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Jahresthema Klimawandel – Wie dramatisch sind die Folgen?

12. Januar 2024 Von Yvonne Jennerjahn

Über 800 Hektar groß sind die Park- und Gartenanlagen der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten in Berlin und Brandenburg. Es sind mehr als 1000 Fußballfelder voller Gartenkunst in höchster Vollendung. Die Gärtnerinnen und Gärtner pflegen in liebevoller Arbeit Beete, Hecken, Bäume und ausgedehnte Wiesenflächen und kämpfen gleichzeitig mit den Folgen des Klimawandels. Dass es 2023 deutlich mehr geregnet hat, hilft, verringert die Gefahr aber nicht grundlegend. Generaldirektor Prof. Dr. Christoph Martin Vogtherr erläutert, warum im Jahr 2024 das Thema Klimawandel im Fokus der Stiftung steht.

Die Fragen stellte Yvonne Jennerjahn vom Evangelischen Pressedienst (epd)
 

Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten macht den Klimawandel zum Jahresthema 2024. Warum?

Weil sich der Klimawandel dramatisch auf den Zustand der historischen Gärten auswirkt. Und leider besonders dramatisch auf die historischen Gärten in unserer Region. Brandenburg und Berlin gehören zu den trockensten Gebieten in Deutschland. Wir bekommen also die Folgen des Klimawandels schneller zu spüren als viele andere. Alle Gärten, die wir betreuen, sind inzwischen schwer geschädigt. Deshalb arbeiten wir intensiv an Strategien, wie wir damit umgehen können. Wir wollen 2024 mit der Öffentlichkeit ins Gespräch kommen, auch um zu zeigen, welche Perspektiven wir für die Gärten entwickeln.
 

Wo setzt der Klimawandel der Stiftung besonders zu?

Leider ist es inzwischen so, dass es wirklich fast alle Gehölzbestände betrifft. Die Schäden begannen bei den Buchen und bei bestimmten Eichenarten. Bis vor kurzem sind wir noch davon ausgegangen, dass mehr als die Hälfte der Bäume in den Potsdamer Parks geschädigt ist. Inzwischen betrifft das fast den gesamten Bestand, und zwar nicht nur die Altbäume, sondern verschiedene Baumgenerationen. Es ist ein flächendeckendes Problem. Vor drei Jahren sind im Park Sanssouci in kurzer Zeit mehrere hundert Buchen gestorben, die alle ungefähr einhundert Jahre alt waren. Auch Jungbäume, die wir nachpflanzen, wachsen sehr viel schlechter an als früher. Wir hatten früher Anwachsquoten von 75 bis 80 Prozent. Das war normal. Jetzt kommt zum Beispiel im Park Babelsberg nur noch ungefähr ein Drittel der nachgepflanzten Bäume über die ersten Jahre.
 

Um was für Größenordnungen geht es insgesamt?

Wir betreuen ungefähr 80.000 Bäume in den Parks und Gärten. Vor kurzem hieß es noch, über die Hälfte davon ist geschädigt. Aber diese Prozentzahl wächst ständig. Jetzt kann man sagen, dass schon weit mehr als 50.000 der Bäume Schadensbilder aufweisen.

Wie versuchen Sie, da gegenzusteuern?

Bei uns hat sich in den vergangenen Jahren die Einsicht durchgesetzt, dass wahrscheinlich ein Großteil der älteren Baumgeneration nicht zu retten sein wird. Es geht jetzt vor allem darum, eine nächste Generation von Bäumen heranzuziehen, die resistenter gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels ist. Wir haben festgestellt, dass Bäume, die auf den Grundstücken selbst groß werden, eine sehr viel höhere Chance haben durchzukommen und später mit den Bedingungen dort zurechtzukommen als Bäume, die auch nur in einer geringen Entfernung aufwachsen. Und dabei geht es nicht darum, ob man jetzt aus den Niederlanden importiert oder nicht. Sondern es kann von Bedeutung sein, ob die Bäume aus Ketzin bei Brandenburg an der Havel kommen oder aus Potsdam. Es geht dabei wirklich um Mikrobedingungen. Deshalb planen wir jetzt für alle Parks lokale Baumschulen, in denen die Bäume herangezogen werden, die dann auch dort vor Ort bleiben. Ganz wichtig ist zudem die Bewässerung. Wir haben teilweise noch marode Leitungssysteme aus der Kaiserzeit oder sogar aus der Zeit davor. Da muss sehr viel modernisiert werden. Heute gibt es sehr viel gezieltere, sinnvollere und sparsamere Bewässerungsmethoden, durch die man mit weniger Wasser dasselbe erreicht. Oder mit demselben Wasser sehr viel mehr.
 

Wo hat die Stiftung eigene Baumschulen und wo wollen Sie neue einrichten?

