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Einzigartige Schatzkunst aus Bernstein

22. September 2023 Von SPSG

Von Rahul Kulka und Verena Wasmuth
 

Seit jeher lagern die reichsten Bernsteinvorkommen der Welt im südlichen Ostseeraum, zwischen Danzig (Gdańsk, Polen) und Königsberg (Kaliningrad, Russland). Als Herrscher über diese Region sammelten und verschenkten die Hohenzollern in der Frühen Neuzeit mit Vorliebe Kunstobjekte aus dem seltenen Material – man denke nur an das legendäre Bernsteinzimmer. Auch Kronleuchter wurden aus dem fossilen Baumharz gefertigt und kamen als diplomatische Geschenke zum Einsatz. Oft schlicht „Kronen“ genannt, waren sie glanzvoller Schmuck an Europas Fürstenhöfen, Symbole für Macht und Wohlstand. Sie dienten der Repräsentation, der fürstlichen Selbstdarstellung.

Rund 2500 Objekte umfasst die Sammlung „Leuchter und Beleuchtungskörper“ der SPSG, eine der größten ihrer Art in Europa. Eines ihrer kostbarsten Exemplare ist dieser Bernsteinkronleuchter, der seit Mai im Schloss Oranienburg ausgestellt ist. Aus zwei Gründen ist er etwas ganz Besonderes: Es handelt sich dabei um das einzige großformatige Objekt aus Bernstein im Bestand der SPSG, zudem ist er weltweit der einzige überlieferte Kronleuchter ganz aus Bernstein. Die beiden anderen bekannten Beispiele im Schloss Rosenborg (Kopenhagen, Dänemark) – davon einer in Miniaturformat – haben Bernstein-geschmückte Arme aus Metall.
 

1977 erwarb die West-Berliner Schlösserverwaltung das vermutlich um 1650 in Königsberg hergestellte Bernsteinkunstwerk auf dem englischen Kunstmarkt. Es sollte kein historisch überliefertes Stück ersetzen, sondern wurde stellvertretend für jene Gegenstände und Ensembles aus Bernstein angekauft, die einst die brandenburgisch-preußischen Kunstkammern geziert hatten.  Zuvor gehörte der Kronleuchter zum Inventar des südenglischen Landsitzes Mentmore Towers, von 1852 bis 1854 durch den Architekten des Londoner Kristallpalasts, Sir Joseph Paxton, für den renommierten Kunstsammler Baron Mayer Amschel de Rothschild errichtet. Dieser präsentierte die Krone gemeinsam mit sechs anderen Bernsteinarbeiten in einem Raum im Erdgeschoss, der auch aufgrund seiner honigfarbenen Wandbespannung als „Amber Room“ bezeichnet wurde. Aufzeichnungen im Familienbesitz zufolge hatte Baron Mayer den Kronleuchter am 27. Dezember 1854 für 350 Pfund von dem Kunsthändler und „importer of curiosities“ David Falcke aus der New Bond Street angekauft, dessen Wurzeln im Westfälischen lagen. Leider ist nicht bekannt, woher dieser wiederum das Stück bezogen hatte.

Und auch die Entstehungsgeschichte des Leuchters ist nicht mehr genau nachzuvollziehen. Aufgrund stilistischer Parallelen kommt ein Hersteller aus dem Umkreis des Bernsteindrehers Jakob Heise infrage, der zwischen 1654 und 1675 in Königsberg nachweisbar war. Ebenfalls ist eine Entstehung in Danzig nicht auszuschließen. Hier wurde nämlich ein sehr ähnlicher Kronleuchter hergestellt, den Kurfürst Friedrich Wilhelm 1689 an die russischen Zaren verschenkte.
 

