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In Nachbars Garten – eine neues Projekt im Park Sanssouci/Bereich Charlottenhof

23. August 2021 Von Birgit Morgenroth

Ein Interview mit Schlossassistentin Bianca Merz und Parkrevierleiter Ralf Kreutz

Die Zahl der Potsdamer:innen, die den Park Sanssouci genießen und nutzen, nimmt seit Jahren stetig zu. Spaziergänger:innen mit und ohne Hund, Jogger:innen, Tageseltern, Jugendliche verbringen ihre Zeit hier. Zumeist sind es Menschen, die rund um den Park wohnen und Nachbar:innen des Parks sind. Das ist einerseits eine sehr schöne Entwicklung, andererseits bleiben dabei Konflikte leider nicht aus. Hunde ohne Leine, verliebte Paare, die ihre Initialen in den Baum ritzen, leere Pizzaschachteln, die in den Römischen Bädern zurückgelassen werden, Denkmäler, die beschädigt werden, sind leider keine Ausnahmen mehr. Das wird von Mitarbeiter:innen des Parks und auch von vielen Anwohner:innen schockiert wahrgenommen. Was also tun?

Das dachten auch Bianca Merz und ihre Kolleg:innen vom Schlossbereich Charlottenhof. Sie haben eine neue Reihe aus der Taufe gehoben, die um Verständnis wirbt und bei der gleichzeitig der Dialog mit den Nachbar:innen gesucht wird: „In Nachbars Garten“

Frau Merz, was genau ist „In Nachbars Garten“ und welche Idee steht dahinter?

Hinter der Pflege und Bewahrung des Welterbe-Parks und seiner Denkmäler stecken Menschen, die sich mit sehr viel Herzblut um alles kümmern und mitunter das Gefühl bekommen, dass ihre tägliche Arbeit bisweilen mit Füßen getreten wird. Gleichzeitig haben unsere Besucher:innen oftmals das Gefühl, dass noch mehr getan werden müsste, aber auch, dass „Die Stiftung“ zu wenig die Besucherbedürfnisse im Blick hat. Wir wollen daher den Nachbar:innen die Möglichkeit geben, die Gesichter zu sehen, die für diesen Park sprechen. Wir wollen mit den Anwohner:innen ins Gespräch zu kommen, ihnen erklären, was wir tun und warum wir es tun. Einen Blick hinter die Kulissen der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten werfen. Keine Parkordnung erklären, sondern um Verständnis für die Bedürfnisse des Parks, der Vegetation und der Kunstwerke von Weltruhm werben. Gleichzeitig möchten wir von den Besucher:innen erfahren, was ihre Bedürfnisse sind, wie sie sich einen welterbeverträglichen Umgang mit dem Park vorstellen können. Dazu gibt es verschiedene Veranstaltungen an schönen Orten mit Expert:innen und Zeit für Begegnungen.

Herr Kreutz, Sie haben sofort zugesagt, als das Anliegen an Sie herangetragen wurde. Was erwartet denn die Besucher:innen In Nachbars Garten bei Ihnen?

Es sind gemeinsame Spaziergänge und ich erzähle Historisches und ganz viel Alltägliches aus unserer Arbeit, wie man zum Beispiel diesen historischen Rosengarten pflegt. Wie pflanzen wir die Rosen, wie schneiden wir sie, warum sind sie jetzt alle aus der Zeit von vor 1880? Das interessiert die Menschen bei einer Führung auch besonders. Das greift ineinander, die Geschichte des Gartens und das, was wir heute im Park machen. Ich stehe ja exemplarisch für das Parkrevier I und die 15-20 Menschen, die hier gärtnern.

Herr Kreutz, es sollen auch die Probleme angesprochen werden, die auf den Park zugekommen sind, neben dem Müll ist das ja auch der Klimawandel und die damit entstandene Trockenheit.

