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Koloniale Geschichten in den Preußischen Schlössern

18. August 2023 Von SPSG

Satelliten der Ausstellung „Schlösser. Preußen. Kolonial.“

Die Ausstellung „Schlösser. Preußen. Kolonial. Biografien und Sammlungen im Fokus“ im Schloss Charlottenburg widmet sich der Auseinandersetzung mit den Einflüssen des Kolonialismus und seiner Vorgeschichte in den Schlössern und Gärten und beleuchtet dessen nachhaltige Auswirkungen bis in die Gegenwart.

Spuren der Kolonialgeschichte Brandenburg-Preußens sind auch in anderen Schlössern der SPSG zu finden, denn die Stiftung bewahrt eine Vielzahl von Kunstwerken, Objekten und Raumausstattungen mit kolonialen Bezügen. Informationstafeln in verschiedenen Schlössern und Parks vermitteln während der Ausstellungslaufzeit Hintergründe und bisher nicht erzählte Geschichten.

Park Sanssouci

Das Neue Palais im Potsdamer Park Sanssouci ist ein Ort, an dem zahlreiche Verbindungen zum Kolonialismus erlebbar sind. An der Balustrade der Gartenseite des Neuen Palais finden sich Informationen zu den Statuen zweier Schwarzer Menschen, die als Kandelaberträger neben zwei Germanen und zwei Römern sowie zahlreichen Nymphen und Satyrn stehen. Wir wissen nicht, wer für die Statuen der Afrikaner Model gestanden haben könnte. Sie entstanden zeitgenössisch zu den zahlreichen sogenannten „Völkerschauen“, die in Berlin und in Potsdam stattfanden. Im Grottensaal und hinter den Communs fanden ab 1884 sogenannte „Völkerschauen“ statt, die auch als „Menschenzoos“ bekannt waren.
 

Im Grottensaal spielten sich auch andere wichtige Momente der preußischen Kolonialgeschichte ab, wie die Sühnemission des chinesischen Prinzen Zaifeng (chin. 載灃), auch bekannt als Prinz Chun, im Jahr 1901. Er musste sich im Grottensaal vor Kaiser Wilhelm II. für den sogenannten „Boxeraufstand“ entschuldigen und danach den Raum rückwärtsgehend mit vierfacher Verbeugung verlassen.
 

Während des Besuchs von Zaifeng wurden astronomische Geräte vor dem Orangerieschloss im Park Sanssouci aufgestellt, die während der Bekämpfung des Boxeraufstands aus dem Pekinger Observatorium geplündert wurden. Eine Tafel auf der Terrasse des Orangieschlosses informiert darüber.

Beim weiteren Rundgang durch das Neue Palais trifft man auf „exotisierende“ Darstellungen, die europäische Vorurteile gegenüber Menschen aus anderen Erdteilen zeigen, die teilweise bis heute aktuell sind. Das Historienbild „Der gefangene Sultan Bayazet vor Tamerlan“ des venezianischen Künstlers Andrea Celesti, das Friedrich II. für ein Gästeappartement erwarb, ist ein Beispiel dafür.

Koloniale Spuren lassen sich auch im Unteren Fürstenquartier des Neuen Palais‘ nachverfolgen. Ein Kaffeeservice der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin (KPM) aus dem Jahr 1770 im Konzertzimmer des Unteren Fürstenquartiers weist auf die enge Beziehung zwischen dem Konsum von Kaffee und Zucker und dem Versklavungshandel hin.

Auch Tee gehörte zu den Genussmitteln, die auf Wegen des Kolonialwarenhandels nach Europa kamen. In den Neuen Kammern von Sanssouci zeugt ein Tête-à-tête-Service der KPM von der besonderen Bedeutung, die Tee am preußischen Hof spielte.

Am Chinesischen Haus im Park Sanssouci stößt man auf weitere Hinweise zu kolonialen Spuren. Trotz seines Namens hat dieser Pavillon nichts Chinesisches an sich, sondern entspringt einer europäischen Fantasie.
 