Der bei dem „Mentmore Sale“ erstandene Neuankauf war bei seiner Ankunft in Berlin allerdings nur in Bruchstücken erhalten. Fünf Jahre dauerte die Restaurierung. Zunächst hing er bis in die 1990er-Jahre in einer eigenen Vitrine im Obergeschoss des Alten Schlosses Charlottenburg. Nach der deutschen Wiedervereinigung und der Zusammenführung der West-Berliner Schlösserverwaltung mit den Staatlichen Schlössern Potsdam-Sanssouci 1995 kam es zu einer Neueinrichtung der verschiedenen Schlösser und der Kronleuchter wurde in das Zentraldepot der SPSG verbracht. 2001 war er noch einmal in der Ausstellung „Preußen 2001“ zum 300. Jahrestag der Erhebung Preußens zum Königreich in der Großen Orangerie von Charlottenburg zu sehen.
 

Vorbild für diesen Kronleuchter war der im 17. Jahrhundert häufigste Leuchtertypus, der flämische Messingkronleuchter. Dieser bestand aus einem zentralen Schaft mit runden Segmenten unterschiedlicher Größe, in den geschwungene Arme eingehängt wurden. Als Bekrönung verbreitet war ein heraldischer Doppeladler, das Emblem des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. All diese Elemente finden sich auch bei diesem Bernsteinkronleuchter: Auf einer Eisenstange reihen sich die hohlen Schaftelemente aus Balustern im Wechsel mit der Mittelkugel und der großen Abschlusskugel, die in einem Zapfen endet. Die Hohlkörper sind aus gebogenen, mit Nut und Feder zusammengesteckten Bernsteinplättchen gefertigt, mit Oberflächen in reichem Relief. Neben Rank- und Blattwerk finden sich Früchtestillleben und Vögel in Zweigen.

Die Arme weisen einen fein gravierten Schuppendekor auf und sind in zwei Etagen übereinander angeordnet. Sie bestehen ausschließlich aus Bernsteinsegmenten, gegliedert durch je drei gewölbte Zwischenstücke aus transparentem Bernstein über einer Reliefschnitzerei aus weißem Knochenbernstein bzw. radierter Goldfolie. Als Motive erkennbar sind Halbfiguren, Vögel und Früchtekompositionen in opulentem Astwerk. Die Tüllen und Tropfteller wurden aus Horn ergänzt. Die Arme sind mit Elfenbeinschrauben und Bernsteindübeln befestigt.
 

Bernstein ist ein sehr vielfältiges Naturmaterial und wird seit Jahrtausenden für Schmuck und Kunstgegenstände verwendet. Das versteinerte Harz wird aufgrund seiner typischen Rot- beziehungsweise Gelbfärbung sowie seiner Brennbarkeit mit Sonne und Flammen assoziiert. Ein Kronleuchter aus Bernstein steht gewissermaßen als Sinnbild für Licht und Feuer. Das überaus leichtgewichtige Material ist jedoch empfindsam gegenüber Wärme, Licht und Feuchtigkeit. Dies führte dazu, dass Kunstgegenstände aus Bernstein in der Regel nicht für den praktischen Gebrauch bestimmt waren. Stattdessen entstanden sie als symbolisch aufgeladene Schaustücke. Der Kronleuchter der SPSG wurde also nie als künstliche Lichtquelle verwendet, sondern sollte als Kunstkammerstück das gelehrte Gespräch über das Material und seine Rolle als Sinnbild verborgener Naturkräfte befeuern. Die fein gravierte Schuppung an den Armen erinnert an die Haut von Drachen und untermalt den Bezug zu den Elementen Luft und Feuer.
 

Das einzigartige Kunstkammerobjekt hat nun seit Mai im Schlossmuseum Oranienburg in einer maßgeschneiderten Vitrine im Groteskensaal eine dauerhafte Bleibe gefunden. Ein Begleitbuch mit weiteren Informationen zu Material, Bedeutung und Verwendung der Krone sowie ein Kindertext in einfacher Sprache liegen in Deutsch und Englisch aus.

 

Informationen:
Schlossmuseum Oranienburg
Schlossplatz 1
16515 Oranienburg

Öffnungszeiten
April bis Oktober, Dienstag-Sonntag 10-17.30 Uhr
November bis März, Dienstag-Sonntag 10-16 Uhr
Letzter Einlass jeweils 30 Minuten vor Schließzeit.

Eintritt: 8 €, ermäßigt 6 €

www.spsg.de/schlossmuseum-oranienburg

 

 

 

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