Unser zweiter Beitrag zur Blogparade #SchlossGenuss, zu der der Verein Schlösser und Gärten in Deutschland im Europäischen Kulturerbejahr „Sharing Heritage“ eingeladen hat: Thomas Weiberg, Schlossassistent im Schloss Charlottenburg, nimmt uns mit an seinen Lieblingsort: Die reich dekorierte Schlosskapelle in Charlottenburg.
Meine Rundgänge durch das weitläufige Schloss Charlottenburg beginne ich morgens, bevor die ersten Gäste kommen, zumeist an einem kleinen Eingang im Orangengarten. Dort führt eine Tür in einen schlichten Vorraum – und schon stehe ich in der für das strenge Preußen ungewöhnlich prunkvollen, fast süddeutsch-heiteren Schlosskapelle mit ihren farbkräftigen Ausmalungen und der überreichen Dekoration in Stuck und Gold.
Ich liebe diesen stillen Raum, durchzogen von leiser Orgelmusik (zumeist kommt die leider nur von einer CD, aber immerhin…). Die Schlosskapelle ist der unbestrittene Höhepunkt der prächtigen Repräsentationsräume. Auch an warmen Tagen ist es hier angenehm kühl, mattes Dämmerlicht verleiht dem hohen Raum stets einen ganz eigenen Reiz und lädt zum ruhigen Verweilen in einer der Stuhlreihen in der Raummitte ein.
Friedrich I. verheiratete hier seinen einzigen Sohn, den späteren ›Soldatenkönig‹ Friedrich Wilhelm I. im Dezember 1706 mit seiner Cousine Prinzessin Sophie Dorothea von Braunschweig und Lüneburg. Auch in den kommenden mehr als 200 Jahren war die Charlottenburger Schlosskapelle immer wieder glanzvoller Schauplatz fürstlicher Vermählungen, wobei das flirrende Gold der Stuckaturen keineswegs Garant für die goldene Zukunft der hier geschlossenen Ehen war: Unter anderem heirateten hier 1769 der künftige König und notorische Schürzenjäger Friedrich Wilhelm II. sein ungeliebtes ›hessisches Lieschen‹ (so nannte er seine Königin) Friederike Luise von Hessen-Darmstadt.
Dass auch König Friedrich Wilhelm III. sich hier in aller Stille 1824 mit Gräfin Auguste von Harrach, der Fürstin von Liegnitz, verheiratete, wissen nur eingefleischte Preußenkenner – ebenso, dass der spätere Kaiser Friedrich III. in der Kapelle konfirmiert wurde.
Eine unscheinbare Messingtafel rechts neben der Kanzel erinnert daran, dass die große Geschichte das Schloss Charlottenburg an dieser Stelle noch einmal streifte: Am 24. Mai 1888 wurde hier in der Kapelle der zweite Sohn Kaiser Friedrichs III., Prinz Heinrich, mit seiner Cousine Prinzessin Irene von Hessen und bei Rhein vermählt. Es muss eine gespenstische Atmosphäre gewesen sein: Ein einziges Mal entfaltete der Hof des sterbenden Kaisers seinen Glanz, fürstliche Gäste aus dem In- und Ausland waren anwesend, die Kaiserin prangte im Schmuck der Kronjuwelen. Drei Wochen später war der Kaiser tot. Sein Nachfolger Wilhelm II. mied das Schloss, ihn zog es eher nach Potsdam.
Im November 1943 schien die barocke Pracht unwiederbringlich verloren – die Kapelle wurde durch Bomben völlig zerstört. Lediglich kahle Wände ragten in den Nachkriegshimmel. Doch dank vieler Farbphotographien, die noch kurz vor der Zerstörung aufgenommen wurden, entstanden die goldenen Stuckaturen, die monumentale Krone mitsamt den unermüdlichen Putten und die Gemälde bis 1970 originalgetreu wieder. So ist in der Schlosskapelle die Geschichte der preußischen Hohenzollern bis heute auf einzigartige Weise erlebbar.
Weitere Informationen zum Schloss Charlottenburg gibt es hier
https://www.spsg.de/schloesser-gaerten/objekt/schloss-charlottenburg-altes-schloss/
0 Kommentare