Blog

Wilhelmine von Lichtenau holt Italien nach Potsdam Teil III

27. September 2019 Von Julian Wacker

Teil III: Wilhelmine in Berlin

Neben einigen Schlossbauten in Potsdam richtete Wilhelmine ihren Blick auch nach Berlin.
Für die Winterkammern in Schloss Charlottenburg hatte sie einige Änderungen im Sinn. Da es dem König im Winter immer recht kalt war, plante er den Umbau einiger Zimmer im alten Hauptbau des Schlosses. Wilhelmine überzeugte ihn jedoch, die von ihm angedachten Winterkammern im Obergeschoss des Neuen Flügels unterzubringen. Friedrich Wilhelms Vertrauen in Wilhelmines Fähigkeiten waren so groß, dass er ihr freie Hand bei Planung und Umsetzung gab.

Schloss Charlottenburg, Neuer Flügel, Winterkammern König Friedrich Wilhelms II., Ostindisches Zitzzimmer. Foto: Wolfgang Pfauder

Besonders wichtig waren Wilhelmine bei der Innenausstattung neue Kamine und Skulpturen, vor allem aber neue Tapeten. In Livorno erstand Wilhelmine eine floral anmutende und mit gold- und silberfarbenen Mustern versehene indische Tapete, die in Italien brandaktuell war und sich in gleicher Ausführung und vom selben Stoffballen stammend in einem Palazzo der Königin von Neapel in Palermo befindet. Friedrich Wilhelm warnte Wilhelmine vor dem Preußenhass der neapolitanischen Königin, die Wilhelmine bei ihrer Reise 1796 gerne besucht hätte. Eine Begegnung der beiden fand dann auch nicht statt, da sich die Königin einem Treffen verweigerte.
Insofern kann die Geschichte der gleichen Tapeten nicht zweifelsfrei geklärt werden, möglich ist, dass Wilhelmine der Königin die Tapete schenkte, um sie milde zu stimmen. In rekonstruierter Form befindet sich die Tapete heute wieder im ostindischen Zitzzimmer in den Winterkammern von Schloss Charlottenburg.
Florale Elemente und Botanik interessierten Wilhelmine jedoch nicht nur auf Stoffen und Tapeten, sondern auch in den päpstlichen Gärten im Vatikan. Dort sammelte sie die Samen einiger Pflanzen und Bäume und sah diese für den Schlossgarten in Charlottenburg vor. Was mit den Samen geschah und ob sie je eingesetzt wurden, ist jedoch nicht überliefert.

Schloss auf der Pfaueninsel mit dem von Wilhelmine veranlassten hellen Anstrich. Foto: Hans Bach

Neben ihrer Tätigkeit als Raumgestalterin gewinnt Wilhelmine zusehends an Bedeutung als eigenständig auftretende Auftraggeberin. Sie tritt mit Architekten und Ideengebern ins Gespräch, überwacht die königlichen Baustellen am Marmorpalais und in den Winterkammern in Schloss Charlottenburg. Auch auf das Erscheinungsbild des Schlosses auf der Pfaueninsel nimmt sie maßgeblichen Einfluss. Hier bestimmt sie nicht nur die Innenraumgestaltung, sondern veranlasst auch den hellen Anstrich der Fassade, was dann wesentlich dazu beiträgt, dass das Schloss auch aus großer Entfernung gut zu sehen ist. Ursprünglich war für das Schlösschen auf der Pfaueninsel eine eher rustikale grau-braune Verkleidung aus Borke vorgesehen, die Wilhelmine allerdings nicht behagte.

Das von Michael Philipp Boumann 1788-1790 für Wilhelmine errichtete Palais. Radierung auf Papier von Louis Serrurier, um 1800.

Auch abseits der königlichen Bauvorhaben tritt Wilhelmine als Bauherrin in Erscheinung. Direkt an der Spree und in unmittelbarer Nähe zu Schloss Charlottenburg lässt sie durch den von ihr favorisierten Architekten, Michael Philipp Boumann, ein stattliches Palais errichten. Bei der Gestaltung des Parks nahm sie sich den Landschaftsgarten in Wörlitz zum Vorbild, der sich seinerseits an den englischen Gartenanlagen orientierte. Wilhelmine bewohnte zudem ein Stadtpalais am Boulevard Unter den Linden, das später auch „Niederländisches Palais“ genannt wurde. Auch das Damenhaus, eine Wohnung im Holländischen Etablissement im Neuen Garten, soll ihr gehört haben.

Das von Wilhelmine bewohnte Damenhaus im Holländischen Etablissement im Neuen Garten. Foto: Leo Seidel

Wilhelmine Gräfin von Lichtenau beeindruckt durch ihre Vielseitigkeit, Wandelbarkeit und ihre Entwicklung von der Mätresse zur Beraterin. Sie beeinflusste durch Sachkenntnis und Kennerschaft maßgeblich das Geschmacks- und Stilempfinden des Königs und handelte bei Fragen von Architektur, Gestaltung und Ausstattung weitgehend in Eigenregie. In Potsdam ist Wilhelmines Vorstellung und Idee von Italien in doppelter Weise wahrnehmbar. Materiell, in Form visuell erfahrbarer Objekte wie Skulpturen und Gemälde, vor allem aber auch durch ihr Gedankengut. Mit ihrer Verbundenheit zur Kultur Italiens und der Antike sowie ihrem gesellschaftlichen Umgang und Austausch mit Intellektuellen sowie KünstlerInnen holte sie Italien nach Potsdam und trug zudem zur Entwicklung des Klassizismus in Preußen bei.

 

Ein dreiteiliger Blog-Beitrag von Julian Wacker (Teil I, Teil II)
Als Grundlage der Recherche dienten Alfred P. Hagemanns Dissertation "Wilhelmine von Lichtenau" sowie Evelyn Zimmermanns Beitrag "Die Kunstankäufe der Gräfin Lichtenau".
Ein großer Dank geht auch an Christian Arpasi.

Die Kommentarfunktion ist für diesen Artikel deaktiviert.

0 Kommentare