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„Es fehlten die Bücher“

30. August 2024 Von Anne Kreidel

Neue Einblicke ins Leben am Prinzenhof in Glienicke verschafft die aktuelle Sonderpräsentation „Glienicke entzückt mich“ (17.08.-31.10.2024) dank einzigartiger Exponate des Berliner Privatsammlers Bernd Schmidt. Insbesondere Besucher:innen mit Interesse am Umland der Glienicker Brücke als historischen Ort und an der Authentizität besonderer Dokumente kommen hier auf ihre Kosten. Was macht diese Ausstellung besonders? Woher kommt das Interesse des pensionierten Ingenieurs Schmidt an Prinz Carl von Preußen? Und was ist sein Lieblingsausstellungsstück? 

Keine „Klassische Ausstellung“

Im Spätsommer und Herbst erscheint ein Besuch in unseren historischen Parks vielen besonders idyllisch. Wer sich dieser Tage zum Park und Schloss Glienicke aufmacht, wird zusätzlich mit einem spannenden Blick auf originale Briefe, Bücher und persönliche Dokumente von Prinz Carl von Preußen, ehemaliger Besitzer des Anwesens, belohnt. Im Mittelpunkt der aktuellen Sonderpräsentation „Glienicke entzückt mich“ – das Zitat stammt aus einem Brief von der Schwester Charlotte von Preußen, Alexandra Feodorowna, an Prinz Carl – stehen Exponate des Sammlers Bernd Schmidt. Sie werden ergänzt durch wenige, selten gezeigte Stücke der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG). Die Objekte der kleinen, aber feinen Schau beleuchten das damalige Leben in Glienicke und bieten eine verdichtete Darstellung der ständigen Präsentation im Schloss.

Ort der Sehnsucht – damals wie heute

Prinz Carl von Preußen (1801-1883) erwarb das mediterran anmutende Landgut an der Havel als Anfang Zwanzigjähriger und beauftragte Karl Friedrich Schinkel mit der Umgestaltung des ehemaligen Gutshauses in eine herrschaftliche Villa. Zudem widmete der Prinz dem Garten, der ursprünglich von Peter Joseph Lenné gestaltet wurde, große Sorgfalt. Bis zu seinem Lebensende hatte der Sommersitz Glienicke, der für die Familie des Prinzenpaars ein Ort der Sehnsucht darstellt, eine wichtige Bedeutung in ihrem Leben.

Die Präsentation beleuchtet zum einen das Leben von Prinz Carl, unter anderem dargestellt durch eine prächtige Urkunde des Johanniterordens, dessen Herrenmeister er war, sowie eine Auswahl von Büchern, die seine Reisen dokumentieren. Auch seine Frau, Prinzessin Marie, geborene Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach (1808-1877), verbrachte viele Sommer in Glienicke. Ihr Interesse an der Medizin wird durch spezielle Bücher zur Heilkunde, die ihr gewidmet sind, belegt. Neben 33 teils mehrteiligen Leihgaben sind fünf Exponate der SPSG-Sammlung zu sehen. Die Ausstellungsstücke werden in Vitrinen nach Themen präsentiert: Bibliothek von Prinz Carl – Prinz Carl als Sammler und als Herrenmeister des Johanniterordens, Weißer Salon – Feste und Gäste bei Marie und Carl, Roter Salon – Post von Prinz Carls Schwester, der Zarin Alexandra Feodorowna, Grüner Salon – Prinzessin Marie, Schlafzimmer (von Marie) – Gedichte auf Glienicke mit Hörstation.

Neue Aspekte vom Leben in Glienicke

Unter den Ausstellungsstücken befinden sich einige bislang nicht publizierte Briefe der Zarin mit Details zu Glienicke und zu Geschenken an Marie und Carl, beispielsweise zu einem kostbaren Stein für Marie zur Hochzeit. „Dies regte uns an, im Geheimen Staatsarchiv das Testament von Marie zu lesen, in dem durch ihre dort vermerkten Vererbungen bekannt wurde, welchen Schmuck und welche anderen wertvollen Dinge sie besaß und an wen diese gingen. So erfuhren wir, dass sie Ehrenmitglied des Johanniterordens war, dem sie Schmuck und eine große Summe Geld spendete“, so Dr. Silke Kiesant, die Leiterin der Skulpturensammlung und Uhrensammlung der SPSG und Kuratorin der Sonderpräsentation.

Auch einen nicht veröffentlichten handgeschriebenen Bericht des preußischen Majors Adolf Schlüsser über eine Inspektionsreise des Prinzen Carl 1837 nach Russland können sich Interessierte anschauen. Auf der Reise inspizierte der Prinz die dortige Armee, den Hof und das Staatswesen – zu verstehen als Hinweis auf die intensive Beziehung zwischen Russland und Preußen in der damaligen Zeit.

Ebenfalls bislang unveröffentlicht sind die präsentierten Gedichte über Glienicke als Geschenk von Hofhandwerkern Carls und Maries zu deren Silberhochzeit 1852. Glienicke als Sujet in der Dichtung war bislang weitgehend unbekannt, was unsere Vorstellung von der Kultur und dem Alltag an einem preußischen Prinzenhof erweitert.

