Vor 231 Jahren, am 17. August 1786, stirbt König Friedrich II. von Preußen im Schloss Sanssouci. Seine Grabstätte auf der obersten Terrasse von Sanssouci, wo er am 17. August 1991 seine letzte Ruhestätte fand, wird regelmäßig mit Kartoffeln geschmückt – denn ihm haben wir schließlich die Kartoffel zu verdanken. Aber stimmt das überhaupt?
Friedrich-Kenner Dr. Jürgen Luh, in der SPSG zuständig für Wissenschaft und Forschung und Direktor des Research Center Sanssouci (RECS), räumt auf mit dieser immer noch sehr lebendigen Legende….
Der schönste Schmuck seines Grabes sind die Kartoffeln. Zu jeder Zeit liegen dort einige, im Frühjahr, im Sommer, im Herbst, ja selbst im Winter. Sie liegen auf der Grabplatte, um den König zu ehren und weil Friedrich, so wird erzählt, vorausschauend und hellsichtig in seinem Land die Kartoffel einführte und sie dort auch verbreitet habe. Doch das ist eine Legende. Er tat es nicht, nicht in Deutschland und ebenso wenig in Preußen. Und gegessen hat Friedrich auch keine Kartoffeln, weder gekochte noch gebratene noch gestampfte, wie bereits 1932 nachgewiesen wurde.
Man muss das immer wieder betonen. Denn Umfragen zu Friedrich offenbaren immer wieder, dass ein solider Anteil der Befragten der Meinung ist, die deutsche Agrarwirtschaft habe dem König die Kartoffel zu verdanken. Auch kann man regelmäßig etwa Folgendes lesen: „Speziell in Berlin und Brandenburg wurde die Kartoffel von Friedrich II. von Preußen im heutigen Gebiet Deutschlands eingeführt.“ Die Legende scheint unausrottbar.
Dazu trägt heute in erster Linie das Fernsehen bei, dessen historische Sendungen gern an alten Deutungen festhalten. Das erstaunlichste Beispiel dafür war im Friedrichjahr 2012 die ZDF-Sendung Terra X vom 6. April: Friedrich der Große - Alles oder Nichts! Zum 300. Geburtstag Friedrichs des Großen. Sie nahm vieles von dem auf, was die neuere Forschung in den vergangenen Jahren über Friedrich herausgefunden hatte. Doch wurden diese Ergebnisse im Laufe der Sendung immer weiter in den Hintergrund gedrängt – zugunsten der einschlägigen Anekdoten, gipfelnd in dem Wort des Friedrichdarstellers in der Küche des Schlosses im Keller von Sanssouci (die es realiter nicht gab und nicht gibt), in der eine Magd zwischen Töpfen, Tassen, Tellern Kartoffeln zuzubereiten sucht.
Dies der Dialog:
Friedrich: Wo ist der Koch?
Küchenmagd: Das bin ich!
Friedrich: Sie meint, dass sollen meine Landeskinder genießen lernen?
Küchenmagd: Sie machen satt und wachsen gut auf unserem Boden, selbst, wo sonst nichts Gutes wächst.
Friedrich: Vielleicht muss man sie anders zubereiten?
Küchenmagd: Man könnte sie mit der Schale weichkochen, pellt sie dann, gibt etwas Kochwasser dazu ...
Friedrich: … und einen Schuss Milch, … nun alles durchstampfen. – Voila, Stampfkartoffeln! Und sei es aus Staatsraison: der Koch in Preußen bin ich! …
Man mag es nicht glauben! Die Legende bleibt nicht nur erhalten, sie wird auch noch erweitert – um die Stampfkartoffeln!
