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Die Gerüste sind gefallen

28. März 2024 Von SPSG

Von Ute Joksch und Christopher Lawrence Matz

Die sanierte Fassade des Schlösschens auf der Berliner Pfaueninsel leuchtet wieder über die Havel hinweg bis zum Neuen Garten in Potsdam. Und im Innenraum führte die Restaurierung der kunstvollen Wandoberflächen auch zu einer interessanten Entdeckung.
 

Das Sommerschlösschen auf der Pfaueninsel ist eines der außergewöhnlichsten Häuser der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) im UNESCO Welterbe. Es wurde 1794 bis 1795 unter Friedrich Wilhelm II. von Hofzimmermeister Johann Gottlieb Brendel erbaut, als ländliche Dependance zum nahegelegenen Marmorpalais im Neuen Garten in Potsdam. Das Gebäude sollte eine Ruine andeuten und wirkt wie eine Theaterkulisse. Der mit Holz verkleidete Fachwerkbau erzeugt die Illusion einer Fassade aus Naturstein. Dies wurde durch Beimischen von Sand in die Ölfarbe erreicht, damals als „Versteinerung“ bezeichnet, sowie mit aufgemalten Quaderfugen. Die beiden Türme verband einst eine Holzbrücke, welche schon um 1807 durch eine Gusseisenbrücke ausgetauscht werden musste: Es war der zweite Großguss, den die 1804 gegründete Königlich Preußische Eisengießerei in Berlin realisierte.

Die frühklassizistische Innenausstattung der Räume wurde maßgeblich von Gräfin von Lichtenau (1752–1820) gestaltet. Die frühere Mätresse und später enge Vertraute des Königs ist auch bekannt unter ihrem Mädchennamen Wilhelmine Enke und als verheiratete Madame Ritz. Weder andere Nutzungen späterer Generationen des Preußischen Königshauses noch sonstige Einflüsse führten zu einer Veränderung der ursprünglichen Gestaltung. Die Oberflächen der Innenräume und Raumausstattungen sind lediglich patiniert und zeigen heute ihre einzigartigen Spuren der Zeit. Die Holzverkleidung des Fachwerkbaus musste jedoch von Anfang an ständig repariert und mehrfach erneuert werden, zuletzt in den 1970er-Jahren. Ermöglicht durch das vom Bund und den Ländern Brandenburg und Berlin finanzierte Sonderinvestitionsprogramm II begann im Herbst 2017 ein interdisziplinäres Team von internen und externen Fachleuten mit der Vorbereitung der Gesamtsanierung des Schlosses. Federführend bei dem Projekt, das noch bis 2025 läuft, ist die Abteilung Architektur der SPSG in enger Zusammenarbeit mit der Abteilung Restaurierung.
 

Besondere Aufmerksamkeit galt der in den 1970er-Jahren erneuerten Fassade, die Mängel aufwies. Eindringende Feuchte hatte zu Schäden an den Hölzern geführt und der äußere Anstrich war mit Asbestfasern belastet. Der Rückbau der Holzverschalung erforderte entsprechend umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen, ein Arbeiten war nur im Schutzanzug möglich. Erst nach vollständiger Freilegung konnten am Fachwerk weitere Schäden begutachtet und entsprechend saniert werden. Hierbei wurden schadhafte Balken und Ständer behutsam ausgebaut und ersetzt, denn zu starke Erschütterungen am Gebäude hätten die kostbaren Oberflächen im Inneren gefährdet. Fachwissen und Feingefühl der erfahrenen Zimmerleute waren hier entscheidend.
 

Die neue Konstruktion der Holzverschalung stellt nun sicher, dass auftretende Feuchte wieder abtrocknen kann und Feuchteschäden so verhindert werden. Als Material kam ein spezielles, mit Säure behandeltes Holz zum Einsatz, welches eine hohe Resistenz gegen holzzerstörende Pilze und Insekten aufweist. Auch die Fenster und Außentüren wurden instandgesetzt. Die Dächer wurden sorgfältig neu verblecht, um eine optimale Regenwasserableitung zu gewährleisten. Eine weitere Herausforderung war und ist die Logistik, denn alle Baufahrzeuge müssen die kleine Fähre passieren und neben dem umfangreichen Gerüst und den zu schützenden Grünanlagen Platz finden.

