Manja Liese ist Umweltkoordinatorin der Abteilung Baudenkmalpflege der SPSG
Der Rückbau eines Gebäudes ist in der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten eher eine Seltenheit. Unsere Hauptaufgaben sind der Erhalt der Schlösser und Gärten sowie deren Präsentation. Und trotzdem gibt es ab und zu Gebäude, die weder in die historischen Ensembles passen, noch zeitgeschichtlich Denkmalwert haben und daher abgerissen werden.
Eines dieser Gebäude steht als großer, grauer Kasten im schönen Dorf Paretz neben dem Schloss Paretz. Es stand, denn in diesen Tagen kommt er weg. Das Verlagsgebäude – auch bekannt als der Sutterbau oder das Bürogebäude – hat eine DDR-Vergangenheit. Gebaut wurde das Bürogebäude zwischen 1964 und 1967 als Bürogebäude der VBB Tierzucht Paretz. Es ist vollständig unterkellert und hat Büroräume im Erd- und im 1. Obergeschoss. Die Älteren Dorfbewohner:innen erinnern sich vielleicht noch an den Glasgang zwischen dem Bürogebäude und dem Schloss, welches zur damaligen Zeit auch als Verwaltungsgebäude genutzt wurde. Dieser Gang wurde in den 1990ern zurückgebaut, als das Schloss seine historische Gestalt und Bedeutung wiederbekam. Seit 2016 steht das Gebäude leer.
Um alte Bauunterlagen (Fundamentpläne, Baugrundgutachten etc.) einzusehen, begab ich mich ins Archiv der Stiftung. Dort finden sich nicht nur die gewünschten Bauunterlagen, sondern man stolpert nebenbei auch über andere Unterlagen (Archivunterlagen 7.7/1-67).
Wie nicht allzu verwunderlich, konnten damals in der DDR nicht alle gewünschten Baumaterialen geliefert werden. Mit der Lieferung der geforderten Erfurter Decken (standardisierter Deckentyp in der DDR) gab es Probleme. Diese waren gewünscht, da der Bau in erheblichem Maße von Lehrlingen gebaut werden sollte. Aber auch die Lehrlinge waren anscheinend nicht zu bekommen. Das Bauunternehmen meldet am 25. September 1965 dem VBB Tierzucht, „dass das geplante Bauvorhaben für 1965 wohl materiell gesichert ist, jedoch aus Personalmangel nicht zur Ausführung gelangt.“ Dem Unternehmen fehlten 150 Arbeitskräfte. Und so versuchte man, aus der Haftanstalt Brandenburg Maurer zu bekommen. Leider waren unter den Insassen nicht die gewünschten 30 Maurer, sondern nur 3 Häftlinge mit der Qualifikation als Maurer. Man führte daher auch Rücksprache mit dem Ministerium des Inneren und bat um die Überführung von Maurerhäftlingen aus anderen Haftanstalten nach Brandenburg. Dieser Bitte wurde – soweit aus den Unterlagen ersichtlich – nicht stattgegeben.
Und hier noch ein paar Zahlen aus den Bauunterlagen: Das Gebäude hat eine Grundfläche von ca. 12 mal 47 Meter, somit 564 m². Es sind ca. 6.830 m³ umbauter Raum. Da das Gebäude einen Keller hat, entsteht eine Baugrube mit einem aufzufüllenden Volumen von ca. 1.800 m³. Es gibt im Haus 126 Heizkörper, 151 Fenster, 67 Innentüren und 2 Glas-Eingangstüren in dem Haus, welche getrennt ausgebaut und dann entsorgt werden müssen. Auch ein Safe befand sich in einem der Räume.
Neben der Sichtung der Bauunterlagen musste ein Artenschutzgutachten erstellt werden, denn leider hatten wir es hier mit einer tierischen „Hausbesetzer-Szene“ zu tun. Diese besetzen das Haus schon eine Weile (seit mehreren Generationen) und ließen sich auch nicht von den regelmäßigen Übungen der Polizei vertreiben. Ein Teil der kleinen, flugfähigen „Hausbesetzer“ ist schüchtern und man bekommt sie – wenn überhaupt – nur nachts zu Gesicht. Andere wiederum nutzten den Dachboden zwischenzeitlich als Flugschule. Dazu machen sie noch einiges an Dreck und zahlten keine Miete! Aber ein Teil ist eh nur im Sommer hier und verbringt die kalten Winter im warmen Süden.
Sie haben es wahrscheinlich längst erahnt, die Rede ist von Haussperlingen, Fledermäusen und Mauerseglern.
Die Vögel und Fledermäuse stehen allesamt unter Naturschutz und mit der zuständigen Behörde liefen Verhandlungen, um die Tiere aus dem Gebäude zu bekommen und passende Ersatzquartiere zu stellen. Dabei waren einige Bewohner sehr wählerisch und wollten zum Beispiel nicht auf die Westseite (es könnte ja klamm werden in der „Wohnung für den Nachwuchs“). Manche brauchten einen Sonnenschutz, einige wollten lieber in ihrer Gemeinschaft/Kolonie zusammenbleiben, andere lieber alleine sein oder benötigten ein Quartier mit Ausblick in oberen Etagen.
Aber ich kann Ihnen freudig mitteilen, dass wir mit der Behörde und den Kustoden der Stiftung eine Lösung gefunden haben! Den tierischen „Hausbesetzern“ werden verschiedene Ersatzquartiere angeboten und so können die Haussperlinge und die Fledermäuse im nächsten Frühjahr für ihre Brut die neuen Quartiere am Saalgebäude und an der Remise am Schloss Paretz beziehen. Dabei hat es in kritischen Bereichen eine ökologische Begleitung gegeben, falls die Fledermäuse sich im Gebäude noch paaren wollten, oder dies nur als Zwischenquartier nutzten.
Die Abrissarbeiten am Verlagsgebäude neben dem Schloss Paretz konnten somit losgehen. Rückbau werden die Arbeiten deshalb genannt, weil aus wirtschaftlichen und ökologischen Gesichtspunkten nach und nach alles aus dem Gebäude entfernt und getrennt entsorgt wird. Z.B. werden Heizkörper abmontiert und das Metall verkauft und Schadstoffe vorher rausgenommen, um dann möglichst nur noch Bauschutt zu haben, der recycelt und wiederverwendet werden kann.
Eine archäologische Begleitung wird genau hinschauen, ob es noch frühzeitliche Reste unter dem Gebäude gibt, danach kann die Fläche wieder begrünt werden. Nach der Wiederherstellung des Grottenbergs ist dies ein weiterer Baustein, damit der Schlosspark Paretz seine einstige Attraktivität wieder zurückerhält.
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