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Ich nutze meine Kunst, um Mauern und Barrieren zu durchbrechen

21. Juli 2023 Von SPSG

Der Künstler Nando Nkrumah hat im Rahmen unserer Sonderausstellung „Schlösser. Preußen. Kolonial. Biografien und Sammlungen im Fokus“ eine zeitgenössische Intervention am Reiterdenkmal des „Großen Kurfürsten“ gestaltet. Nando Nkrumah ist ein bildender Künstler mit ghanaisch-deutschen Wurzeln. Er ist in dem westafrikanischen Staat Ghana geboren und als Kind mit seinen Eltern in den 80er Jahren nach Westdeutschland geflohen. Hier hat er Industriedesign studiert und anschließend ein Studium an der Kunsthochschule für Medien in Köln abgeschlossen.

Sein Lebensweg ist für seine künstlerische Praxis Inspiration und Triebkraft zugleich. Dabei spielen einerseits die Mythologie und Geschichte Ghanas und andererseits auch seine biografischen Erfahrungen in Deutschland eine große Rolle. Er nutzt unterschiedliche Medien, um mit seiner Kunst Mauern und Barrieren zu durchbrechen. In Charlottenburg ist es „Augmented Reality“, eine Form der computergestützten Einblendung von Bildern. Seit Anfang Juli ist sein Kunstwerk im Ehrenhof vor dem Charlottenburger Schloss zu sehen und zu erleben.
 

Herr Nkrumah, was ist die Intervention im Ehrenhof?

„This is not only hi(s)story. This is OUR STORY” ist ein Statement, eine Stellungnahme und ein Eingriff am Reiterdenkmal Friedrich Wilhelms von Brandenburg und besteht im Wesentlichen aus drei Elementen. Wir haben zum einen die Stelen, die als physische Objekte um das Denkmal herum platziert sind. Zum anderen haben wir aber auch eine digitale, virtuelle Ebene, die mittels QR-Codes zugänglich ist und erlaubt, virtuelle Skulpturen hier auf dem Ehrenhof zu platzieren. Und es gibt auch eine Animation innerhalb der Sonderausstellung, die auf die Intervention auf dem Ehrenhof verweist. Bei der Intervention ging es mir darum aufzuzeigen, dass wir mehr Orte der Trauerverarbeitung brauchen und auch mehr Möglichkeiten des Empowerments. Ich habe die Farben Schwarz und Rot gewählt, weil diese auch bei den Akan-Völkern in Ghana eine besondere Rolle spielen. Dort werden zum Beispiel Häuser mit schwarzen und roten Bändern verkleidet, um zu zeigen, dass jemand verstorben ist und getrauert wird. Auf der anderen Seite ging es mir auch darum, eine Art unfertige Gerüstinstallation zu erschaffen, die es ermöglicht, in naher Zukunft einen Dialog auf Augenhöhe zu führen. Deshalb ist auch die Höhe der Skulpturen oder der Strukturen besonders wichtig und zeigt eine Ermächtigungsmöglichkeit für die angeketteten Menschen im Hintergrund auf. Also gedanklich sollen sich diese lösen und dann auf diese Podeste klettern, um dadurch einen Dialog mit Friedrich Wilhelm von Brandenburg einzufordern.

Sie haben um das Denkmal vier Stelen platziert. Was für eine Bedeutung haben die Stelen?

Es gibt vier Stelen mit unterschiedlichen Symboliken. Ich habe dafür ghanaische Adinkasymbole verwendet. Sie stehen für die Begriffe Einheit, Wahrheit, Mut und Freiheit. Und das sind für mich persönlich elementare Bestandteile des Empowerments und deshalb besonders wichtig. Diese Begriffe werden über Texte verhandelt und dazu habe ich drei Personen eingeladen: Angel Maxine und Wanlov the Kubolor aus Ghana sowie Mirjam Nuenning aus Berlin. Gemeinsam haben wir Texte entwickelt, diese Allegorien für uns zu beschreiben, aber auch zu verarbeiten.
 

Wie hat sich das Projekt entwickelt ab dem Zeitpunkt, als Sie das Reiterstandbild gesehen haben bis zur Fertigstellung der Intervention?