Was aber stimmt? Tatsächlich gab Friedrich die Ordre, Kartoffeln anzubauen, mehrmals sogar: „Ohngeachtet Euch durch die, unter dem 5. April 1757, 3. November 1762 und 27. Februar 1766 wie auch noch neuerlich unter dem 13. Februar 1767 ergangenen Verordnungen zu erkennen gegeben worden, wie sehr wir den Kartoffelanbau in hiesigen Landen befördert wissen wollen ..., so haben wir doch aus den davon eingereichten jährlichen Tabellen mit nicht geringen Missfallen ersehen müssen, dass der Anbau dieses sehr nützlichen Erdgewächses noch sehr schlecht betrieben ...“, so am 29. Februar 1768 in einer Cirkular-Ordre an sämmtliche Schlesischen Land- und Steuerräte. Der „Befehl“ war auf Schlesien beschränkt, eine gleiche oder ähnliche Ordre für andere Provinzen hat Friedrich nicht erteilt – und der Befehl hatte auch, wie man dem Rundschreiben entnehmen kann, „Ohngeachtet der ergangenen Verordnungen ...“, keinen Effekt. Als es in drei aufeinanderfolgenden Jahren, 1770, 1771 und 1772, zu Missernten kam und die Lebensmittel bald knapp wurden, „öffnete der König seine Magazine“ – die für den Kriegsfall gedacht waren – „und brachte das aufgespeicherte Korn“ – nicht Kartoffeln – „zu billigen Preisen auf den Markt“. Während der Hungerkrise und auch in den folgenden Jahrzehnten spielten Kartoffeln keine Rolle; sie waren dem König kein Anliegen, ihr Potential hat er nicht ausgeschöpft.
Die Kartoffel wurde in Deutschland, genau genommen in Bayern, seit 1647 angebaut, in Brandenburg in den 1650er Jahren von Kurfürst Friedrich Wilhelm, dem Urgroßvater Friedrichs, eingeführt und zwar als neue und seltene Gartenpflanze. Historiker stellten dies auch immer wieder klar: Als Friedrich 1740 den Thron bestieg, sei die Kartoffel in Preußen bereits allenthalben kultiviert worden, allerdings meist nur in Gärten, hieß es ein ums andere Mal.
Friedrich setzte sich für den Anbau der Erdäpfel ein – ja. Jedoch hatten seine Bemühungen, die auch in vielen Anordnungen und Erlassen zum Ausdruck kamen, nur wenig Erfolg. Um dem gewünschten großflächigen Kartoffelanbau eine Chance zu geben, hätte der König die Agrarordnung ändern müssen. Er hätte das Eigentum an Grund und Boden umgestalten und damit die bäuerliche Eigenwirtschaft stärken müssen. Das aber hat er nicht getan. Dies geschah erst im Zuge der Stein-Hardenbergschen Reformen. Verbreitung fand die Kartoffel in Preußen deshalb erst im 19. Jahrhundert.
Albrecht |17. August 2017
Vielen Dank für Ihren Artikel, ich bin jetzt zwar etwas enttäuscht, aber ab heute jedenfalls umfassend informiert. Kürzlich war ich im schönen Potsdam zu Besuch bei Freunden und habe da auch das Ritual der Kartoffel Ablage auf Friedrichs Grab ausgeführt. Um auch noch ein schönes Foto von dem Akt zu bekommen, musste ich bei strahlend schönem Wetter und Hitze warten, bis sich eine große Reisegruppe aus Russland vom Grab entfernt hatte. Deren Reiseleiter hielt einen ewig lang dauerten Vortrag über Friedrich, bestimmt war die Mär von der Kartoffel dabei. Dann gelang doch noch eine schöne Erinnerung an die Ablage auf der Grabplatte. Bei der Kartoffel handelte es sich um eine seltene Form und zwar eine Laune der Natur in Herzform. Monate vorher gefunden im Kartoffelsack und im Tiefkühlfach aufbewahrt für den geplanten Besuch. Meine Anreise bis Potsdam ungefähr 800 km hatte der Kartoffel dann schon zugesetzt, aber in der Form hat sie überlebt. Friedrich zum Gedenken