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Königin Luise – so schön wie eine Göttin?

12. April 2025 Von Alexander Reich

„Der Schönheitsmythos der Gegenwart ist heimtückischer 
als alle früheren Formen des Weiblichkeitswahns.“

– Naomi Wolf, Autorin, polit. Aktivistin, 1991

 

Schönheit liegt im Auge des Betrachters, doch bei Luise von Preußen (1776-1810) waren sich von Beginn an alle einig: Sie war so schön, dass sie eine bis heute andauernde Faszination auslöste. 

Da das frühe 19. Jahrhundert für uns heute sehr weit zurückliegt, ist Luise in ihrer Wirkung als Kronprinzessin und Königin vielleicht mit Prinzessin Diana vergleichbar. Beide wurden aufgrund ihrer Nähe zum Volk und ihrem Umgang mit der Familie nicht nur bewundert, sondern auch verehrt Sie waren zudem Schönheits- und Modeikonen ihrer Zeit. Beide starben unerwartet in ihren Mittdreißigern – Luise mit 34 (1810), Diana mit 36 (1997).

In den Jahrzehnten nach Luises Tod entstand ein regelrechter Personenkult. Unter der Herrschaft ihrer Söhne, und unter Kaiser Wilhelm II. sowie während der NS-Zeit zeichneten Portraits, Denkmäler, Filme und teilweise anekdotischen Erzählungen ein stark national-ideologisch beschönigendes Bild der Königin.

Zwei zentrale Merkmale der Luisen-Verehrung waren ihre Schönheit und ihr „Glamour“-Faktor: 
In Portraits wurde Luises gutes Aussehen über das Menschliche hinweghoben und geradezu vergöttlicht. Die Idealisierung ihres Gesichtes war häufig so stark, dass die Ähnlichkeit darunter leiden musste. Ihr Mann, Friedrich Wilhelm III., sagte z. B. über diese Portraitbüste er habe nie etwas Schöneres gesehen, aber wirklich ähnlich sehe sie Luise nicht.

Auch die Jugendlichkeit der Königin wurde regelmäßig idealisiert: 
Dass sie laut der Portraitmalerin Elisabeth Vigée-Lebrun mit 25 Jahren – nach der Geburt von 7 Kindern – nicht älter als 16 ausgesehen habe, oder nach Aussage Friedrich Wilhelms III. mit jeder weiteren Geburt jünger und schöner wurde, lässt sich leicht als Schmeichelei oder Liebesblindheit abtun. Er ging aber noch weiter und schrieb, dass Luise noch mit 34 Jahren ausgesehen habe wie eine Frau Anfang 20. Diese „unverwelkliche“ Schönheit wurde auch mithilfe der nach ihrem Tod angefertigten Portraits und der berühmten Grabskulptur im Mausoleum in Charlottenburg aufrechterhalten. Später wurde sie ganz gezielt von Biografen als Propaganda benutzt: Das Leitmotiv der Luisienlegende war die Leugnung jeglichen „Verfalls“ ihrer Schönheit – der mit einem völlig natürlichen Alterungsprozess einhergehen würde. Jugend und Fruchtbarkeit standen damals sehr im Mittelpunkt und noch heute werden Frauen häufig nach ihrer Jugendlichkeit und ihrer Schönheit beurteilt und erfahren nur dann Wertschätzung und Respekt, wenn sie den gesellschaftlichen Ideale entsprechen. Für viele Männer ist vollkommene feminine Schönheit niemals über 30.

Aber welche Rolle spielt Schönheit in unserer Lebensrealität? Natürlich sind Menschen nicht auf ihr Aussehen oder ihre Jugend zu reduzieren – auch Luise nicht. Der Hauptaspekt der ihr entgegengebrachten Verehrung liegt in ihrer Rolle als Königin und ihrem Handeln in Krisenzeiten begründet – doch ist wissenschaftlich erwiesen, dass Schönheit das Leben leichter macht: 

Das sogenannte „Pretty Privilege“-Phänomen wird seit einigen Jahren stärker erforscht. Die Erkenntnisse sind vielseitig,lassen aber eine Konstante erkennen. Schönheit löst Bewunderung aus und Dank dieses „Halo-Effekts“ wird attraktiven Menschen mehr Intelligenz, Kreativität und sogar ein besserer Charakter zuerkannt. Das trifft auch auf das 19. Jahrhundert zu: Physische Schönheit galt als Beweis für charakterliche und emotionale Schönheit sowie Tugend und besondere geistige Qualitäten und Intelligenz. Für uns heute zeigt sich diese soziale Ungerechtigkeit auch im Berufsleben. Leichter öffnen sich Türen bei der Jobsuche, es gibt eine bessere Bezahlung und auch vor Gericht ergeben sich Vorteile: Schöne Menschen erhalten statistisch gesehen geringere Strafen.

