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Der Cadolzburger Altar und die Hohenzollern

01. Juli 2017 Von Carsten Dilba

Am 1. Juli 2017 lädt die Bayerische Schlösserverwaltung in Kooperation mit KulturMuseumTalk zum #HohenzollernWalk auf die mittelalterliche Cadolzburg in Franken ein. Tanja Praske, die den „Social Walk“ im Netz koordiniert, fragte uns, ob wir das Projekt nicht durch einen eigenen Beitrag aus dem fernen Preußen ergänzen bzw. begleiten möchten. Das wollten wir gern, und rasch war die inhaltliche Verbindung gefunden: Der Cadolzburger Altar. Ein Fragment dieses mittelalterlichen Kunstwerks ist heute im Jagdschloss Grunewald in Berlin ausgestellt – als eines der ältesten Stücke in den Sammlungen der SPSG. Über die Geschichte des Cadolzburger Altars, seine Reise nach Berlin und seine Bedeutung für die preußischen Hohenzollern schreibt unser wissenschaftlicher Redakteur Carsten Dilba.


Durch den märkischen Adler, der am Betstuhl prangt, ist die kleinformatige Stifterfigur auf der Mitteltafel unten links eindeutig zu identifizieren: um keinen anderen als Kurfürst Friedrich VI./I. handelt es sich. Ihm gegenüber, im Betstuhl mit dem weiß-blau gerauteten Wappen der Wittelsbacher, kniet seine Gemahlin Elisabeth aus dem Haus Bayern-Landshut, die „Schöne Els“ (1383-1442). Die Cadolzburg war eine ihrer Hauptresidenzen und hier starb Friedrich I., nachdem er 1426 die Regierung in Brandenburg seinem ältesten Sohn überlassen hatte. Kaum später werden er und seine Gemahlin den Altar für die der hl. Cäcilie geweihten Stadtkirche gestiftet haben. Damit handelt es sich um noch zu Lebzeiten entstandene Bildnisse des Stammvaters der brandenburgischen Hohenzollern und seiner Frau. Das machte dieses mittelalterliche Kunstwerk für die zum preußischen König und deutschen Kaiser aufgestiegenen Hohenzollern Ende des 19. Jahrhunderts so bedeutsam.

Im Zentrum des Altars zeigt die von zwei Dreiecksgiebeln bekrönte Mitteltafel des Triptychons eine Kreuzigungsgruppe. Maria im blauen Mantel und Johannes stehen dem Erlöser am Kreuz zur Seite, über dessen Querbalken Sonne und Mond erscheinen. Auf dem linken Seitenflügel ist die hl. Cäcilie dargestellt, mit Märtyrerkrone, Palmenzweig in der rechten und aus Rosen und Lilien geflochtene Kränzen in der linken. Der rechte Flügel zeigt ihren Bräutigam, den hl. Valerian, in kurfürstlichem Ornat. Über ihnen schwebt der in der Heiligenlegende genannte Engel herab, der ihnen Blumenkränze reichte. Auf den Rückseiten der Klappflügel findet sich eine Verkündigungsszene in einem gotischen Innenraum. Links erscheint der Erzengel Gabriel mit dem englischen Gruß „Ave Maria gratia plena dominus tecu(m)“ (Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir) auf einem Schriftband. Die Mariendarstellung an einem Lesepult ihm gegenüber ist wohl von Gläubigen weitgehend abgerieben. Ursprünglich besaß das Retabel noch zwei Standflügel mit den Heiligen Sigismund und dem Papst Urban I., der den hl. Valerian taufte.

Der noch 1606 im Kirchenbuch der Cadolzburger Pfarrkirche genannte Altar ist in einem beim Abbruch der gotischen Kirche 1750 erstellten Verzeichnis der Kunstwerke aufgeführt. Hierin wird von einer Restaurierung im Jahre 1662 auf Veranlassung des Kastners Johann Ulrich v. Gangrieß berichtet, über deren Ausmaß eine kolorierte Fotografie aus dem Jahr 1874 Aufschluss gibt. Diese zeigt ein stark überarbeitetes Retabel, in dem besonders die Figuren der Kreuzigungsszene erheblich verändert wurden. Den Hintergrund der Mitteltafel füllte nun anstelle des ursprünglichen Goldgrundes eine Gebirgslandschaft unter einem bewegten Himmel. Auch waren den Heiligen der Seitenflügel später wieder entfernte Namensinschriften hinzugefügt worden.

Gut hundert Jahre, nachdem die Bilder „im hiesigen Pfarrhause verwahrlich beygeleget“ worden waren, fand der Historiker und Direktor des königlichen Haus- und Hofarchivs, Rudolf Graf v. Stillfried, das Retabel 1854 in einer im äußeren Schlosshof der Cadolzburg gelegenen Zehntscheune auf, von wo es in die untere Sakristei der neu errichteten Pfarrkirche verbracht wurde.