Eine Restaurierungswerkstatt im Schloss

Das gesamte mobile Kunstgut aus den Innenräumen des Schlosses befindet sich noch ausgelagert in verschiedenen Depots der SPSG und wurde in den vergangenen Jahren konserviert. Seit Ende 2022 gleichen die Innenräume einer großen Restaurierungswerkstatt. Neun Firmen waren in sechs Fachgebieten der Restaurierung tätig. Komplex war die Bearbeitung der handwerklich und künstlerisch hochwertigen Raumschalen, der textilen Wandbespannungen, der Papiertapeten, Täfelungen und Schnitzereien, der Wand- und Deckenmalereien sowie der Tafelparkette. Das Gesamtkonzept sah vor, nur jene Oberflächen restauratorisch zu bearbeiten, die vom Verlust bedroht waren, in erster Linie also den Bestand zu konservieren, das heißt ihn gut zu erhalten, aber nicht zu ergänzen. Eine Ausnahme bildeten die kaum noch erkennbaren illusionistischen Architekturmalereien an den Wänden des Treppenturms. Nach umfangreichen Retuschen auf den behutsam reduzierten Rissschließungen aus den 1970er-Jahren entsteht nun wieder die Illusion einer Wand aus Naturstein. Über die Wendeltreppe ist das obere Geschoss zu erreichen und es öffnet sich die Tür zum holzvertäfelten Saal, in dem Friedrich Wilhelm II. einst sein Cello spielte. Hier konnte das matt gewordene, noch ursprüngliche Bienenwachs auf den Furnieren der Wandvertäfelung großflächig wieder poliert werden. Dagegen hatte Anobienfraß der Unterkonstruktion der Tafelparkette stark zugesetzt. Sie wurde partiell stabilisiert und neu verleimt.
 

Im angrenzenden Raum mit textiler Wandbespannung, die inzwischen stark verbräunt und verblichen ist, machten die Textilrestauratorinnen unter einem Holzpaneel eine überraschende Entdeckung. Zum Vorschein kam die ursprünglich kraftvolle rote, grüne, blaue und violette Farbigkeit der mit üppigen Blüten, Blättern und kleinen Vögeln bedruckten weißen Baumwolle. Und sogar die Stempel der seinerzeit tätigen Drucker wurden sichtbar, was auch die bisher offene Frage nach der Herkunft der Textilien beleuchtet.

Natur-, kunst- und restaurierungswissenschaftliche Forschungen können nun folgen. Die stark gealterten fragilen Stoffe werden vor Ort erhalten und mit einer unauffälligen Tüllüberspannung gesichert, denn nur das Original kann in Zukunft die Vergangenheit verankern. Im Erdgeschoss beeindrucken die noch gut erhaltenen bedruckten Papiertapeten, die 1794 von der in Berlin ansässigen Manufaktur des Engländers John Christian gefertigt wurden. Die nach 230 Jahren immer noch leuchtenden Muster zeigten jedoch Schäden in Form von pudernden Malschichten, Silberfischfraß und wellig gewordener Leinwandbespannung unter den aufgeklebten Papierbögen. Eine geradezu sportliche Aufgabe war es, einige Tapeten, die für die Bearbeitung abgenommen werden mussten, in feuchtem Zustand wieder in die kleinsten Räume zu bugsieren, ohne diese dabei zu schädigen. Verdunkelte Retuschen der 1950er-Jahre konnten erfolgreich mit Laserlicht reduziert werden. Nun sind diese Maßnahmen fast abgeschlossen. Die opulenten Kronleuchter mit den vielen neu zu verdrahtenden Bergkristallen werden im Sommer wieder im Saal aufgehängt. Außerdem beginnen im Keller die Abdichtungsarbeiten gegen aufsteigende Feuchtigkeit – eine Grundvoraussetzung, um die tragende Holzkonstruktion und damit auch die wertvollen Tafelparkette im Inneren nachhaltig zu schützen. Anschließend kann mit der Neubepflanzung des Schlossumfelds und dem Wegebau der Grünanlagen begonnen werden. Dann ist alles für die Rückkehr der mobilen Ausstattung vorbereitet. Derzeit wird das Gerüst abgebaut. Ab diesem Frühjahr ist das Pfaueninselschlösschen wieder leuchtend bis zum Neuen Garten hin zu sehen. Und im Jahr 2025 wird es mit seinem erhaltenen historischen Charme wieder für die Öffentlichkeit zugänglich sein.
 

Dr. Ute Joksch ist Projektrestauratorin der Abteilung Restaurierung.
Christopher Lawrence Matz ist Projektleiter der Abteilung Architektur und hat diese Aufgabe 2023 von Max Daiber übernommen.

Der Beitrag ist zuerst erschienen in der SANS,SOUCI. 01.2024

 

Die Pfaueninsel ist bis Ende Februar zwischen zwischen 10 und 16 Uhr mit der Fähre zu erreichen, ab März zwischen 10 und 18 Uhr. Letzte Überfahrt jeweils 45 Minuten vor Schließung.

 

 

 

 

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