Drei kolossale Hermenbüsten kehren in den Park Sanssouci zurück.
Seit heute steht die über vier Meter hohe Skulptur „Sommer“ wieder an ihrem angestammten Platz im Rehgarten des Parks Sanssouci, neben der Skulptur „Herbst“. In der nächsten Woche folgen die beiden Büsten „Frühling“ und „Winter“.
Von Silke Kiesant und Roland Will
Die viereinhalb Meter hohen Skulpturen, die die vier Jahreszeiten darstellen, sind sogenannte Hermen, d.h. Kopf und Oberkörper sitzen auf hohen Pfeilerschaften. Der Sommer hat die Gestalt der römischen Göttin Ceres mit Ährenkranz, Frühling ist die Göttin Flora mit Blumen, der Winter ein bärtiger Mann mit Kürbis in der Hand und der Herbst wird vom Gott Faun mit Flöte verkörpert.
Herme in Sanssouci
Hermen bezeichneten ursprünglich Pfeilerschäfte mit aufgesetztem Kopf und Schultern. Sie dienten bereits in der Antike als Wegemarkierung und trugen mitunter das Bildnis des bärtigen Wegegotts Hermes. Seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. bildete man auch andere Götter in dieser Form ab, wobei die Bezeichnung Herme für Kopfbildnisse auf vierkantiger Basis erhalten blieb. Daneben verwendete man diese Porträtköpfe in verkleinerter Form auch als private Kultbilder. In lebens- oder überlebensgroßen Darstellungen dienten sie der Repräsentation.
Markierung am Wegesrand
In der Funktion als Wegemarkierung im Park Sanssouci erwähnt sie Heinrich Ludwig Manger im 2. Band seiner 1789 erschienenen „Baugeschichte von Potsdam“. Er berichtet, dass 1769 zwölf Sandsteinhermen „in verschiedenen Plätzen, die an die krummen Gänge anstießen, zu einem unversehenen Anblick aufgestellet [wurden]“. Es ist nicht nachzuvollziehen, ob sich Manger beim Material irrt oder ob es ursprünglich sowohl sandsteinerne als auch marmorne Hermen gab. Die heute noch erhaltenen fünf Kolossalbüsten bestehen aus Marmor. Dies bestätigen auch die Beschreibungen des Galeriedirektors Matthias Oesterreich aus dem Jahr 1775, wobei dieser nur sechs angibt, diese aber näher beschreibt.
Ein Bacchant mit Trauben und Bocksfell von Jean Chérin, ein Faun mit Flöte (Der Herbst) sowie Ceres/junge Frau mit Ährenkranz im Haar (Der Sommer) von Philipp Gottfried Jenner verortet er „in der Allee à l'Angloise, welche nach dem Antiquitäten=Tempel führet“. Auf der gegenüberliegenden Seite „in der Allee à l'Angloise“, wenn man vom Freundschaftstempel kommt, standen drei weitere Hermen: Flora/junge Frau mit Blumen (Der Frühling), ein bärtiger alter Mann mit Pelzumhang (Der Winter) von Johann Kaplunger sowie eine Bacchantin mit einer Maske von Jean Chérin. Das wahrlich kolossale Maß aller sechs Hermen wird mit 15 Fuß, also etwa 4,65 m angegeben!
In der Gartenpartie um den Antiken- und Freundschaftstempel herum standen die riesigen Büsten auf ihren hohen Pfeilerschäften tatsächlich wie in der Antike als Wegeorientierung an den geschwungenen Wegen. Zugleich konnte man sie bereits aus der Ferne erkennen mit ihren strahlend weißen Carrara-Marmorsockeln. Nähert man sich ihnen, so erzählen die dargestellten mythologischen Figuren von den vier Jahreszeiten sowie den dionysischen Vergnügungen mit Wein, Musik und Spiel.
