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Die kopflose Schönheit

07. April 2023 Von SPSG

Im Schloss Caputh können Besucher:innen einen aufregenden Fund aus dem Schlosspark bewundern, der bei Erdarbeiten während der Sanierung des Logierhauses entdeckt wurde. Das Sandstein-Fragment zeigt einen kopflosen Frauenkörper in einem antiken Gewand. An dem gut erhaltenen Torso lässt sich eine sehr feine Bearbeitung des Steins beobachten: die zartgliedrigen Finger, der raffinierte Faltenwurf des Gewandes, die detaillierte Darstellung der Schnur oder des Bandknotens sind von außerordentlicher künstlerischer Qualität. Aus welcher Zeit stammt die Statue, wen stellt sie dar und wer hat sie beauftragt? Diese Fragen beschäftigten die Forscher:innen und Restaurator:innen, und über die Untersuchung des Torsos und im Zusammenhang mit der Geschichte des Schlosses Caputh näherten sie sich den Antworten. Gewissheit gibt es nicht.

Von Silke Kiesant, Petra Reichelt und Birgit Morgenroth
 

Die Brandenburgische Kurfürstin Dorothea ließ ab 1671 das kleine Anwesen in Caputh zu einer fürstlichen Sommerresidenz umgestalten. Auf der Gartenseite entstand ein gepflasterter quadratischer Platz, der von einer Mauer und Balustraden begrenzt war. Von hier gelangten die Bewohner:innen über eine Treppe in den barocken Lustgarten. Aus einer Inventar-Liste von 1713 ist bekannt, dass in der Caputher Anlage einst 74 Statuen standen. Lustgarten, Schlossplatz, die Terrassenmauer und die Treppe waren reichlich mit Sandstein-Statuen geschmückt. Frühere archäologischen Untersuchungen brachten leider nur wenige kleine Fragmente zu Tage, und man ging davon aus, dass der Skulpturenbestand zerstört oder entwendet wurde. Im Zuge der Bauarbeiten rund um das Logierhaus wurde eine archäologische Begleitung beauftragt und tatsächlich: Auf der östlichen Seite des Schlosses wurde in einem Leitungsgraben, der zu DDR-Zeiten angelegt wurde, das Sandstein-Fragment gefunden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Torso ein originaler Rest der ehemals reichen Ausstattung ist.
 

Vermutlich ist die Skulptur um 1680/1700 von einem norddeutschen oder flämischen Bildhauer geschaffen worden. Bei der Spurensuche kamen zwei Künstler in die engere Wahl: Der Berliner Hofbildhauer Michael Döbel (1635-1702) war als Bauleiter an verschiedenen kurfürstlichen Schlossbauten beteiligt, während seine Werkstatt u.a. auch die Gartenskulpturen dazu anfertigte. Für den Flamen Gabriel Grupello (1644-1730) spricht der Stil. Seine „Diana“, für den Grafen Lamoral von Thurn und Taxis als Gartenskulptur für dessen Brüsseler Palais angefertigt, zeigt eine ebenso feine Bearbeitung der Oberfläche und erinnert stilistisch an die Caputher Schöne. Grupello hatte bereits eine Marmorstatue des Kurfürsten Friedrich III. (1657-1713) modelliert. Friedrich III. war ein Stiefsohn von Kurfürstin Dorothea und nutzte nach ihrem Tod das Schloss Caputh als Landsitz. Es lässt sich heute nur vermuten, wer hier dargestellt sein sollte. Ein Vergleich mit antiken Statuen legt nahe, es könnte die Blumengöttin Flora sein, ein Motiv, das sich für die Gartengestaltung geradezu aufdrängt.
 

Das Schloss Caputh und der barocke Garten wurden über ein Jahrhundert von den Brandenburger Herrschern liebevoll gepflegt und weiter ausgestaltet. Erst Friedrich der Große interessierte sich nicht mehr für die kleine Residenz, und der Garten wurde für eine Färberei genutzt, später als Obstbaumschule. 1820 wurde das Anwesen an die Familie von Thümen verkauft. Der adelige Hausherr beauftragte den Gartenkünstler Peter Joseph Lenné, den Garten in einen Landschaftspark umzuwandeln. Die Stützmauern der barocken Terrasse wurden abgebrochen und aufgefüllt, so dass eine sanfte und leicht geschwungene Hügellandschaft entstehen konnte. Ob zu diesem Zeitpunkt noch Statuen vorhanden waren, ist unbekannt, es lässt sich nicht rekonstruieren, wann der Torso unter die Erde geriet.
 

Trotz der vermutlich Jahrhunderte währenden Lagerung im Erdreich ist die Statue in einem guten Zustand. Für die Präsentation im Schloss Caputh wurde der Torso von den Steinrestauratoren der Stiftung gereinigt und mit Hilfe eines Edelstahldübels mit einem Sandsteinpostament verbunden. So kann die Skulptur wieder aufrecht stehen und einen Eindruck von der einstigen Aufstellung im Park vermitteln.
 

Dr. Silke Kiesant ist Kustodin für Skulpturen der SPSG,
Petra Reichelt Leiterin des Schlossbereiches Caputh und
Birgit Morgenroth Kommunikationsmanagerin der SPSG.
 

Weitere Informationen zu Schloss & Park Caputh

 

 

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