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Ridolfo Schadow zum 200. Todestag

28. Januar 2022 Von SPSG

Er war ein aufgehender Stern am Bildhauerhimmel, wurde aber nicht einmal 36 Jahre alt: Ridolfo Schadow starb am 31. Januar vor 200 Jahren. Die Skulpturenkustodin der SPSG Dr. Silke Kiesant zeichnet den kurzen Lebensweg des begabten Künstlers nach und gibt uns Einblicke in die geplante Präsentation einer besonderen Aufstellung.

Am 23. Januar 1822 besuchte der in Rom tätige Bildhauer Ridolfo Schadow einen Ball, auf dem er sich erkältete. Obwohl ihn heftige Brustschmerzen plagten, ritt er tags darauf pflichtbewusst noch einmal mit seinem Pferd aus, da es vorher lange im Stall gestanden hatte. Sein Gesundheitszustand verschlimmerte sich in der Folge drastisch. Schon am 31. Januar erlag er einer Lungenentzündung, noch nicht 36 Jahre alt. Die Künstlerschaft in Rom, aber auch im heimatlichen Berlin, war tief bestürzt. Denn Ridolfo Schadow galt damals als aufgehender Stern am Bildhauerhimmel. Seine Werke fanden Käufer in Preußen, Bayern, Italien, England, Irland und Russland.

Als ältester Sohn des berühmten Hofbildhauers und Direktors der Königlichen Akademie der Künste Johann Gottfried Schadow (1764-1850) wurde Carolus Zenon Ridolphus (Ridolfo) am 9. Juli 1786 in Rom geboren. Seine Eltern hatten dort geheiratet, und Johann Gottfried Schadow betrieb in der Ewigen Stadt künstlerische Studien.

Wenig später kehrte die Familie nach Berlin zurück. Ridolfo lernte im Atelier des Vaters das Zeichnen und die Bildhauerkunst und unterstützte ihn schon früh bei wichtigen Aufträgen. So gilt das Grabmal des Prinzen Ferdinand von Preußen (1804-1806), Sohn von König Friedrich Wilhelms III. und Königin Luise, als Gemeinschaftswerk der beiden Schadows. Es befindet sich in der Kapelle von Schloss Charlottenburg.

Die Sehnsucht nach seiner Geburtsstadt zog Ridolfo nach Rom, wo viele junge Künstler einen Teil ihrer Ausbildung absolvierten. Gemeinsam mit seinem zwei Jahre jüngeren Bruder, dem Maler Wilhelm Schadow (1788- 1862), brach er im Herbst 1810 auf. Genau elf Jahre vor Ridolfos Tod, am 31. Januar 1811, sahen die beiden zum ersten Mal aus ihrer Reisekutsche die Kuppel des Petersdoms. Wilhelm beschrieb die Begeisterung bei diesem Anblick und auch einen denkwürdigen Schwur in seinen Jugenderinnerungen: „Hier gaben wir uns das Wort, lieber tot in Rom zu bleiben, als ruhmlos in unsere Vaterstadt zurückzukehren.“

Mit Empfehlungsschreiben des Vaters ausgestattet, öffneten sich in den römischen Künstlerkreisen viele Türen: So machte Ridolfo Bekanntschaft mit dem italienischen Bildhauer Antonio Canova (1757-1822), mit dem sein Vater in regem Briefverkehr stand. Vor allem aber übte der dänische Bildhauer Bertel Thorvaldsen (1770-1844) mit seinen streng an der Antike orientierten Skulpturen einen großen Einfluss auf ihn aus. Mit Thorvaldsen, aber auch mit anderen Künstlern, wie den Malern Wilhelm Wach (1787-1845) und Adolf Senff (1785-1863) lebte Ridolfo Tür an der Tür in der Casa Buti. Dieses Haus, geführt von der Familie Buti und unweit der Spanischen Treppe gelegen, diente damals als eine Art Künstlerpension. Ebenfalls fußläufig zu erreichen war das Atelier, das Ridolfo von dem nach Berlin zurückgerufenen Bildhauer Christian Daniel Rauch (1777-1857), einem Schüler seines Vaters, übernahm.