Die Kenntnis von diesem für die frühe Geschichte des Hauses Hohenzollern bedeutenden Werk wurde nicht zuletzt durch v. Stillfrieds Publikationen verbreitet. Sicher haben seine engen Kontakte zur preußischen Herrscherfamilie dazu geführt, dass der preußische Kronprinz Friedrich Wilhelm Interesse an diesem bedeutenden Kunstwerk fand, war es doch eine Stiftung seines Ahnen und Begründers der Linie der brandenburgischen Hohenzollern, geschmückt mit zu Lebzeiten gefertigten Porträts Friedrichs VI./I. und Elisabeth. Gerade in den Jahren nach der Reichsgründung 1871 gab es Bemühungen, das neue Kaiserreich ideologisch im mittelalterlichen deutschen Kaisertum zu verankern und die jüngste Geschichte des Hauses Hohenzollern sichtbar mit einer glorreichen Vergangenheit zu verbinden. Das große Interesse an der Forschung nach den frühen Vorfahren äußert sich auch in den Anstrengungen, die darauf verwendet wurden, nach dem Erwerb des Cadolzburger Altars in Archiven Informationen zur Stiftung zu finden, die letztlich erfolglos blieben.

Die Gelegenheit, den Wunsch zum Erwerb durchzusetzen, ergab sich anlässlich einer Heeresinspektion des Kronprinzen, im Zuge derer er am 12. September 1873 die Cadolzburg besichtigte und die Sakristei der dortigen Pfarrkirche aufsuchte.

In einem Protokoll der Kirchenverwaltung vom 14. September heißt es aufschlussreich, der Kronprinz habe „dem als Stück eines alten Altars aus der im Jahre 1750 wegen Baufälligkeit eingelegten alten Kirche in der unteren Sakristei der hiesigen jetzigen Pfarrkirche deponierten Bildes […] eine ganz besondere Aufmerksamkeit geschenkt [...], in dem er bald nach seiner Ankunft nach diesem Bilde fragte und bei Besichtigung desselben es als ein Originalgemälde und als solches seiner Familie höchst wertvoll bezeichnete, deshalb auch der sorgfältigsten Obhut dringend empfahl. “ Da er weiterhin äußerte, es sei „ihm schon früher einmal zum Geburtstagsgeschenk bestimmt gewesen […], beschließt die Kirchenverwaltung in der heutigen Sitzung, dieses Bild nebst den beiden konditionell ebenfalls als Porträts dieser fürstlichen Personen geltenden Bilder mit der Unterschrift ‚Cäcilie‘ und ‚Valerian‘, S.K. Hoheit als Geschenk zu seinem auf den 18. Oktober fallenden diesjährigen Geburtstag anzubieten und zu übersenden […].“

Nach Einholung der entsprechenden Erlaubnis bei den zuständigen weltlichen und kirchlichen Behörden wird der Cadolzburger Altar dem preußischen Kronprinzen zum Geschenk gemacht und das Retabel am 11. November 1873 nach Berlin geschickt. Da man in den Heiligenfiguren der Seitenflügel ebenfalls mögliche Darstellungen des Stifterehepaares sah, gingen sie ebenfalls auf die Reise, während die Standflügel vor Ort verblieben und am Ende des Zweiten Weltkrieges zerstört wurden.

Die hohe Wertschätzung, die der Altar von Seiten des Kronprinzen erfuhr, äußert sich in der Tatsache, dass das Retabel auf Befehl Friedrich Wilhelms 1874 restauriert, von seinen Übermalungen befreit und in seinem Arbeitszimmer im Kronprinzenpalais Unter den Linden „als eine Reliquie“ aufgestellt wurde, wo es „unter den historischen Erinnerungen der Hohenzollern eine hervorragende Stelle einnimmt“. Im Gegenzug erhielt die Kirchengemeinde einen Kronleuchter und genannte kolorierte Fotografien, die den Zustand des Altars vor und nach der Restaurierung dokumentieren.

1882 gab der Kronprinz das Retabel an das der dynastischen Selbstinszenierung dienende Hohenzollern-Museum im Schloss Monbijou. In der Zeit nach 1918 gelangte es schließlich in das Berliner Schloss. Dort wurde es in der gotischen Erasmuskapelle wiederum in einem sakralen Kontext ausgestellt, bis es seit 1949 im sehr weltlichen Umfeld des Jagdschlosses Grunewald gezeigt wird. Hier ist es heute im Kreis der Cranach-Gemälde als Teil der ältesten kurfürstlichen Sammlung ausgestellt, die auch Porträts der brandenburgischen Kurfürsten umfasst, die ihren Stand und Würde Friedrich VI./I. als Ahnherrn in der Mark verdanken.

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1 Kommentare

Tanja Praske04. Juli 2017

Lieber Herr Dilba,

 

vielen herzlichen Dank für diese wunderbare Zeitreise zum Cadolzburger Altar. Es ist immer wieder spannend zu sehen, wie und wo Kunstwerke wieder auftauchen und welche Bedeutung ihnen zugemessen wird. In der Cadolzburg ist die Inszenierung der Stifter des Cadolzburger Altars wunderbar gelungen mit Wiedergabe des Stifterpaares.

 

Ihr Blogpost vertieft das Thema hervorragend und zeigt nochmals andere Facetten der Hohenzollern, vor allem auch der jüngeren Generation. Merci dafür!

 

Sonnige Grüße aus München

 

Tanja Praske