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Einritzungen in Buchen als Spiegel der Weltgeschichte

03. Februar 2021 Von Bettina Harz

Vom Mauerbau bis zur Wiedervereinigung: Die SPSG sucht nach Erinnerungen und Zeitzeugnissen

Um Lücken in der Aufarbeitung zu schließen, sucht die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg nach Erinnerungen und Zeitzeugnissen vom Mauerbau bis zur Wiedervereinigung.

Bettina Harz ist Mitarbeiterin im Referat Bildung und Teilhabe

Erinnerungen, die vernarbten: 1989 und 2020 Einschnitte in den Buchen am Ufer des Parks Babelsberg
Buchen mit Einritzungen oberhalb des Uferwegs im Park Babelsberg, 1989, im Hintergrund Maschinenhaus und Glienoicker Brücke

Wer genau hinsieht, erkennt es: Die Buchen oberhalb des Uferweges im Park Babelsberg tragen starke Narben und tiefe Schnitte in ihren Rinden. Diese von Menschen geschaffenen Verewigungen reichen vom Jahr 1945 bis in die Gegenwart. Manche von ihnen sind tief in das unter der Rinde liegende Kambium eingeritzt und hätten auch das Todesurteil des Baumes bedeuten können. Die Buchen haben mit Überwallungen der Ritzungen reagiert und auf diese Weise auch Zeitzeichen konserviert: kunstvoll geschnitzte Worte sowie Initialen, russische Schriftzeichen oder kryptische Buchstaben und Ziffern.
 

Buchen mit Einritzungen oberhalb des Uferwegs im Park Babelsberg, 2020

Auffällig ist das immer wiederkehrende Kürzel „EK“, das meist zwischen den 1970er bis 1980er Jahren in die Bäume geschnitten wurde. Das außergewöhnliche an der Sache ist, dass in dieser Zeitspanne Teile des Parks Babelsberg und so auch diese Buchen zum Sperrgebiet der innerdeutschen Grenze gehörten. Es konnten nur Personen diese Schriftzüge in den Bäumen hinterlassen, die Zugang zum Sicherheitsstreifen der Grenzanlage hatten. Dies spricht dafür, dass es sich bei „EK“ um die Abkürzung des Begriffs „Entlassungskandidat“ handelt. Als Entlassungskandidaten wurden Soldaten im Grundwehrdienst oder Unteroffiziere auf Zeit der Nationalen Volksarmee (NVA) bezeichnet, deren Dienst im ablaufenden Halbjahr beendet war. Die massiven Ritzungen in den Bäumen können daher als Zeichen der Freude gedeutet werden, dass die oftmals beschwerliche Dienstzeit in der Armee dem Ende nah war. Gleichzeitig könnten sie auch für gewisse Privilegien bzw. NVA-interne Machtpositionen stehen, die einige EKs innehatten. Auch wenn wir wenig bis gar nichts über die Urheber und Gründe dieser Einritzungen wissen, sind es doch Zeitzeugnisse der deutsch-deutschen Grenze sowie des Kalten Krieges. Erinnerungen, die vernarben, solange die Buchen im Park Babelsberg lebendig sein werden.

Nicht nur im Park Babelsberg finden sich Spuren von jüngster Zeitgeschichte, die in vielen Punkten noch wenig erforscht ist. Besonders die preußischen Schlösser und Gärten rund um die Glienicker Brücke sind auf einzigartige Weise Spiegel der Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Neben den weltgeschichtlichen Verwicklungen sind diese Anlagen vor allem jedoch Schauplätze von ganz persönlicher Alltagsgeschichte, individuellen Lebenswegen sowie vielschichtiger Erfahrungen. Sie sind Speicher von Erlebnissen unterschiedlichster Menschen, die lebten, liebten, hofften aber auch zweifelten und Auswege suchten. All diese biografischen Erinnerungen möchte die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg in ihrer Vielfältigkeit gern sammeln, bewahren und vermitteln. Hierfür benötigen wir Ihre Unterstützung!

Erzählen Sie uns Ihre Geschichte(n) und Erlebnisse aus den Jahren 1961–1990, die Sie mit den Schlössern und Gärten rund um die Glienicker Brücke verbinden. Gesucht werden Erinnerungen, Bilder, persönliche Eindrücke aus Ost und West. Machen Sie mit uns gemeinsam Zeitgeschichte lebendig. Geplant sind u.a. Veranstaltungen in den Schlössern Babelsberg und Glienicke, die Zeitzeugnisse präsentieren und zum gemeinsamen Austausch einladen. Wir freuen uns über Ihre Unterstützung! Selbstverständlich werden Beiträge nur mit Ihrem Einverständnis veröffentlicht.

Schreiben Sie uns gern:

Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg
SPSG-Zeitgeschichte
Postfach 60 14 62
zeitgeschichte(at)spsg.de
Tel.: 0331.96 94-249 (montags bis freitags 9–17 Uhr)

 

Überreste eines Postentelefons oberhalb des Uferweges im Park Babelsberg

Spuren der Grenzgeschichte im Park Babelsberg: Überreste eines Postentelefons sind auch heute noch im Park zu finden. Solche Telefonanlagen befanden sich im gesamten Grenzgebiet. Die Grenzposten trugen den Hörer für die Anlage bei sich und wurden eingesteckt, wenn eine telefonische Verbindung mit dem Führungsturm hergestellt werden musste.

 

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