Mit der Ausstellung „Schlösser für den Staatsgast“ im Schloss Schönhausen wird derzeit gezeigt, wie die beiden jungen deutschen Staaten in den Schlössern Schönhausen und Augustusburg um die Gunst internationaler Staatsgäste buhlten. In Berlin bot immer auch das Schloss Charlottenburg eine standesgemäße Kulisse für hochrangige Staatsbankette und Empfänge.
Rudolf G. Scharmann ist seit 1995 Schlossleiter in Charlottenburg und erinnert sich.
Auch im Schloss Charlottenburg wurden Staatsgäste empfangen
Jährlich besuchen mehr als 400.000 internationale Gäste das Schloss Charlottenburg, Berlins größte und bedeutendste ehemalige Hohenzollernresidenz. Darüber hinaus ist das Schloss bevorzugter Schauplatz bedeutender Staatsereignisse. Die 1695 bis 1712 für das erste preußische Königspaar Sophie Charlotte und Friedrich I. als Sommerresidenz errichtete Anlage blieb bis 1918 bevorzugter Repräsentationsort für Monarchentreffen und Botschafterempfänge.
In der Weimarer Republik wurden hier Spielfilmaufnahmen gedreht; die Nationalsozialisten vereinnahmten später das Schlossensemble im Sinne ihrer Propaganda. Eine deutliche Zäsur setzte die schwere Zerstörung im Zweiten Weltkrieg 1943 und der langwierige, komplizierte Wiederaufbau.
Mangels geeigneter Gebäude in der politisch geteilten Stadt nutzte der West-Berliner Senat mit dem Regierenden Bürgermeister häufig das wiederhergestellte Schloss, um Staatsoberhäupter und Ehrengäste aus aller Welt standesgemäß zu empfangen. In dieser Tradition stehen Schloss und Garten auch dem Bundespräsidialamt, den Bundesministerien und Landesbehörden zur Verfügung. Für Staatsbankette und Empfänge sind die barocken Paradekammern des Alten Schlosses, die Festsäle Friedrichs des Großen im Neuen Flügel und vor allem die Große Orangerie vorgesehen.
1967 wurden der Schah von Persien, Reza Pahlavi, und seine Gemahlin Farah Diba empfangen. Im Verlauf der Demonstrationen gegen das iranische Kaiserpaar wurde am 2. Juni der Student Benno Ohnesorg nahe der Deutschen Oper erschossen. Dies trug u.a. zur Radikalisierung von Teilen der Studentenbewegung gegen den Staat bei.
1969 schrieb sich der amerikanische Präsident Richard Nixon in das Goldene Buch der Stadt ein. Ronald Reagan versprach 1982 auf der Gartenseite des Schlosses den über 25.000 begeisterten Zuhörern weiterhin politische und wirtschaftliche Unterstützung der USA. Als Vertreterin Englands im britischen Sektor Berlins verbreitete 1972 Prinzessin Margaret königlichen Glanz. 1985 war der französische Staatspräsident Franςois Mitterrand zu Gast; ein Jahr später besuchten Prinzessin Diana und König Juan Carlos I. von Spanien das Schloss.
Vor allem nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 gab es kaum ein Staatsoberhaupt, das nicht in Charlottenburg gemäß Protokoll des Bundespräsidialamts oder der Berliner Senatskanzlei begrüßt wurde. Denkwürdig waren auch der Empfang für das japanische Kaiserpaar 1993 und im folgenden Jahr die Verabschiedung der westalliierten Streitkräfte durch Bundeskanzler Helmut Kohl vor dem Schloss.
Die engen deutsch-britischen Beziehungen symbolisieren seit 1965 sieben Besuche Queen Elizabeths II. und ihres Gemahls Prinz Philip, Herzog von Edinburgh. Erstmals wurde die englische Königin 1965 vom Regierenden Bürgermeister Willy Brandt im Schloss begrüßt.
Mit militärischen Ehren empfing Bundespräsident Horst Köhler die Queen 2004 bei ihrem zweiten Staatsbesuch im wiedervereinigten Berlin.