Märkische Schlösser

Im Schloss Caputh, südwestlich von Potsdam an der Havel gelegen, beauftragte Kurfürstin Dorothea von Brandenburg um 1685 ein Deckengemälde, das ganz im Zeichen der ersten kolonialen Schritte Brandenburgs steht. Dorotheas Ehemann Kurfürst Friedrich Wilhelm hatte gleichzeitig den Handelsstützpunkt Großfriedrichsburg an der Küste des heutigen Ghana gegründet.

Ein im frühen Kolonialhandel beliebter Rohstoff war Elfenbein. Das Schlossmuseum Oranienburg, nördlich von Berlin, beherbergt eine Sammlung von Elfenbeinmöbeln, die vermutlich von versklavten afrikanischen Künstler:innen geschnitzt wurden.
 

Das Schlossmuseum Oranienburg zeigt auch das Gemälde „Die Kurbrandenburgische Flotte“ des niederländischen Malers Lieve Verschuier. Zwei dieser Schiffe brachen 1680 zur westafrikanischen Küste auf, um dort Brandenburgs Beteiligung am Kolonialhandel zu sichern.

Zu den beliebten Luxusgütern, die über den Kolonialhandel nach Preußen kam, gehörte auch Tabak. In der Ausstellung im Schloss Charlottenburg hängt derzeit das Gemälde „Das Tabakskollegium Friedrichs I.“ von Paul Carl Leygebe
 

Auch im Schloss Königs Wusterhausen befindet sich ein Gemälde mit einem Tabakskollegium. Tabak war nicht nur ein wichtiges Exportgut und anerkanntes Zahlungsmittel, sondern aufgrund des aufwendigen Anbaus in Südamerika und Kuba ohne den Arbeitseinsatz versklavter Menschen nicht profitabel.

Mit der aktuellen Ausstellung im Schloss Charlottenburg wird insbesondere der Versuch unternommen, Biografien Schwarzer Menschen am preußischen Hof nachzuzeichnen. Die Frage nach deren biografischen Details stellt sich immer wieder beim Betrachten von Gemälden, die zum Bestand der SPSG gehören. Im Schloss Rheinsberg hängt ein Gemälde der idyllischen Landschaft rund um den Grienericksee, das unter anderem einen bisher nicht identifizierbaren Schwarzen Diener darstellt. Vermutlich befindet er sich in Gesellschaft des Kornprinzen Friedrich und dessen Mutter.

Ermäßigter Eintritt

Ein Besuch der hier aufgeführten Orte lohnt sich nicht nur wegen der aufschlussreichen Geschichten, die dort zu erleben sind. Während der gesamten Ausstellungslaufzeit von „Schlösser. Preußen. Kolonial.“ erhalten Besucher:innen der Ausstellung bei Vorlage ihres Tickets ermäßigten Eintritt im Neuen Palais und den Neuen Kammern in Potsdam sowie in den Märkischen Schlössern, zu denen Schloss Rheinsberg, Schloss Königs Wusterhausen, das Schlossmuseum Oranienburg und Schloss Caputh zählen. Und auch auf umgekehrten Wege gilt für Besucher:innen der ermäßigte Eintritt, wenn das Ticket einer der genannten Schlösser beim Ausstellungsbesuch im Schloss Charlottenburg vorgezeigt wird. Der ermäßigte Eintritt gilt nur bei Vorlage des Ausstellungsticket an der Kasse, der Ticketshop ist von dieser Regelung ausgeschlossen.

Ausblick

Zur Zeit denkt das Ausstellungsteam über Lösungen nach, wie all diese bisher nicht erzählten Geschichten und Zusammenhänge auch nach Ende der Ausstellung weiter präsent bleiben können. Welche Vorschläge und Ideen haben Sie? Wie kann man die Informationen zu kolonialen Spuren verstetigen?

 

Schlösser. Preußen. Kolonial.
Biografien und Sammlungen im Fokus
Sonderausstellung
4. Juli – 31. Oktober 2023
Schloss Charlottenburg – Neuer Flügel, Spandauer Damm 10-22, 14059 Berlin

www.spsg.de/kolonial

 

 

 

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