Mehrere Hundert Orangenbäume, Lorbeeren, Granatäpfel, Palmen und Agaven zieren im Sommer die preußischen Parks. Gut geschützt überwintern sie in den Orangerien, die von den preußischen Königen zu diesem Zweck errichtet wurden. Eine davon ist die über 300 Meter lange Orangerie im Park Sanssouci, die zwischen 1851 und 1864 erbaut wurde. Es ist kein einfaches Gewächshaus, nein, ein Schloss für die Pflanzen hat König Friedrich Wilhelm IV. entworfen und in Auftrag gegeben. Die Kübelpflanzen stehen im westlichen und östlichen Flügel des Orangerieschlosses, – ein herrschaftliches Winterquartier für die kälteempfindlichen Gewächse. Im Winter können die imposanten Hallen mit einer Führung besichtigt werden. Die erste startet am 19. November 2022.
Orangerien nahmen in der barocken Bau- und Gartenkunst ab dem 17. Jahrhundert eine bedeutende Rolle ein. Sie waren die Winterquartiere für die begehrten Zitrusgewächse aus dem Mittelmeerraum. Die duftenden Blüten und Früchte aus eigener Aufzucht waren Schmuck und Genuss zugleich. Besonders beliebt waren die Früchte der Orangenbäume, denn sie wurden mit den Goldenen Äpfeln der Hesperiden der antiken Mythologie gleichgesetzt, die für Macht und Stärke standen.
Im Park Sanssouci standen im Sommer aber auch Lorbeeren, Myrten oder auch Granatäpfel. Im Winter benötigten diese empfindlichen Pflanzen ein Winterquartier. Dazu dienten unter König Friedrich II. die Neuen Kammern. Mit deren Umbau zu Gästewohnungen errichtete man hölzerne Orangerien, bis mit dem Bau des großen Orangerieschlosses in Sanssouci endlich bessere Bedingungen für die Pflanzenüberwinterung geschaffen wurden.
Die Hallen haben bodenlange Fenster entlang der ganzen Südfront, damit möglichst viel Licht in den Raum gelangt. In den Wintermonaten herrscht dort eine Innentemperatur von 6°– 8°. Damit zählen Orangerien zu den Kalthäusern. Die Pflanzen werden vor Frost geschützt und in eine vegetative Ruhephase versetzt, in der sie weniger Licht, Wasser und Nährstoffe benötigen. Sinkt die Temperatur über einen längeren Zeitraum, wird die Heizanlage aktiviert.
In den Sommermonaten standen die Orangerien leer und waren ein beliebter Ort für Bälle, große Tafeln, Konzerte oder Aufführungen französischer Komödien und italienischer Opern.
Während des Ersten Weltkrieges wurden die Pflanzenhallen der Orangerie Sanssouci als Lazarett genutzt. Auch der Zweite Weltkrieg ging an den Orangeriehallen nicht spurlos vorbei. Die meisten Pflanzen wurden 1945 als Reparationsleistungen in die Sowjetunion verbracht.
Heute stehen in der Osthalle wieder Palmen, Oleander und Zitrusgewächse, wie Orangen, Pomeranzen und Grapefruits. Der Pflanzenbestand der Westhalle besteht hauptsächlich aus Lorbeer. Insgesamt sind es mehr als 1000 Pflanzen. Der Großteil wurde im Verlauf der letzten Jahrzehnte von den Gärtner:innen angezogen. Einige sehr alte und sehr große Pflanzen, unter anderem verschiedene Palmen, sind jedoch erhalten. Der älteste Lorbeer ist etwa 180 Jahre alt. Die größten Palmen sind Phönixpalmen, die etwa 200 Jahre alt sind. Einige der Riesen sind inzwischen so groß, dass es schwierig wird, sie in die Orangerie ein- und auszufahren. Die Decke der Halle ist in einem Teilfeld für die höchsten Pflanzen immerhin 11 m hoch!
Wichtig für den Aufstellungsort der Pflanzen in den Hallen sind die Licht- und Wärmeverhältnisse. Zitruspflanzen benötigen einen hellen und warmen Standort in unmittelbarer Fensternähe, um das Wurzelwachstum zu stärken. Auf der Empore und im nördlichen Bereich der Hallen werden Lorbeerbäumchen, Agapanthus und Oleander platziert, die weniger Licht bedürfen. Die Balustraden im vorderen Bereich der Empore können zum besseren Aufstellen der Pflanzen auf den Emporen herausgehoben werden. Um Staunässe zu vermeiden und um für eine gute Durchlüftung des Kübels zu sorgen, werden die Kübel auf Ziegelsteine gestellt. Wichtig für die Gesundheit der Pflanzen ist das Lüften. Ein bis zwei Fenster sind immer geöffnet, so dass die Luftzirkulation gewährleistet ist. In der Winterzeit wird in regelmäßigen Abständen gewässert. Die Pflanzen an sonnigen und warmen Plätzen müssen wöchentlich, die Pflanzen im nördlichen Bereich der Hallen im zwei-bis dreiwöchigen Rhythmus gegossen werden.
Noch ein Fakt am Rande: Nach circa 10 Jahren muss der Eichenholzkübel gewechselt werden, pro Jahr sind dies durchschnittlich 80 Pflanzen. Die Sanssouci-Kübel werden von Böttchern gefertigt. Sie sind aus einzelnen Dauben zusammengesetzt, die in handwerklicher Küfertradition „abgerichtet“ und verleimt werden. Eichenholz ist ein besonders hartes Holz mit geradem Wuchs und stählerne Fassreifen geben der robusten Gesamtkonstruktion zusätzlichen Halt. Zur Langlebigkeit der Kübel trägt bei, dass die Bottiche von innen ausgebrannt werden, denn so sind sie besser vor Fäulnis geschützt.
Bei der Führung durch die Pflanzenhalle werden nicht nur die Palmen, Lorbeeren und Agaven vorgestellt. Der Weg führt durch den Park, vorbei am Sizilianischen Garten und Nordischen Garten mit seinen gärtnerischen Kunstwerken. Neben dem Pflanzenhallen wird die Architektur des imposanten Schlosses mit seinen Plastiken, Brunnen, Arkaden und Terrassen eine große Rolle spielen.
Sa., 19.11.2022 / 15 Uhr / Potsdam, Park Sanssouci, Orangerieschloss
Sanssoucis Pflanzen im Winterschlaf
Führung durch die Pflanzenhallen und den Heizgang der Orangerie
Treffpunkt: Besucherzentrum Historische Mühle
10 Euro / ermäßigt 8 Euro
Tickets: tickets.spsg.de
barrierefrei (nur in der Pflanzenhalle)
Danke an Nadine Löffler (Schlossassistentin Orangerieschloss) für die Informationen zu den Führungen und den fachlichen Input der Gartenkustodin Kartrin Schröder sowie dem Gartenmeister der Orangerie Tilo Seeger.
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