Wir haben bisher keine Baumschulen, sondern nur einzelne Bereiche in den Parks, wo in kleinerem Umfang Bäume herangezogen werden. Aber wir haben kein echtes Baumschulwesen. Das kommt daher, dass es lange diesen Trend zum Outsourcen gab, gerade bei sehr arbeitsintensiven Prozessen. Und wir sind jetzt dabei, das wieder hereinzuholen, in Potsdam etwa in Sanssouci und im Neuen Garten, aber auch in Rheinsberg und in Berlin in Charlottenburg.
 

Mit was für Folgen des Klimawandels muss sich die Stiftung noch beschäftigen?

Wir reden beim Klimawandel natürlich sehr viel über Trockenheit. Aber wir haben auch ein großes Problem mit Starkregen. Da werden teilweise Wege aus- oder weggespült und Hänge abgetragen, wenn auf ausgedörrte Böden plötzlich sehr viel Regen fällt. Durch Starkregen und Stürme haben wir auch sehr viel mehr Probleme mit den Dächern der Denkmäler. Ein anderer Bereich, in dem wir schleichende Veränderungen beobachten, sind die Schädlinge, die nun infolge der sich verändernden Temperaturen und Feuchtigkeiten auftreten. Das passiert nicht nur in den Parks, sondern auch in den Schlössern. Wenn es in bestimmten Räumen oder Ecken wärmer wird, wird das plötzlich für andere Lebewesen interessant. Alle Formen von organischen Materialien, also Holz, Leinwand, Textilien sind gefährdet. Das ist nicht neu. Aber mit neuen Arten haben wir jetzt einen zusätzlichen Kontroll- und Arbeitsaufwand.

Was für zusätzliche Kosten entstehen der Schlösserstiftung durch die Folgen des Klimawandels?

Das lässt sich nur grob schätzen. In den Gärten sind wir wohl schon im Bereich von mehreren Millionen Euro pro Jahr. Bei der Baumpflege und der Abnahme von Totholz kann man es ganz gut erfassen, weil die Aufträge nach außen gegeben werden und wir die Kosten gut verfolgen können. Hier rechnen wir heute mit etwa einer Million Euro jährlich. Das war früher ein Bruchteil davon. Wenn nur ein Drittel der Bäume anwächst, muss man mehr Jungbäume ankaufen. Der Bewässerungsaufwand steigt und damit die Arbeitszeit. Die Schäden durch Extremwetter haben deutlich zugenommen. Auch da gehen wir davon aus, dass wir mindestens im sechsstelligen Bereich pro Jahr sind, um den die Kosten in den vergangenen Jahren gestiegen sind. Insgesamt können wir schon sagen, dass wir durch den Klimawandel Mehrkosten in siebenstelliger Höhe pro Jahr haben.
 

Wie werden die Parks und Gärten im Jahr 2050 aussehen?

Da hängen wir natürlich von der „Gretchenfrage“ der gesamten Welt ab: Schaffen wir es als Menschheit, den Klimawandel und den Temperaturanstieg irgendwie in den Griff zu bekommen? Wenn nicht, dann kann ich keine Aussage dazu machen, wie die Parks aussehen werden. Falls es der Menschheit aber gelingt, den Klimawandel zu begrenzen, ist wohl das wahrscheinlichste Szenario, dass wir innerhalb von ungefähr einer Generation die meisten großen Bäume verlieren werden. Der Charakter der Parks würde sich dadurch erst einmal ganz grundsätzlich ändern, die Bäume würden generell viel niedriger sein und es würde sich fast ausschließlich um junge Bäume handeln. Und dann entwickelt sich daraus hoffentlich eine neue Generation von Bäumen, die den alten Parkbildern zumindest wieder sehr nahe kommt. Wir alle werden nicht mehr erleben, wie das dann aussieht, weil das sehr lange dauert. Das, was wir tun, tun wir also für unsere Enkelgeneration.

Was nehmen Sie im Themenjahr 2024 im Veranstaltungsprogramm besonders in den Blick?

Bei dem Thema liegt es nahe, dass man sich nicht im Innenraum aufhält. Das Themenjahr wird sich unter dem Titel „Re:Generation. Klimawandel im grünen Welterbe – und was wir tun können“ im Park Sanssouci abspielen. Dort wird es etwa 30 Stationen geben, an denen wir auf Folgen des Klimawandels hinweisen oder vorführen, was wir als Reaktion darauf tun, ausprobieren oder schon ausprobiert haben. Das Ganze begleiten wir durch ein breites Programm, auch durch künstlerische Interventionen. Uns ist wichtig, nicht nur das Problem zu benennen, sondern auch zu zeigen, dass es Wege vorwärts gibt, die wir gemeinsam gehen wollen.

 

 

 

 

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