Vor der Kleinen Orangerie im Schlossgarten Charlottenburg wird nach zweijähriger Pause wieder eine „blühende Ausstellung“ mit historischen Pelargonien – umgangssprachlich auch bekannt als Geranien – zu bewundern sein. Die Gärtner:innen der Stiftung haben die Sammlung des früheren königlichen Hofgärtners Georg Steiner (1774–1834) in vielen Jahren mit viel Sorgfalt wieder zusammengetragen und zeigen zur Blütezeit die schönsten Exemplare.
Die Pelargonie – im Volksmund Geranie genannt – ist einer der ältesten Balkonblumen Deutschlands. Prachtvoll mit einer Vielfalt an Blattformen, Farben und Blüten schmücken sie sowohl die Balkone im bayrischen Alpenvorland als auch die kleinen Refugien der modernen Stadtbewohner:innen. Ursprünglich stammen die farbenfrohen Pflanzen aus Südafrika. Die erste Pelargonie in Europa zeigte 1632 ihre Blüten in einem englischen Garten. Wie sie den Weg nach England fand? Wahrscheinlich über ein Handelsschiff der Britischen Ostindien-Kompanie, das in Kapstadt ankerte. Der deutsche Botaniker Paul Herrmann entdeckte und beschrieb die Pflanze 40 Jahre später an den Hängen des Tafelberges der Stadt. Ein Jahrhundert danach wurden bereits 47 verschiedene Arten für einen botanischen Garten bei London nach England eingeführt.
Die Einwanderin begann ihren Siegeszug über England nach Europa und lebt hier nun unter dem falschen Namen „Geranie“. Das wiederum ist Carl von Linné zu verdanken, einem schwedischen Naturforscher und Arzt des 18. Jahrhunderts, der begeisterter Botaniker war. Er schrieb ein Grundlagenwerk über Pflanzen und gab ihnen zum ersten Mal in der Geschichte wissenschaftliche Namen. Die Pelargonie bezeichnete er fälschlicherweise als Geranium. Richtig ist allerdings: Pelargonien und Geranien sind jeweils eigene Pflanzengattungen, die beide zur Familie der Storchenschnabelgewächse / Geraniaceae gehören.
1804 begeisterte sich auch der Leiter der königlichen Gartenverwaltung Charlottenburg für die neuartige Pflanze. Georg Steiner war der uneheliche Sohn Friedrich Wilhelm II. und hatte, finanziert von seinem Vater, eine Ausbildung in Gartenkunst in Kassel erhalten. Mit erst 27 Jahren wurde er Charlottenburger Hofgärtner. Steiner war ein unermüdlicher Sammler, 1811 besaß er 8.800 Topfgewächse. Er beschaffte zahllose Pflanzen auf eigene Kosten, weil ihm der königliche Etat nicht genügte. Die Pelargoniensammlung machte zwar nur einen kleinen Teil der Charlottenburger Sammlung aus, allerdings war sie mit gesamt 38 Arten und einigen Sorten die am stärksten vertretene Gattung. Steiners Sammlung ging im Verlauf der Jahrhunderte verloren. Erst ein Vortrag des Gartenhistorikers Clemens Alexander Wimmer im Oktober 2003 ließ die Erinnerung daran wiederaufleben und es entstand die Idee, die historischen Pelargonienarten für den Schlossgarten Charlottenburg wieder zusammen zu tragen. Steiners Liste war vorhanden, die Charlottenburger Gartenmeister:innen machten sich auf die Suche nach den Pflanzen. Die ersten Arten stammten aus dem ursprünglichen Fundus von Clemens Alexander Wimmer und wurden in der Nachbarschaft, im Botanischen Garten Berlin-Dahlem gefunden. Die Sammlung wuchs, doch es fehlten verschiedene, nicht mehr auffindbare Arten. Namensänderungen und verschiedene Bezeichnungen für gleiche Pflanzen erschwerten das Vorhaben. Die Gärtner:innen nahmen Kontakt mit dem Botanischen Garten in Münster auf, dort befindet sich mit 280 Arten die weltweit größte Pelargoniensammlung. Die Kolleg:innen konnten mit Stecklingen und Samen helfen. 28 von 34 bei Steiner aufgeführten Pelargonienarten konnten bis heute gefunden werden, dazu noch einige andere historische Sorten aus der Zeit.
Bis heute werden in Charlottenburg Pelargonien gezogen, ein ganzes Gewächshaus mit 150 qm ist für sie reserviert. Sabine Berninger, die Gartenmeisterin in der Schlossgärtnerei gerät ins Schwärmen, wenn sie von ihren Pelargonien spricht: „Man kann sich vorstellen, wie sie in Südafrika aussehen. Sie stehen bei uns im Tontopf im Sandbett, sie sind genügsam, brauchen wenig Wasser und wenig Erde. Sie passen gut in die neue Zeit, wenn der Klimawandel uns hier andere Wetterbedingungen beschert. Natürlich haben sie nicht so eine üppige Blütenpracht wie die modernen Arten, sie sind dezenter, mit kleineren Blüten, da muss mal etwas näher ranrutschen ans Beet, doch sie sind bewundernswert. Etwas für Liebhaber.“
Die schönsten Exemplare haben die Charlottenburger Gärtner:innen für die Ausstellung ausgewählt. Da gibt es kriechende Arten, einige haben Knollen, andere sehen aus wie Kakteen, alle haben ihre eigene Wuchsform. Ein großer Teil der Blumen sind die Mutterpflanzen aus den Jahren 2004 bis 2006, immer noch kräftig und zwischen Februar und Juni in voller Blüte stehend. Sie leben immer noch auf der anderen Seite der Weltkugel, im südafrikanischen Sommer, deshalb blühen sie bei uns im Frühling. Die Gärtner:innen vermehren die Mutterpflanzen über Stecklinge und Ableger, manchmal über Samen. Doch wenn die Biene vorher auf einer anderen Pelargonie war, so Sabine Berninger, kann aus dem Samen eine neue Kreuzung entstehen – abweichend und anders als die Elternpflanzen aussehen. Deshalb setzen die Charlottenburger auf Ableger – vegetative Stecklingsvermehrung genannt – und stellen diese allen zur Verfügung, die etwas Besonderes wollen.
Jedes Jahr pilgern Pelargonienfans nach Charlottenburg, um die seltenen Pflanzen zu sehen und einzelne Ableger und Setzlinge gegen eine Spende mit nach Hause zu nehmen. Eine ausführliche Fachberatung für historische Pelargonien gibt es obendrein.
Veranstaltungstipp:
Blüten und Düfte der Pelargonien
Präsentation historischer Pelargonienarten
23. und 24. April 2022, 11 bis 16 Uhr
Schlossgarten Charlottenburg, vor der Kleinen Orangerie
Spandauer Damm 10-22, 14059 Berlin
Eintritt frei
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