Im Schloss Cecilienhof können Schüler:innen die Ausstellung zur Potsdamer Konferenz mit der App Actionbound erkunden
»Digga, was war denn jetzt falsch?« Bastian ist genervt. Schon der zweite Versuch, und wieder quäkt der Buzzer-Fail-Sound aus seinem Tablet. Fast-Abiturient Bastian besucht mit seinen Mitschüler:innen aus dem Geschichtsleistungskurs und Lehrerin Katja Schmidt an einem kalten Novembermorgen Schloss Cecilienhof in Potsdam. Gerade ist die Gruppe im Konferenzsaal, dort, wo im Sommer 1945 Weltgeschichte geschrieben wurde: Hier trafen sich nach Kriegsende Vertreter der drei Hauptalliierten des Zweiten Weltkriegs, um über die Zukunft Deutschlands und die Neuordnung Europas zu beraten. Als Potsdamer Konferenz ist dieses Ereignis in die Geschichte eingegangen; die Ergebnisse der Beratungen lassen sich im Potsdamer Abkommen und in der Potsdamer Erklärung nachlesen.
All das wissen die 17 Jugendlichen aus dem Geschichtsunterricht. Aber vor Ort zu sein, ist natürlich eine ganz andere Sache. Ihre Schule, die Leonardo-da-Vinci Gesamtschule, liegt gerade mal eine gute Viertelstunde Fußweg entfernt vom Schloss Cecilienhof. Das von 1913 bis 1917 nach Plänen des Architekten Paul Schultze-Naumburg im englischen Tudor-Stil errichtete Schloss Cecilienhof ist der jüngste und letzte Schlossbau der Hohenzollern. Kaiser Wilhelm II. ließ das Gebäude für seinen ältesten Sohn Kronprinz Wilhelm errichten, der dort mit seiner Frau Cecilie von Preußen residierte.
Darüber haben die Schüler:innen schon einmal etwas erfahren – bei einem Ausflug zum Schloss Cecilienhof in der 10. Klasse: »Das war allerdings eine ganz normale Führung«, erinnert sich Marten. Für heute hat Lehrerin Katja Schmidt ein Actionbound-Spiel gebucht. Das funktioniert wie eine digitale Schnitzeljagd. Zu Beginn verteilen die Schlossführer den Schüler:innen Tablets mit Bändern in drei verschiedenen Farben. Jede Gruppe hat eine Farbe. Die Jugendlichen bekommen bei diesem Actionbound-Spiel einen »Auftrag aus der Zukunft« – so der Titel des interaktiven Spiels: 1000 Jahre nach der Potsdamer Konferenz richten sich Menschen hilfesuchend an die Schüler:innen, um Informationen zu den in Vergessenheit geratenen Verhandlungen zu bekommen. Aufgaben, Quizfragen und Suchspiele, die es zu lösen gilt, helfen den Menschen aus der Zukunft dann dabei, mehr über die Potsdamer Konferenz von 1945 zu erfahren.
Martens Gruppe entschließt sich, nur zwei Tablets angeschaltet zu lassen und die Aufgaben gemeinsam zu lösen. Sina und Finn lesen die Fragen vor. Wenn sie korrekt beantwortet werden, ertönt ein Kassenzeichen, ein Sparschwein mit den gesammelten Punkten erscheint auf dem Bildschirm. Bei falschen Antworten dröhnt der Fail-Buzzer los – so wie bei Bastian, der aber inzwischen die Frage richtig beantwortet hat. Es ging um die Sitzordnung am Konferenztisch.
»Es gibt bei vielen Fragen gar kein richtig oder falsch«, erklärt Bettina Harz. Sie arbeitet als Kulturvermittlerin bei der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg und hat das Konzept mit entwickelt. »Die Jugendlichen sollen die Ausstellung selbstständig entdecken können« sagt Bettina Harz, »die Aufgaben helfen dabei.« Der Anspruch bestehe nicht unbedingt darin, dass die Schüler:innen nach dem Besuch alles über den Zweiten Weltkrieg und dessen Ende wissen. »Wir wollen sie mit dem Spiel auch dazu bringen, verschiedene Sichtweisen auf historische Ereignisse kennenzulernen und miteinander zu diskutieren«, beschreibt die Museumpädagogin die Idee. Wenn sie mit dem Spiel fertig sind, können die Jugendlichen ein Feedback geben. Die Idee scheint anzukommen: 85 Prozent der Teilnehmer:innen fanden das Spiel gut.
Streng genommen richtet sich das Actionbound-Spiel in Schloss Cecillienhof an Schüler:innen von Klasse 7 bis Klasse 10 – für den Potsdamer Geschichts-Leistungskurs sind viele Fragen schnell und leicht beantwortet. Etwa die, bei der gefragt wird, was die Abkürzung UdSSR bedeutet: natürlich nicht wie vorgeschlagen Universum der Sozialistischen Spionagerepubliken oder Union der Sowjetischen Sonnenreiche, sondern Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken. Spaß macht es den jungen Erwachsenen dennoch. »Ich fand es toll, die Räume zu sehen, in denen diese wichtigen Verhandlungen geführt wurden«, sagt eine Teilnehmerin. Und bei manchen Fragen sollen eigene Antworten formuliert werden – zum Beispiel, wenn es darum geht, wie eine Militärparade zu einer Friedenskonferenz passt. „Wenn du Waffen präsentierst, heißt das, dass du Macht hast«, sagt Finn und tippt die Antwort in sein Tablet.
Hat denn das, womit sie sich anderthalb Stunden lang beschäftigt haben, einen Bezug zur Gegenwart? »Ja«, meint Finn, »der Gedanken an den Ukraine-Krieg und dass es danach dann auch Friedensverhandlungen geben muss, das kommt ja nie raus aus dem Kopf.«
Auftrag aus der Zukunft: Krieg oder Frieden?
Der game-basierte Rundgang zur Dauerausstellung im Schloss Cecilienhof als Ort der Potsdamer Konferenz 1945 richtet sich vorwiegend an Schulklassen.
spsg.de/schulangebot-cecilienhof
Info Actionbound:
Actionbound gibt es seit 2012 auf dem App-Markt. Mit einem Editor können sogenannte Edu-Games von jedem entwickelt werden. Die unterschiedlichen Bounds gelten als Lern-Spiele und enthalten Elemente wie Partizipation, Bewegung und Multimedia. Mittels digitaler Schatzsuchen, Quizfragen oder interaktiven Touren werden Einzelpersonen oder Gruppen durch Innen- und Außenräume geführt.
Die SPSG setzt Actionbound seit 2021 für unterschiedliche Erkundungsspiele in ihren Parkanlagen ein.
spsg.de/actionbound
Der Beitrag ist zuerst erschienen in der SANS,SOUCI. 01.2023
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