Welche Auswirkungen hat dieses Phänomen? Die fast obsessive Bewunderung von Schönheit macht uns psychisch kaputt. Da wir in einer Gesellschaft leben, die ihr einen so großen Wert beimisst, werden wir in den Medien ständig mit vermeintlich perfekten Menschen konfrontiert. Bildbearbeitungsprogramme, Filter und operierte Stars tun ihr übriges, um unsere Wahrnehmung zu blenden. Und da ein gutes Aussehen Erfolg, Bewunderung und potenziellen Reichtum verspricht, profitiert auch die Schönheitsindustrie: Immer mehr Menschen lassen sich durch kleinere oder größere Eingriffe verschönern. Es entsteht ein Teufelskreis. Essstörungen, Mobbing und psychische Probleme werden häufiger. 

Es ist daher umso wichtiger zu wissen, dass Menschen seit jeher künstlich verschönert und an unerreichbare Ideale angepasst wurden, so wie das auch bei Porträts einer ohnehin schon schönen Frau wie der Königin Luise der Fall ist. Nachdenklich stimmt, dass sogar ihre Totenmaske noch farblich bearbeitet und in den Proportionen geschönt wurde, bevor es öffentlich gezeigt wurde. Das Aussehen der Königin durfte nicht einmal im Tod der Realität entsprechen.

In unser aller Interesse ist es daher, zu hinterfragen, was wir sehen und ob es der Realität entspricht. 

Der Artikel ist Teil der Online-Ausstellung „Volker Hermes: Portrait & Mensch“.

Queen Luise - As beautiful as a goddess?

„The beauty myth of the present is more insidious than any mystique of femininity yet.“

– Naomi Wolf, Author, Polit. Activist, 1991

Beauty is in the eye of the beholder, but everyone agreed on Luise of Prussia (1776-1810) from the very beginning: She was so beautiful that she still fascinates people today.

As the early 19th century is a long time ago for us today, Luise's impact as crown princess and queen is perhaps comparable to that of Princess Diana. Both were not only admired but also revered due to their closeness to the people and their relationship with their family. They were also beauty and fashion icons of their time. Both died unexpectedly in their mid-thirties - Luise at 34 (1810), Diana at 36 (1997).

In the decades following Luise's death, a veritable cult of personality developed. During the reign of her sons and under Kaiser Wilhelm II, as well as during the Nazi era, portraits, monuments, films and sometimes anecdotal stories painted a strongly national-ideological picture of the queen.

Two central characteristics of Luisen's veneration were her beauty and her “glamor” factor: 
In portraits, Luise's good looks were elevated above the human and almost deified. The idealization of her face was often so strong that the likeness had to suffer as a result. Her husband, Frederick William III, for example, said of this portrait bust that he had never seen anything more beautiful, but that it did not really resemble Luise.

The Queen's youthfulness was also regularly idealized:
The fact that, according to the portrait painter Elisabeth Vigée-Lebrun, she looked no older than 16 at the age of 25 - after giving birth to 7 children,or that, according to Frederick William III, she became younger and more beautiful with each subsequent birth, can easily be dismissed as flattery or love-blindness. However, he went even further and wrote that Luise still looked like a woman in her early 20s at the age of 34. This “unfading” beauty was also maintained with the help of the portraits created after her death and the famous tomb sculpture in the mausoleum in Charlottenburg. Later, it was deliberately used as propaganda by biographers: The leitmotif of the legend of Luise was the denial of any “decay” of her beauty – which would go hand in hand with a completely natural ageing process. Youth and fertility were very much the focus at the time and even today women are often judged by their youthfulness and beauty and are only valued and respected if they conform to social ideals. For many men, perfect feminine beauty is never displayed in women over 30.

But what role does beauty play in the reality of our lives? Of course, people cannot be reduced to their looks or their youth - not even Luise. The main aspect of the reverence accorded to her lies in her role as queen and her actions in times of crisis - but it has been scientifically proven that beauty makes life easier:
The so-called “Pretty Privilege” phenomenon has been the subject of increased research in recent years. The findings are manifold, but reveal one constant. Beauty triggers admiration and thanks to this “halo effect” attractive people are recognized as having more intelligence, creativity and even a better character. This also applies to the 19th century: Physical beauty was seen as proof of character and emotional beauty as well as virtue and special spiritual qualities and intelligence. For us today, this social injustice is also evident in our professional lives. Doors open more easily when looking for a job, there is better pay but there are also advantages in court: statistically speaking, beautiful people receive less punishment.

What are the effects of this phenomenon? The almost obsessive admiration of beauty destroys us psychologically.As we live in a society that places such a high value on it, we are constantly confronted with supposedly perfect people in the media. Image editing programs, filters and surgically improved celebrities do the rest to warp our perception. And since good looks promise success, admiration and potential wealth,the beauty industry also benefits: More and more people are having minor or major procedures to make themselves more beautiful. The result is a vicious circle. Eating disorders, bullying and psychological problems are becoming more common. 

It is therefore all the more important to realise that people have always been artificially beautified and adapted to unattainable ideals, as is the case with portraits of an already beautiful woman like Queen Louise. It is thought-provoking that even her death mask was colour-treated and its proportions ajusted before it was shown in public. The queen's appearance was not allowed to correspond to reality even in death

It is therefore in all our interests to scrutinise what we see and whether it corresponds to reality.

This blog article is part of the online exhibition ‘Volker Hermes: Portrait & Person’.

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