Die Bacchantin mit der Maske ging wohl schon im 18. Jahrhundert verloren, wie auch einige andere der laut Manger ursprünglich zwölf Hermen. Carl Ludwig Häberlin, genannt Belani, berichtet 1855, dass „im Waldesdunkel anmuthig geschlungener Wege, rechts und links vom Eichenhain“ wieder „einige Colossalhermen“ aus Marmor aufgestellt wurden, die „schon unter Friedrich dem Großen dem Wandernden Überraschung gewährt hatten“.
Von den heute noch vorhandenen fünf Kolossalbüsten stammen nur noch drei von Kaplunger aus dem 18. Jahrhundert: Herbst, Sommer und Frühling. Dagegen wurden „Der Winter“ und „Der Bacchant“ um 1844/45 von Eduard Stützel (1806-1877) kopiert. Das Schicksal der anderen Stücke ist bislang unbekannt. Anzunehmen ist, dass sie aufgrund ihres schlechten Zustandes aus dem Park entfernt wurden.
Ein teures Vergnügen
Der Bildhauer Stützel erhielt seine Ausbildung in der Berliner Akademie der Künste und arbeitete außer in Marmor auch in Holz, Elfenbein und Gips. Für Friedrich Wilhelm IV. führte er zahlreiche Restaurierungen und Kopien antiker Bildwerke durch. In diesem Zusammenhang übertrug man ihm auch die Anfertigung der Kopien der friderizianischen Kolossalhermen. Aus einem Dokument vom Dezember 1843 erfährt man, dass der König Ludwig Persius den mündlichen Befehl erteilte, „drei Hermen (...), die zur Zeit Friedrichs II. im Garten von Sanssouci aufgestellt waren“ wiederherzustellen.
Die Beauftragung an Stützel erfolgte über Persius. Der König nahm bei dessen Anwesenheit auf Schloss Sanssouci das Modell der ersten Herme (Der Winter) in der Werkstatt des Künstlers in Augenschein und äußerte sich „beifällig“ darüber. Die Höhe wurde nun jedoch mit 13 Fuß (ca. 4 Meter) angegeben. Somit ergaben sich erhebliche Kosten von insgesamt 4.200 Talern: 2.700 Taler für Modell und Ausführung sowie 1.500 Taler für den Marmor.
Friedrich Wilhelm IV. bewilligte am 26. Dezember 1843 – vermutlich zähneknirschend – die Zahlung dieser 4.200 Taler, die dem Kronfideikommissfonds entnommen wurde. Eigenhändig fügte der König eine Bemerkung auf demselben Blatt hinzu: „Ich bemerke, daß der Preis exorbitant ist. Ein ganzer neuer „Winter“ in Carara bestellt, würde kaum 400 rt oder höchstens 100 Ld’or kosten – So darf die Sache nicht fortgehen. Ja ist es möglich, so muß auf „diesen Winter“ noch zurückgegangen werden. Wie der rohe Marmor 1500 rt kosten soll, ist mir ganz und gar unbegreiflich, da eine jede, der, an Umfang und Inhalt viel bedeutendere Säulen in Charlottenburg, nur 110 rt gekostet hat!!!!!!!!“
Bislang konnte der Fortgang der Sache für die anderen Hermen in den Akten nicht gefunden werden. Vielleicht aber ist der hohe Preis dafür verantwortlich, dass nur zwei statt der ursprünglich geplanten drei Kopien ausgeführt wurden. Auf jeden Fall sollte man die fünf „Riesen“ genauer ansehen, denn trotz ihrer enormen Ausmaße sind sie außerordentlich fein gearbeitet und mit vielen Details ausgestattet: Der Faun beispielsweise mit seinem verschmitzten Gesichtsausdruck, den großen spitzen Ohren und detailliert gestaltetem Pelz oder der windbewegte wilde Bart des „Winters“. So ist ihre Betrachtung nicht nur aus der Ferne lohnenswert!
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