Es fällt den Menschen, die sich nicht jeden Tag damit beschäftigen, nicht auf, dass die Baumkronen viel schütterer geworden sind, die Bäume viel Totholz ausgebildet haben. Und wir stellen die Sprenger nicht auf, um Wasserspiele für Kinder und Hunde zu veranstalten, so schön es sein mag. Nein, wir sind am Limit. Wir versuchen den Park trotz dieser heftigen Trockenheitsphasen zu erhalten. Die Vegetation leidet und wir wollen zeigen, wie wir versuchen, dagegen zu steuern. Noch vor wenigen Jahren haben wir unsere Gehölze komplett aus der Baumschule bezogen. Inzwischen greifen wir verstärkt auf unseren eigenen Jung- oder Wildaufwuchs zurück. Aktuell werden wir in diesem Herbst erstmals Bäume aussäen, in diesem Fall Eichen. Wir werden u. a. eine Kooperation mit einer Kita starten. Bei einem Projekt werden wir mit den Hortkindern Eicheln sammeln, Töpfe und Erde bereitstellen und mit ihnen die Eicheln aussäen. Diese werden sie dann in der Kita anziehen. In ein bis zwei Jahren werden die Kinder sie dann im Park auspflanzen. Bei einem weiteren Thema wird es um die Auswirkungen der Klimaveränderungen auf die Parkvegetation gehen. Ich werde u. a. auf den Sommerbruch oder Astbruch bei Altbäumen eingehen. Bei extremer Trockenheit werfen die Bäume Starkäste ab. Sie schaffen es nicht mehr, ausreichend Wasser zu ziehen, um die komplette Krone zu versorgen. Dann werfen Altbäume, insbesondere Eichen, eben mal einen riesigen Ast ab. Das passiert oft in der Mittagshitze zwischen 12 und 14 Uhr und ohne Vorwarnung. Es kann gefährlich werden! Ich denke, es ist grundsätzlich wichtig, ein Bewusstsein für die Klimaveränderungen zu schaffen.  

Frau Merz: Unsere Spaziergänge sind dabei eine gute Gelegenheit, unsere Besucher:innen genau auf diese Gefahr durch Astbruch hinzuweisen und sie dafür zu sensibilisieren, dass ein Sitzen auf der Wiese unter den schattenspendenden Bäumen gefährlich werden kann. Darüber hinaus sind auch unsere Wiesen mit ihrer Artenvielfalt besonders schützenswert und das Sitzen und Durchstreifen dieser einmaligen Biotope wird in der Masse leider zum Problem.

Herr Kreutz, warum findet die Reihe im Park Charlottenhof statt?

Es ist ein Parkbereich der anders ist als rund um das Schloss Sanssouci, das sind vor allem touristisch besuchte Orte. Im Park Charlottenhof waren schon immer vor allem Anwohner:innen und der Parkteil war ruhiger. Hierher haben sich etwas weniger Touristen verirrt. Aber durch die Corona-Zeit hat sich vieles verändert! Es gab einen unglaublichen Druck auf den Park, viele Einrichtungen oder städtische Freianlagen und Spielplätze hatten geschlossen oder waren gesperrt, beispielsweise der Volkspark und die zentralen Stadtplätze. Die Parkanlagen der SPSG wurden offengehalten. Das war für viele Menschen ein Glücksfall, für alle, die mit der Pflege der Parkanlagen beschäftigt sind, eine enorme Herausforderung. Die Menschen haben entgegen der Parkordnung in den Anlagen auf den Wiesen gepicknickt, Fußball gespielt, Hunde toben und Kinder auf Bäume klettern lassen und leider auch große Mengen Müll hinterlassen. Der denkmalpflegerische wie auch naturschutzfachliche Aspekt, der für diese Anlagen wichtig, bedeutend und ein Alleinstellungsmerkmal ist, ist dabei auf der Strecke geblieben! Sorgen bereitet uns auch der zunehmende Vandalismus – verschmierte und zerstörte Bänke, Graffitis usw.

Frau Merz, welche Formate sind geplant und was wird noch kommen?