Unmittelbarer Kontakt mit dem Sammler

Besonders an der Ausstellung war der unmittelbare Kontakt zum Sammler. Er selbst hatte sich mit seinen „Schätzen“ an die SPSG gewandt. Bernd Schmidt transkribierte die zahlreichen Briefe der Zarin an ihren Bruder (und einiges mehr) und schlug Exponate mit Glienicke-, Prinz-Carl- sowie Prinzessin-Marie-Bezug vor. Silke Kiesant betont: „Ganz besonders toll an der Ausstellung ist, unter anderem die Briefe von Alexandra Feodorowna im Original zu sehen und zu lesen, ihren eigenen Witz zu erfahren. Auch das Meldebuch aus dem Prinz-Carl-Palais am Wilhelmplatz in Berlin und das Meldebuch auf Reisen sind wunderbare Stücke, die uns über das Who-is-who der damaligen Gesellschaft (Künstler:innen, Gelehrte, Militärs, Adelspersonen) Auskunft erteilen. Sie gaben sich die Klinke in die Hand!“

Ronja Blohm im Gespräch mit Bernd Schmidt

Lieber Herr Schmidt, Sie pflegen eine umfangreiche Privatsammlung. Woher kommt Ihre Sammelleidenschaft?

Das begann als Jugendlicher. Ich hatte schon damals Interesse an allen alten Sachen, speziell an Büchern, da hier ein Einblick in vergangene Zeiten möglich war. Es existieren mehrere Sammlungen.

Welche Bereiche umfasst Ihre Sammlung?

Zum einen eine Büchersammlung mit Werken aus dem 17. bis zum 19. Jahrhundert mit verschiedenen Schwerpunkten, vor allem Preußen und die napoleonische Zeit. Bis 2018 sammelte ich zum Thema des Königreichs Westphalen unter Jerome Napoleon. Seitdem sammele ich mit dem Schwerpunkt Prinz Carl von Preußen, vor allem Bücher, Briefe, Dokumente, Urkunden und Kleinantiquitäten.

Woher kommt Ihr Interesse speziell an Prinz Carl von Preußen?

Schon länger unternehme ich umfangreiche Rund- und Studienreisen im In- und Ausland und sehe mir Schlösser, Parks, Museen usw. an. Dabei interessieren mich vor allem Architektur, Parkanlagen und Schlossinventar mit den Bibliotheken. Vor ungefähr sechs Jahren besuchte ich Schloss Glienicke. Wie in vielen Schlössern befanden sich auch hier Bibliotheksräume, aber es fehlten die Bücher. Da ich selbst eine Bibliothek habe, versuchte ich auch über die Landesgrenzen hinaus auf Auktionen und bei Kunsthändlern Bücher aus Sammlungen von Prinz Carl anzukaufen. Im Laufe der Zeit kamen dann weitere Stücke dazu und das Interesse stieg, mehr über sein Leben und seine Kunstsammlungen in Erfahrung zu bringen.

Haben Sie eine persönliche Beziehung zu Glienicke?

Ja. Ich komme gern hierher. Das Schloss ist überschaubar groß und die Parkanlagen sind sehr schön angelegt. Die vielen Kunstschätze und Marmorfiguren mit italienischem Flair gefallen mir gut. Besonders beeindrucken mich der Eingangsbereich mit der Löwenfontäne und die Marmorfigur der Venus.

Wie kam es zu der Idee einer Sonderpräsentation mit Ihren Objekten?

Als nach einigen Jahren die Sammlung durch die Briefe der Kaiserin Alexandra Feodorowna und den Petersburger Reisebericht des Prinzen Carl einen bestimmten Umfang erreichte und die Transkription der Dokumente ihren Abschluss fand, was mit ziemlich viel Arbeit verbunden war (76 Briefe in einem Jahr), entstand der Wunsch und das persönliche Anliegen, diese Sammlung einem größeren Publikum näher zu bringen. Ich möchte meinen besonderen Dank an Dr. Silke Kiesant richten, ohne deren tatkräftige Unterstützung diese Ausstellung nicht möglich gewesen wäre.

Worauf freuen Sie sich bei der Sonderpräsentation am meisten?

Meine größte Freude wäre es, wenn die Ausstellung beim Publikum einen guten Eindruck hinterlassen würde und vielleicht bei einigen Besuchern das Interesse an Kunstsammlungen und daran, sich mit dieser interessanten Materie und Zeitgeschichte näher zu befassen, geweckt würde.

Haben Sie ein oder mehrere Lieblingsobjekt(e)?

Aus Prinz Carls Sammlung interessieren mich besonders die Bücher, speziell die Meldebücher, die einen unmittelbaren, persönlichen Einblick in die zahlreichen nationalen und internationalen Kontakte, besonders zu Künstlern und Wissenschaftlern, und seine umfangreiche Reisetätigkeit geben.

Vielen Dank für diese Informationen.

Schreibwerkstatt für Besuchende

Am Ende des Schlossrundgangs können Besucher:innen im Foyer ihre eigene Glienicke-Geschichte aufschreiben, etwa besondere Erlebnisse in und mit diesem UNESCO-Weltkulturerbe (gern auch ein Gedicht!), und damit an einem Gewinnspiel teilnehmen. Wir verlosen 2x je eine Jahreskarte für die Schlösser der SPSG. Die Auslosung der Gewinner:innen findet am 8. November 2024 statt. Viel Glück!

„Glienicke entzückt mich“ – Ausgewählte Stücke aus einer Berliner Privatsammlung
Sonderpräsentation, 17. August bis 31. Oktober 2024

Sonderführungen 
am 17., 23., 31. August; 
6., 9., 13., 21., 27. September; 
5., 11., 19., 25., 31. Oktober 2024, jeweils 14 Uhr
Eintritt Sonderführungen: 10 Euro / ermäßigt 8 Euro

Schloss Glienicke
Königstraße 36, 14109 Berlin 
Öffnungszeiten: Dienstag-Sonntag 10–17.30 Uhr, Besichtigung mit Führung, letzter Einlass 17 Uhr
Eintritt: 6 Euro / ermäßigt 5 Euro

 

Dr. Silke Kiesant, Kustodin für Skulpturen und Uhren der SPSG, sowie die wissenschaftliche Volontärin Ronja Blohm haben die Sonderpräsentation erarbeitet.

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