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Das zweite Wunder von Paretz

05. April 2021 Von Ortrun Egelkraut

Zum 20-jährigen Jubiläum des Schlossmuseums erhält der Schlossgarten seinen malerischen Höhepunkt zurück

Ein künstlich aufgeschütteter Hügel, darunter eine mit Natursteinen verblendete Grotte, bekrönt von einem »Japanischen Haus« mit farbenfroher Bemalung und bunten Glasfenstern: Die Gartenarchitektur, 1797/1798 für den Sommersitz von König Friedrich Wilhelm III. und Königin Luise errichtet, war künstlerischer Höhepunkt im Schlossgarten Paretz. Ein von  ntiken Ruinen inspirierter, scheinbar versunkener Tempel am südwestlichen Hang des Grottenbergs vervollständigte das Ensemble. Eine Inschrift im Giebel des Tempels mahnte: »Gedenke der Abgeschiedenen«. Von hier führten Stufen hinauf auf die Aussichtsplattform: vom Dunkel zum Licht, von der Trauer zum freudigen Ausblick auf die weite Feld- und Wiesenlandschaft.

In Abbildungen und Textquellen ist das Aussehen dieser bedeutungsvollen Gartenstaffage im sentimentalen Landschaftsgarten des 18. Jahrhunderts bestens dokumentiert. Von baulichen Überresten gab es jedoch kaum Spuren. Nach 1945 verfiel die Anlage, 1962 wurden die Reste abgetragen, zerstört, zugeschüttet. Bei geophysikalischen Untersuchungen zur Bodenerkundung zwischen 2008 und 2011 konnten Strukturen unter dem Grottenberg nachgewiesen werden, die auf die ursprünglichen Staffagebauten hinwiesen.

Der engagierte Verein Historisches Paretz, der sich seit nunmehr 31 Jahren um die Bewahrung und Wiederherstellung des historischen Ortsbildes von Paretz verdient macht, drängte auf archäologische Erkundungen mit dem Ziel des Wiederaufbaus. 2013 war es so weit: Was bei Grabungen in nur zwei Monaten zum Vorschein kam, übertraf alle Hoffnungen und Erwartungen. Die Sandsteinfront der Tempelruine war praktisch komplett verkippt und nur teilweise in Fragmente gebrochen. Die Architekturteile konnten fast vollständig geborgen werden. Die tragenden Säulen standen noch an historischer Stelle. Von der Grotte waren alle drei rückseitigen Außenmauern bis zum Ansatz des Tonnengewölbes in 2,50 Metern Höhe erhalten. Im Schuttmaterial gaben unter anderem Reste der bauzeitlichen Holzverkleidung und Teile des daran angebrachten Schmucks aus Muscheln Aufschluss über die ursprüngliche Dekoration. Vom Japanischen Pavillon wurden lediglich Reste des Fußbodenbelags einer späten Reparaturphase gesichert.

Diese »glücklichen Umstände«, die originalen Funde und neue Erkenntnisse neben längst bekanntem Archivmaterial gaben den Ausschlag: »Das war der Punkt, an dem die Wiedererrichtung nicht mehr aufzuhalten war.« Dr. Detlef Fuchs, bis 2018 als Kustos für Architektur und Denkmalpflege bei der SPSG unter anderem für die Märkischen Schlösser verantwortlich, entwickelte ein detailliertes Konzept. Es folgten
die Sicherung der freigelegten Baudenkmäler und die Suche nach Unterstützern, denn weder der Verein Historisches Paretz noch die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) konnten das Projekt finanzieren. Der damalige Generaldirektor der SPSG, Hartmut Dorgerloh, wandte sich an Hermann-Hinrich Reemtsma (1935 – 2020), dessen Stiftung bereits zahlreiche Projekte der SPSG gefördert hatte. Die  Freunde der Preußischen Schlösser und Gärten zeigten ebenfalls sofort ihre Spendenbereitschaft. Auch die Kulturstiftung der Freunde der Preußischen Schlösser und Gärten sowie die Rudolf-August Oetker-Stiftung trugen ihren Teil zur Wiedergewinnung der romantischen  Gartenstaffage bei.

Zwischen 2018 und 2020 wurden Tempel und Grotte mit vorhandenem Material und zahlreichen Ergänzungen des Natursteins, aber auch des neu gemauerten Gewölbes denkmalgerecht aufgebaut. Zwischen den Bauwerken wurden Stufen ergänzt und Wege angelegt, Erde aufgeschüttet, Unmengen von Steinen in allen Größen und Formen aufgeschichtet, eingemauert, mit Edelstahlstäben verankert – für eine natürlich wirkende Felslandschaft auf märkischem Sand. Abschließend wurde das gärtnerische Umfeld nach historischen Ansichten
und Befunden gestaltet. Sogar der kleine Teich, eine Erweiterung des Kettengrabens unterhalb der Aussichtplattform, wurde wiederhergestellt.

Dr. Detlef Fuchs beobachtete bei allen Beteiligten eine wachsende Begeisterung, »eine emotionale Sogwirkung«. Er vergleicht die Freude über die wiedergewonnene Schönheit mit der Euphorie bei der Eröffnung des Schlossmuseums Paretz vor 20 Jahren: »Ohne die erhaltenen legendären Paretzer Papiertapeten und die großzügige Spende für deren Restaurierung durch die Cornelsen Kulturstiftung würde es das Schloss
in seiner heutigen Form nicht mehr geben. Unsere Ausgrabungsfunde, die darauf folgende finanzielle Unterstützung und das leidenschaftliche Engagement aller Ausführenden vor Ort bewirkten so etwas wie das zweite Wunder von Paretz.«

Evelyn Friedrich, Schlossbereichsleiterin in Paretz, stimmt dem zu: »Die Gartenanlage markiert einen neuen Ortszugang und ist noch viel eindrucksvoller als gedacht.«

 

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