälde II“ (2011) sowie über die Datenbank www.lostart.de publiziert. Seit dem Erscheinen des ersten Verlustkatalogs wurden der SPSG bereits 34 Gemälde zurückgegeben. Jedoch werden immer noch mehr als 3000 Gemälde vermisst.
Die SPSG selbst untersucht seit 2003 systematisch ihre Bestände auf die Existenz unrechtmäßig entzogenen Kunstguts. Dabei wurde festgestellt, dass vermutlich ca. 1000 Objekte Fremdbesitz und die Eigentumsfragen zu überprüfen sind. Der Fremdbesitz – darunter Gemälde, Skulpturen, Möbel, Graphiken, Porzellane und Metallgegenstände – gelangte aus unterschiedlichsten Herkunftsbereichen in die Bestände der SPSG. Ein Großteil stammt aus brandenburgischen Schlossbergungen, die im Rahmen der Bodenreform durchgeführt wurden. Die SPSG konnte als Ergebnis ihrer Provenienzforschung seit 2004 rund 156 Kunstwerke restituieren. Am 1. Januar 2015 hat in der SPSG ein zweijähriges Projekt begonnen, das von der Arbeitsstelle für Provenienzforschung (Deutsches Zentrum Kulturgutverluste) gefördert wird. In dessen Rahmen wird die Herkunft der ca. 350 nach 1945 für das Schloss Charlottenburg in Berlin erworbenen Gemälde der deutschen und niederländischen Schulen untersucht.
Öffnungszeiten Neues Palais:
November bis März (Besichtigung nur mit Führung)
Montag 10–17 Uhr, Mittwoch-Sonntag 10–17 Uhr, Dienstag geschlossen
April bis Oktober (Besichtigung mit Führung oder Audioguide)
Montag 10–18 Uhr, Mittwoch-Sonntag 10–18 Uhr, Dienstag geschlossen
Letzter Einlass jeweils 30 Minuten vor Schließzeit.
Eintritt: 8 Euro / ermäßigt 6 Euro, mit Führung oder Audioguide
Weitere Informationen: www.spsg.de/neues-palais