Bei ihrem Staatsbesuch am 2. November 2004 wird die Queen von Bundespräsident Horst Köhler im Ehrenhof des Schlosses empfangen.
Foto: SPSG / Andreas Jacobs
Um hochrangige Politiker wie den amerikanischen Präsidenten Bill Clinton und den israelischen Staatspräsidenten Mosche Katzav zu schützen, waren in den Jahren 2000 und 2005 extreme Sicherheitsmaßnahmen nötig. Sie umfassten weiträumige Absperrungen des Schloss- und Gartengeländes, den Einsatz von Scharfschützen und Spürhunden sowie die Kontrolle aller im Schloss Beschäftigten durch das Bundeskriminalamt.
Sicherheitsstufe I galt auch am 19. Juni 2013, als Bundeskanzlerin Angela Merkel und das Auswärtige Amt US-Präsident Barack Obama zum hochkarätig besetzten Galadiner in die Große Orangerie einluden. Trotz medienwirksamer Politprominenz bedeuten diese Veranstaltungen immer erhebliche Einschränkungen für den Besucherverkehr des Museumsschlosses. Nicht zuletzt gefährdet die „Fremdnutzung“ auch die historische Ausstattung.
Offizielle Staatsbesuche auf Einladung des Bundespräsidenten oder der Bundesregierung erfordern jeweils das aufwändigste Protokoll mit detaillierten Abstimmungen, mehreren Vorausdelegationen und umfangreichen polizeilichen Sicherheitsvorkehrungen. Schon bei der Anfahrt der gepanzerten, standartengeschmückten Staatslimousine erregt der Begleitschutz in Form einer 15 Motorräder umfassenden Fahrzeugeskorte – den „Weißen Mäusen“ – großes Aufsehen. Nur sieben Krafträder signalisieren rangniedrigere offizielle Besuche.
Die Begrüßung mit militärischen Ehren unter Abspielung der jeweiligen Nationalhymnen verläuft auf dem roten Teppich. Im Unteren Ovalen Saal des Alten Schlosses folgt die Eintragung in das Gästebuch. Danach findet eine kurze Unterredung des Staatsgastes mit dem Bundespräsidenten oder dem Regierenden Bürgermeister in einem nahegelegenen, prachtvollen Schlossraum sowie der Austausch der diplomatischen Geschenke statt. Das festliche Bankett in der eichenholzvertäfelten Ahnengalerie des Alten Schlosses, der Goldenen Galerie im Neuen Flügel oder der Großen Orangerie beendet den Empfang.
Je nach Protokoll und Bedeutung der Ehrengäste wird traditionsbewusst von Neuausformungen zweier historischer Service der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin (KPM) gespeist: Bei einem hochrangigen Besucher ist es das Modell „Rocaille“ mit dem Dekor „Stadtschloss Breslau“, bei rangniedrigeren Gästen das Modell „Kurland“.
Unter Berücksichtigung kulturhistorischer Speisegesetzte werden landestypische, von wechselnden Gastronomen im ehemaligen Küchenflügel des Schlosses vorbereitete Gerichte serviert. Nicht nur in diesem Bereich gilt das von Martin Löer, dem einstigen Protokollchef des Bundespräsidenten und mehrerer Regierender Bürgermeister, formulierte Bonmot: „Protokoll ist, wenns klappt“.
Dieser Text ist ein Auszug aus dem zur Ausstellung erschienen Begleitband im Sandstein Verlag:
Schlösser für den Staatsgast – Schönhausen und Augustusburg. Staatsbesuche im geteilten Deutschland
Herausgegeben von der Generaldirektion der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg und der UNESCO-Welterbestätte Schlösser Augustusburg und Falkenlust in Brühl
ISBN: 978–3–95498–216–5
In der Ausstellung erhältlich zum Preis von 19,80 Euro, im Buchhandel 34,00 Euro
Weitere Informationen zur Ausstellung und zur Publikation finden Sie hier »
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