Zunächst gibt es ja die Veranstaltungen mit verschiedenen Expert:innen, unter anderem zu den Themen Klimawandel, Nachhaltigkeit, Denkmalerhalt, Vandalismus. In diesem Jahr mit dabei sind Herr Kreutz, Frau Zeymer, die Projektleiterin der Sanierung der Römischen Bäder, und Herr Dorst, der Architekturkustos, der unter anderem für die aufwändige Wiederherstellung der Wasserspiele von Charlottenhof verantwortlich zeichnete. Diese Spaziergänge sind als dialogische Führungen geplant – wir wollen ins Gespräch kommen und diskutieren, wie der Spagat zwischen Nutzung, Bewahrung und Pflege gelingen kann. Wir haben mit unseren direkten Nachbar:innen, wie dem Lottenhof und dem Stadtteilnetzwerk West, bereits guten Kontakt, wünschen uns noch mehr Austausch und wollen dies künftig gar nicht zwingend auf diesen Parkbereich beschränken. Jede*r Nachbar:in kann teilnehmen und sich einbringen. Jeder ist herzlich willkommen. Wir halten diese Gruppen recht klein, um einen echten Dialog zu ermöglichen, dafür ist lediglich eine Anmeldung per Telefon oder E-Mail für die Veranstaltungen nötig.

Wir haben den Wunsch, dass die Reihe „In Nachbars Garten“ weitergeht, in eine Art von Plattform mündet. Mit Fragen wie: Wie können wir gemeinsam diesen einmaligen Naturraum retten, diese wunderbare Gartenschöpfung erhalten und weiterhin unverfälscht erleben? Was wünschen Sie sich im Park und für diesen besonderen Garten in Ihrer direkten Nachbarschaft?

Und es gibt weitere Formate, die den lokalen Austausch fördern: An ausgewählten Orten wie dem Rosengarten, der Terrasse am Maschinenteich, dem Tiroler Berg, dem Hippodrom und andernorts sind Potsdamer Kulturinstitutionen eingeladen, im Rahmen einer künstlerischen Probe zu musizieren, zu rezitieren und mit den Parkbesucher:innen in Kontakt zu kommen. In diesem Jahr machen der MitMachMusik e. V. – ein Weg zur Integration, die Musikschule Bertheau & Morgenstern und das SeniorentheaterDie Vielfältigen den Anfang. Auf diese Idee sind wir gekommen, da es während der Pandemie für Künstler:innen sehr schwierig geworden ist, geeignete Probenorte zu finden, die alle Hygienebedingungen erfüllen. Außerdem war es lange Zeit kaum möglich, während des Lockdowns auf das eigene Kulturprojekt aufmerksam zu machen. Wir sind also auf lokale Institutionen zugetreten, haben mit ihnen abgestimmt, an welchen Orten und Tagen eine coronakonforme und welterbeverträgliche Probe in enger Abstimmung mit der SPSG möglich ist. Hierfür haben wir uns mit der Abteilung Gärten und dem Bereich Sicherheit und Ordnung innerhalb der Abteilung Baudenkmalpflege und Liegenschaften der SPSG abgestimmt, zumal wir die Parkordnung mit viel Umsicht und Sensibilität im Blick behalten müssen, die aus vielfältigen Gründen grundsätzlich das Musizieren im Park ausschließt. Gemeinsam haben wir einen guten Weg gefunden und wir freuen uns sehr darüber, dass unsere Kulturakteure sofort von der Idee begeistert waren, die Abstimmung für das Gelingen der Proben intern und extern so wunderbar klappte. Wir können es kaum erwarten, unsere Besucher:innen bei ihrem spontanen Spaziergang im Parkbereich zusätzlich mit kulturellen Proben zu überraschen und freuen uns, dass unsere tollen, lokalen Kooperationspartner so auf ihre wertvolle Kulturarbeit aufmerksam machen können. Wir schauen nun einmal wie gut das klappt und angenommen wird und ob dieses Format mit weiteren Kulturakteuren weitergeführt werden kann. Es ist ein startendes Projekt mit Ambitionen…

Vielen Dank für das Interview! Wir wünschen uns alle, dass es gelingt!

Neuigkeiten zum Projekt und dem bisher geplanten Programm gibt es unter www.spsg.de/innachbarsgarten

 

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