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Das vergessene Raum-Parfüm des Kaisers

24. März 2023 Von Jörg Kirschstein

Unglaublich aber wahr! Es muss im Jahr 1982 oder 1983 gewesen sein, als eine Mitarbeiterin der Staatlichen Schlösser und Gärten Potsdam-Sanssouci – der Vorgängerinstitution der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg –, im Neuen Palais eine Entdeckung der besonderen Art machte.

 

Wandschrank in dem die Flasche gefunden wurde. Ehemalige Garderobe (Raum 169a), 2023

In einem verschlossenen schmalen Wandschrank, in einem Raum, der zur Garderobe Kaiser Wilhelms II. gehörte, stand völlig unbeachtet über mehr als sieben Jahrzehnte eine braune Glasflasche. „Eau de vie de Lavande Royale Double-Ambrée“ ist auf dem auffälligen Etikett zu lesen. Anscheinend war die Flasche original verschlossen, der Inhalt zu mehr als zwei Dritteln noch vorhanden.

Der besondere Fund aus den frühen 1980er Jahren geriet anschließend wieder in Vergessenheit. Erst in jüngster Zeit, als der Umzug des Depots aus dem Neuen Palais in das neu gebaute Kunstgutdepot bevorstand, ist die Flasche wieder in den Fokus gerückt. Nun war das Interesse erneut geweckt und es stand die Frage im Raum, ob es sich tatsächlich um Parfüm aus der Kaiserzeit handeln könnte?

Eine fachliche Expertise erhielten wir nun von Sandro Welsch, dem Leiter des Europäischen Flakonglasmuseums in Kleintettau (Landkreis Kronach, Bayern). Mit einem freudigen „JA“, bestätigte Herr Welsch unsere Vermutung.

Der Raum, in dem die Flasche gefunden wurde, liegt abseits des offiziellen Besucherrundgangs. Er befindet sich in einem Zwischengeschoss, das nur über die „Düstere Kaisertreppe“, ein ehemaliges Dienstbotentreppenhaus, erreichbar ist. In den 1980er Jahren gehörte dieser Bereich zum Depot der Kunstsammlungen und konnte nur von wenigen Mitarbeitenden betreten werden.
 

Zur Anwendung kam das Parfüm mit dem Duft von frischem Lavendel, wenn Staatsgäste auf Einladung Kaiser Wilhelms II. im Neuen Palais logierten. Bevor Vertreter der europäischen Königshäuser ihre Appartements bezogen, sind die Räume parfümiert worden. Die Gebrauchsanweisung befindet sich auf der Flaschenrückseite. Demnach genügten einige Tropfen, die man mit Wasser vermischt und auf eine „erwärmte Kohlenschaufel“ gab, um die Zimmer zu parfümieren.
 

In den Genuss des Lavendelduftes kamen der belgische König Albert I. und seine Gemahlin Elisabeth, geborene Herzogin in Bayern, als sie im Mai 1910 im Neuen Palais logierten. Das junge Königspaar war auf Einladung Kaiser Wilhelms II. zu einem Antrittsbesuch nach Potsdam gereist. Schlossdiener hatten zuvor die Oberen und die Unteren Roten Kammern parfümiert, in dem das königliche Paar während ihres ersten offiziellen Deutschlandbesuches wohnte. Da die Majestäten in Begleitung von Mitgliedern ihrer Hofstaaten, wie Adjutanten und Hofdamen, reisten und auch diese in mehreren Gästewohnungen des Schlosses untergebracht werden mussten, wurde der Verbrauch von acht Flaschen zu je drei Mark in Rechnung gestellt.

Vielleicht ist im Jahr 1910 aber nur der Inhalt von sieben Flaschen verbraucht worden, so dass ein Flakon, als Zeuge einer längst vergangenen Epoche, auf seine Entdeckung wartete?

 

 

 

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