Ein besonderer Punkt innerhalb der Entstehung war die Reise nach Großfriedrichsburg oder besser gesagt nach Ghana, zur Ruine der Festung Großfriedrichsburg. Es war ein ganz wichtiger Kickoff, weil ich dort die Möglichkeit hatte, mit den Menschen zu sprechen und mich auszutauschen, welche Eindrücke die Menschen von der Kolonialzeit und der Zeit der Brandenburger und der Preußen haben und wie die Festung heute existiert bzw. von den Menschen wahrgenommen und angenommen wird. Ich habe dann lange zu der Historie der Brandenburger und der Preußen innerhalb des Versklavungshandels und den Bezügen zu Ghana recherchiert. Dann habe ich diese Stelen entwickelt. Relativ früh kam der Gedanke, dass diese vier Personen am Reiterdenkmal eine Ermächtigung brauchen und aufsteigen müssen. Und dann war es eine sehr detaillierte und lange Entwicklung, zu schauen, wie soll das geschehen oder wie soll das physisch aussehen? Am Anfang waren die Stelen noch Festkörper, es waren geschlossene Festkörper, die auch ein bisschen tiefer waren. Aber irgendwann habe ich gesehen, dass es wichtig ist, eine gewisse Höhe zu haben, um diesen Moment auf Augenhöhe zu erzeugen. Und auch die Durchlässigkeit ist besonders wichtig, um eine Sichtbarkeit zu gewährleisten, so dass die Personen dahinter, die Statuen sozusagen, sichtbar sind und sichtbar bleiben.

Und wie hat sich Ihre Beziehung zum Reiterstandbild im Verlauf der Arbeit an der Intervention entwickelt?

Als ich gestartet habe, war das Reiterstandbild als solches sehr, sehr mächtig und dominierend. Aber während des Aufbauprozesses hatten wir diesen Moment, als wir die erste neue Stele errichtet haben, da haben wir gemerkt, dass da so eine Art Energiekörper existiert, dass da ein Kraftfeld arbeitet. Das hat das Ganze wiederum ausgeglichen bzw. sogar noch erhabener gemacht und das Reiterstandbild in seiner Wirkung geschwächt. Ich finde, dass es jetzt ein ausgeglichener Dialog ist, der wirklich existiert und keine Machthegemonie mehr, die nicht durchbrochen werden kann. Jetzt ist es in gewisser Weise ein gleichberechtigter Austausch und eine andere Situation einer Verhandlung.
 

Was für Auswirkungen der Intervention auf die Ausstellung erwarten Sie?

Das ist auf jeden Fall ein Prozess. Ich habe in meiner Vergangenheit schon mehrfach in Museen gearbeitet, auch in einem ethnologischen Museum, wo es immer um die Frage geht, was zeigen wir aus der Kolonialzeit und wie stark wirken eigentlich die Bilder, die damit immer noch behaftet sind und transportiert werden. Was wollen wir an neuen Bildern auch bieten? Deshalb würde ich jetzt in Bezug auf die Ausstellung im Schloss Charlottenburg sagen, dass es erst mal ein interessanter Impuls und aus verschiedenen Gründen auch sehr lohnenswert ist. Insbesondere, weil es so viele Perspektiven und Menschen gibt, die diese Ausstellung bereichert haben, nicht nur als Künstler:innen, sondern auch durch beratende Tätigkeiten. Das ist das wirklich Besondere an der Ausstellung, diese konstante Reflexion, dieses Verhandeln, das ist sehr wichtig und auch sehr innovativ. Aber es muss noch weitergehen und es wird auch weitergehen. Und ja, es sind auf jeden Fall sehr viele lohnende Impulse, die es da zu entdecken gibt.

Wie können wir aus Ihrer Perspektive heute kritisch mit Denkmälern wie dem Reiterstandbild umgehen?

Wir können diese Denkmäler nicht mehr kommentarlos im Raum stehen lassen. Insbesondere wenn ein direkter geschichtlicher Zusammenhang mit der Versklavung von Menschen existiert. Da müssen wir auf jeden Fall neue Denkmäler und auch neue Erzählungen entwickeln. Das ist auch hier ein Beispiel, dass man Narrative fortsetzen kann. Und diese Fortsetzung von Erzählungen ist eine tolle Chance, um nicht das Alte komplett auszuradieren, aber gleichzeitig für Empowerment in der Zukunft zu sorgen.

Nando Nkrumah, wir danken Ihnen für das Gespräch.

 

Schlösser. Preußen. Kolonial.
Biografien und Sammlungen im Fokus
Sonderausstellung
4. Juli – 31. Oktober 2023
Schloss Charlottenburg – Neuer Flügel, Spandauer Damm 10-22, 14059 Berlin
www.spsg.de/kolonial

 

 

 

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