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Falknerei in den Preußischen Wäldern und Gärten – Damals und Heute

26. Januar 2024 Von Luise Klähn

Friedrich der Große (1712-1786) war eigentlich kein Freund der Jagd – mit Ausnahme der Reiherbeize. In seinen jungen Jahren stellte er liebend gerne mit Falken den Reihern bei Köpenick nach. Auch heute wird auf dem Gelände der preußischen Gärten die Beizjagd betrieben – als eine naturnahe und wenig invasive Art der Bestandskontrolle.
 

Friedrich der Große stand mit seiner Liebe zur Beizjagd nicht allein da; auch sein Großvater König Friedrich I. (1657-1713) genoss es, sich „auf der Reiherbeize alle betrübten Gedanken aus dem Sinn schlagen“ zu können, genau wie zahlreiche Kurfürsten vor ihm. Damit schlossen sich die preußisch-brandenburgischen Fürsten einer langen Tradition an: Die Ursprünge dieser Jagdtechnik reichen bis gut 3000 v. Chr. zurück – einer der Gründe, warum die „Kunst mit Vögeln zu jagen“ heute zum immateriellen UNESCO-Weltkulturerbe gehört.

„Beizen“ kommt dabei wohl von „Beißen“, denn Falken nutzen ihre scharf gekrümmten Schnäbel, um Beute per Nackenbiss zu erlegen. Freilich kamen und kommen bei dieser Jagdtechnik nicht nur Falken, sondern auch andere Greifvögel zum Einsatz – Habicht, Adler und Co. Die höfische Jagd schätzte aber seit jeher besonders den Falken aufgrund seiner imposant-rasanten Flugtechniken. Der Wanderfalke gilt beispielsweise als das schnellste Tier der Welt und kann über 300 km/h im Sturzflug erreichen. Der europäische Adel bevorzugte aber vor allem den nordischen weißen Gerfalken, wohl nicht zuletzt wegen seiner Größe und auffälligen Gefiederfarbe.

Jagden an Fürstenhöfen dienten schon seit dem Mittelalter weniger der Nahrungsbeschaffung als der Repräsentation: Man lud andere Vertreter hoher Familien ein, sozialisierte und imponierte mit teuren Waffen, Hunden, Pferden und eben auch Vögeln.
 

Die von Friedrich II. so geschätzte Reiherbeize ist exemplarisch für diese Art der höfischen Jagd: Der Reiher wurde zwar gefangen, in der Regel aber nicht getötet. Stattdessen wurden ihm ein paar seiner prächtigen Kopffedern abgenommen und ein Ring mit Namen des Fängers um den Hals gelegt. Das Tier wurde daraufhin wieder ziehen gelassen. All dies war ein teurer Zeitvertreib – beispielsweise wurden unter Kurfürst Georg Wilhelm (1595-1640) um die 1.624 Häuser speziell für Falken und deren Betreuer eingerichtet, große Flurstücke angekauft und Hoffalkner wiederholt nach Dänemark und Norwegen geschickt, um dort die besonders begehrten weißen Gerfalken zu erwerben. Mitunter wurden sowohl Falken, als auch Reiher direkt vor Ort des Jagdvergnügens gezüchtet.
 

Die Beizjagd kam im späten 18. Jahrhundert aus der Mode und wurde von der, noch kostspieligeren und aufwendigeren Parforcejagd, der Hetzjagd mit Hunden zu Pferde, abgelöst.

Anfang des 20. Jahrhundert kam es zu einer Renaissance der Beizjagd. 1921 wurde der Deutsche Falkenorden in Berlin gegründet und ist damit der älteste noch bestehende Falknerbund weltweit. Heute liegt der Reiz der Falknerei aber nicht mehr in Repräsentation und Prunk – stattdessen hat sich die althergebrachte Jagdtechnik als naturnahe und schonende Möglichkeit zur Bestandskontrolle erwiesen, ganz ohne Schusswaffen.

Das hat auch SPSG-Gartenmeisterin Andrea Badouin entdeckt: Gemeinsam mit Habichtdame Thora geht sie im Schlossgarten Charlottenburg auf Kaninchenjagd. Der Bestand der Kaninchen im Schlossgarten Charlottenburg muss aus mehreren Gründen im Schach gehalten werden:
Zum einen spielen Fragen des Gehölz- und Besucherschutzes eine Rolle. Kaninchen legen ihre Bauten gerne unter Bäumen an, die dadurch umsturzgefährdet werden. Das kann schnell zu einer Gefahr für Besucher:innen werden. Zum anderen sind Seuchen unter den Tieren ein ernstzunehmendes Problem: RHD (Rabbit Hemorrhagic Disease) und Myxomatose („Kaninchenpest“) können sich auch auf Hauskaninchen ausbreiten – und stellen für die betroffenen Tiere ein schmerzvolles Ende dar. Da es sich beim Schlossgarten nicht um freie Natur handelt, können die Bestände sich nicht selbst regulieren – es fehlt an natürlichen Feinden.
 

An dieser Stelle kommen Frau Badouin und Thora ins Spiel. Denn: Die Habichtdame (fachmännisch: das Habichtsweib) jagt nur, was sie in freier Natur auch jagen würde: vornehmlich alte, kranke und geschwächte Tiere. Sie hat Instinkte, die der Mensch bei aller Sorgfalt nicht nachahmen kann, und ist damit die perfekte Kollegin für Frau Badouin. Als ausgebildeter Beizvogel jagt Thora nicht etwa, was ihre ‚Habichtlerin‘ ihr ‚befiehlt‘ – als solcher hat sie lediglich gelernt, dass Frau Badouin sozusagen als „weltbester Baum“ dient. Sie bietet ganzjährig Schutz, herzliche Wärme, Futter und trägt sie zu guten Jagdgelegenheiten. Es gilt: Die Zusammenarbeit mit dem Menschen muss für den Vogel Sinn ergeben, ansonsten kann es sein, dass das Tier eines Tages genug hat und nicht auf die falknerische Faust zurückkommt. Der Greifvogel ist und bleibt ein wildes Tier, dessen Zusammenarbeit mit dem Menschen auf gegenseitigem Vertrauen beruht.

Die erlegten Kaninchen werden übrigens eingefroren und in der Mauserzeit an Thora verfüttert. Während sie mausert, also im Federwechsel ist, hat sie Sommerpause – Jagdsaison für Kaninchen ist von September bis ca. Mitte Februar. In dieser Zeit ist Frau Badouin mit Thora, ihrer Jagdkollegin, und ihren Hunden und Frettchen frühmorgens auf Kaninchenjagd.

Im Schlossgarten dient die Jagd einzig der Bestandskontrolle. Eine Methode, die sich seit über 30 Jahren bewährt hat, denn Frau Badouin ist seit 1991 als Falknerin im Einsatz. Mensch, Habicht und auch die Kaninchen profitieren von dieser Simulation der natürlichen Verhältnisse. Und gewissermaßen lebt der Geist der höfischen Jagd so in den preußischen Schlössern und Gärten weiter.
 

 

 

 

 

 

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