Mit wenigen Unterbrechungen lebte der junge Bildhauer nun ausschließlich in Rom. Interessiert an der Antike und ihren Kunstwerken schrieb er dem Vater von Ausgrabungen in einer Villa bei Tivoli oder auf dem Forum Romanum, wobei dort „nichts schönes Statuarisches gefunden (wird), wahrscheinlich weil das Forum schon öfter umgewühlt worden.“ Langsam tastete sich Ridolfo an die Motive und Themen seiner Marmorwerke heran. Er sah die Werke Thorvaldsens direkt nebenan entstehen, studierte in den Museen auf dem Kapitol und im Vatikan, aber auch das alltägliche Leben seiner Umgebung. Kurz nach seiner Ankunft entstand in Rom bezeichnenderweise die Figur des Paris (1811), jenes trojanischen Königssohns, der im Auftrag von Göttervater Zeus die Entscheidung darüber fällen sollte, wer unter den Göttinnen Hera, Athena und Aphrodite die Schönste sei. Schon ein Jahr später war der heute verschollene Gipsabguss auf der Berliner Akademie-Ausstellung zu sehen. Johann Gottfried Schadow veranlasste mit Billigung Ridolfos 1819/20 den ersten von Mathias Léquine (Lebensdaten unbekannt) gefertigten und von Louis Coué (1784-1840) ziselierten Bronzeguss, der 1820 in der Akademie in Berlin ausgestellt wurde. Den zweiten Bronzeguss von 1826 erwarb der spätere König Friedrich Wilhelm IV. noch als Kronprinz. Er steht noch heute auf der Terrasse von Schloss Charlottenhof im Park Sanssouci.

1816 ernannte die Berliner Akademie Ridolfo zum Ordentlichen Mitglied, sicher nicht ohne Zutun von Johann Gottfried Schadow. Der Sohn nutzte die regen Verbindungen, die sein Vater als Direktor der Akademie der Künste besaß, um seine Werke auch in Berlin zu verkaufen. Johann Gottfried Schadow veranstaltete in seinen Atelierräumen kleine Ausstellungen und lud Interessierte und Kauflustige ein, darunter auch Angehörige der preußischen Königsfamilie. Ridolfo nahm mit Freude zur Kenntnis, dass seine Skulpturen auch in der Heimat wohlwollend aufgenommen und sogar vom König angekauft wurden. Teilweise auf Bestellung, teilweise ohne Auftrag entstanden in Ridolfos römischem Atelier unter Mithilfe von Angestellten zahlreiche Marmorskulpturen, darunter Büsten, Grabmale, Reliefs, Einzelfiguren und Gruppen.

Einem seiner Ensembles ist ab 28. Mai bis 31. Dezember 2022 eine Sonderpräsentation im Vestibül des Neuen Flügels im Schloss Charlottenburg gewidmet: Unter dem Titel Das Urteil des Amor werden vier Marmorstatuen betrachtet, deren Zusammenspiel der Künstler von Anfang an im Sinn hatte: Die Sandalenbinderin, die Spinnerin und das Mädchen mit Tauben (Die Unschuld) stehen der Darstellung des Liebesgottes gegenüber. Jedes der Mädchen ist in eine alltäglich scheinende Haltung vertieft, keines bemerkt, wie aufmerksam Amor sie betrachtet. Die drei Mädchenfiguren und der Amor wurden von König Friedrich Wilhelm III. jeweils einzeln angekauft. Ob dem König der Gedanke Schadows bewusst war, alle vier Skulpturen in Beziehung zueinander aufzustellen, ist nicht gewiss. Drei von ihnen wurden im Königlichen Palais platziert, die vierte Figur (Die Unschuld) blieb im Berliner Schloss. Erst jetzt, im Jahr seines 200. Todestages, wird Ridolfo Schadows ursprüngliche Idee der gemeinsamen Präsentation erstmals umgesetzt.

In seiner Hand hält Amor einen Blumenkranz, bereit – wie Paris –, die Schönste unter ihnen zu küren. Jede einzelne Statue erzählt von den Anregungen, die dem Bildhauer vor Augen gestanden haben: Seien es antike Vorbilder, Werke seiner Künstlerkollegen oder eben die Schwestern Buti. Mit der ältesten, Elena (1797-1883), soll Ridolfo verlobt gewesen sein. Sie begleitete ihn auch in seinen letzten Stunden am Totenbett.

Wer mehr über Ridolfo Schadows Werke erfahren will, kann ab Mai 2022 ein neues Themenportal bei museum-digital besuchen. Während der Sonderpräsentation wird es hier auf der Website der SPSG vertiefende Informationen zu Ridolfos Gruppe und seinem Leben in Rom geben.

 

Ridolfo Schadow. Das Urteil des Amor
Sonderpräsentation zum 200. Todestag Ridolfo Schadows
28. Mai bis 31. Dezember 2022
Schloss Charlottenburg, Berlin
Neuer Flügel, Vestibül

 

 

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