Schönheit liegt im Auge des Betrachters, doch bei Luise von Preußen (1776-1810) waren sich von Beginn an alle einig: Sie war so schön, dass sie eine bis heute andauernde Faszination auslöste.
Da das frühe 19. Jahrhundert für uns heute sehr weit zurückliegt, ist Luise in ihrer Wirkung als Kronprinzessin und Königin vielleicht mit Prinzessin Diana vergleichbar. Beide wurden aufgrund ihrer Nähe zum Volk und ihrem Umgang mit der Familie nicht nur bewundert, sondern auch verehrt Sie waren zudem Schönheits- und Modeikonen ihrer Zeit. Beide starben unerwartet in ihren Mittdreißigern – Luise mit 34 (1810), Diana mit 36 (1997).
In den Jahrzehnten nach Luises Tod entstand ein regelrechter Personenkult. Unter der Herrschaft ihrer Söhne, und unter Kaiser Wilhelm II. sowie während der NS-Zeit zeichneten Portraits, Denkmäler, Filme und teilweise anekdotischen Erzählungen ein stark national-ideologisch beschönigendes Bild der Königin.
Zwei zentrale Merkmale der Luisen-Verehrung waren ihre Schönheit und ihr „Glamour“-Faktor:
In Portraits wurde Luises gutes Aussehen über das Menschliche hinweghoben und geradezu vergöttlicht. Die Idealisierung ihres Gesichtes war häufig so stark, dass die Ähnlichkeit darunter leiden musste. Ihr Mann, Friedrich Wilhelm III., sagte z. B. über diese Portraitbüste er habe nie etwas Schöneres gesehen, aber wirklich ähnlich sehe sie Luise nicht.
Auch die Jugendlichkeit der Königin wurde regelmäßig idealisiert:
Dass sie laut der Portraitmalerin Elisabeth Vigée-Lebrun mit 25 Jahren – nach der Geburt von 7 Kindern – nicht älter als 16 ausgesehen habe, oder nach Aussage Friedrich Wilhelms III. mit jeder weiteren Geburt jünger und schöner wurde, lässt sich leicht als Schmeichelei oder Liebesblindheit abtun. Er ging aber noch weiter und schrieb, dass Luise noch mit 34 Jahren ausgesehen habe wie eine Frau Anfang 20. Diese „unverwelkliche“ Schönheit wurde auch mithilfe der nach ihrem Tod angefertigten Portraits und der berühmten Grabskulptur im Mausoleum in Charlottenburg aufrechterhalten. Später wurde sie ganz gezielt von Biografen als Propaganda benutzt: Das Leitmotiv der Luisienlegende war die Leugnung jeglichen „Verfalls“ ihrer Schönheit – der mit einem völlig natürlichen Alterungsprozess einhergehen würde. Jugend und Fruchtbarkeit standen damals sehr im Mittelpunkt und noch heute werden Frauen häufig nach ihrer Jugendlichkeit und ihrer Schönheit beurteilt und erfahren nur dann Wertschätzung und Respekt, wenn sie den gesellschaftlichen Ideale entsprechen. Für viele Männer ist vollkommene feminine Schönheit niemals über 30.
Aber welche Rolle spielt Schönheit in unserer Lebensrealität? Natürlich sind Menschen nicht auf ihr Aussehen oder ihre Jugend zu reduzieren – auch Luise nicht. Der Hauptaspekt der ihr entgegengebrachten Verehrung liegt in ihrer Rolle als Königin und ihrem Handeln in Krisenzeiten begründet – doch ist wissenschaftlich erwiesen, dass Schönheit das Leben leichter macht:
Das sogenannte „Pretty Privilege“-Phänomen wird seit einigen Jahren stärker erforscht. Die Erkenntnisse sind vielseitig,lassen aber eine Konstante erkennen. Schönheit löst Bewunderung aus und Dank dieses „Halo-Effekts“ wird attraktiven Menschen mehr Intelligenz, Kreativität und sogar ein besserer Charakter zuerkannt. Das trifft auch auf das 19. Jahrhundert zu: Physische Schönheit galt als Beweis für charakterliche und emotionale Schönheit sowie Tugend und besondere geistige Qualitäten und Intelligenz. Für uns heute zeigt sich diese soziale Ungerechtigkeit auch im Berufsleben. Leichter öffnen sich Türen bei der Jobsuche, es gibt eine bessere Bezahlung und auch vor Gericht ergeben sich Vorteile: Schöne Menschen erhalten statistisch gesehen geringere Strafen.
Welche Auswirkungen hat dieses Phänomen? Die fast obsessive Bewunderung von Schönheit macht uns psychisch kaputt. Da wir in einer Gesellschaft leben, die ihr einen so großen Wert beimisst, werden wir in den Medien ständig mit vermeintlich perfekten Menschen konfrontiert. Bildbearbeitungsprogramme, Filter und operierte Stars tun ihr übriges, um unsere Wahrnehmung zu blenden. Und da ein gutes Aussehen Erfolg, Bewunderung und potenziellen Reichtum verspricht, profitiert auch die Schönheitsindustrie: Immer mehr Menschen lassen sich durch kleinere oder größere Eingriffe verschönern. Es entsteht ein Teufelskreis. Essstörungen, Mobbing und psychische Probleme werden häufiger.
Es ist daher umso wichtiger zu wissen, dass Menschen seit jeher künstlich verschönert und an unerreichbare Ideale angepasst wurden, so wie das auch bei Porträts einer ohnehin schon schönen Frau wie der Königin Luise der Fall ist. Nachdenklich stimmt, dass sogar ihre Totenmaske noch farblich bearbeitet und in den Proportionen geschönt wurde, bevor es öffentlich gezeigt wurde. Das Aussehen der Königin durfte nicht einmal im Tod der Realität entsprechen.
In unser aller Interesse ist es daher, zu hinterfragen, was wir sehen und ob es der Realität entspricht.
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