"Auf Grund eines offiziellen Rechtshilfeersuchens der Bundesregierung und unter Mitwirkung höchster staatlicher Stellen Deutschlands und Russlands wurde jetzt in Moskau ein wertvolles Rubens-Gemälde aus dem Eigentum der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) sichergestellt. Es handelt sich dabei um das Gemälde „Tarquinius und Lukretia“ von Peter Paul Rubens (1577 – 1640).
Das Ölgemälde ist 1,87 x 2,15 m groß und um 1610/1611 entstanden. Vor der kriegsbedingten Auslagerung hing es in der Bildergalerie von Sanssouci, Potsdam. Das Gemälde ist seit Jahren über Interpol zur Fahndung ausgeschrieben. Es ist einer der gravierendsten Kriegsverluste sowohl der SPSG als auch anderer deutscher Museen.
Das Werk wurde vermutlich bereits vom Großen Kurfürsten oder König Friedrich I. erworben. Es hing zunächst im Berliner Schloss, ab 1790 dann im Neuen Palais und seit 1930 in der Bildergalerie. Wie die übrigen Gemälde aus der Galerie wurde es 1942 zum Schutz vor Kriegsschäden nach Schloss Rheinsberg ausgelagert. Seit Kriegsende galt es als verschollen. Teile der ausgelagerten Kunstwerke wurden sowohl Opfer von Beschlagnahmung durch sowjetische Einheiten als auch privater Beutenahme. Allein von den 159 Bildern des Vorkriegsinventars der Bildergalerie vermisst die SPSG einschließlich des Rubens-Gemäldes bis heute insgesamt 99 Werke.
Das Gemälde ist ein von Kunsthistorikern als „spektakuläres Werk“ charakterisiertes Bild. Für die SPSG hat es einen ähnlichen Stellenwert wie der „Ungläubige Thomas“ von Carravagio und die beiden Hauptwerke von Watteau "Das Ladenschild des Kunsthändlers Gersaint" und "Die Einschiffung nach Kythera". Erst um 1930 als ein kurz nach der Rückkehr aus Italien in Antwerpen entstandenes frühes Meisterwerk erkannt, stand es der Rubensforschung nur wenige Jahre zur Verfügung.
Das Gemälde zeigt die Entehrung der Bürgerstochter Lukretia durch den Königssohn Tarquinius. Der daraufhin von Lukretia gewählte Freitod führte einen Volksaufstand herbei, mit dem im alten Rom die Königsherrschaft endete und die Zeit der Republik begann. Rubens gibt dem seit der Renaissance häufig dargestellten Thema durch die Einbeziehung der Rachegöttin und des geflügelten Genius, der die dramatische nächtliche Szene mit einer Fackel beleuchtet, eine mythische Dimension. Mit dem Motiv der Hand, die in den mit einem blutroten Tuch bedeckten weiblichen Schoß greift, hat der Meister eine ästhetische Bildformel von ungeheurer Suggestivkraft für die Darstellung der die Sexualität berührenden und somit tabubehafteten Gewalttat gefunden.
Nachdem im Sommer 1940 die ersten Fliegerangriffe auf Berlin einsetzten, wurde den schwierigen Umständen entsprechend nur eine Auswahl der besten Stücke in außerhalb liegende Schlösser, Herrenhäuser oder Bergwerke ausgelagert. Rheinsberg war dabei ein wichtiger Auslagerungsort. Einige Hundert Kunstwerke, darunter Möbel aus dem Neuen Palais, Gemälde aus der Bildergalerie Sanssouci und dem Neuen Palais sowie Möbel und Gemälde aus Schloss Königsberg, wurden hier verwahrt. Auch nach den 1958 erfolgten Rückgaben verbrachter Kunstwerke durch die Sowjetunion an die DDR vermisst die SPSG kriegsbedingt insgesamt noch mehr als 3.000 Gemälde.
Beutenahme von Kulturgut im Krieg ist gemäß der Haager Landkriegsordnung von 1907 völkerrechtlich verboten. Das betrifft auch Plünderungen durch Privatpersonen. Russland und die Bundesrepublik Deutschland haben die entsprechende völkerrechtliche Rückführungspflicht für verschollene oder unrechtmäßig verbrachte Kulturgüter in bilateralen Verträgen bekräftigt (u.a. im Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Russischen Föderation über kulturelle Zusammenarbeit von 1992).
Der Generaldirektor, Prof. Dr. Hartmut Dorgerloh, dankte der Bundesregierung und den russischen Stellen für ihr engagiertes Eintreten zu Gunsten der Sicherstellung des Gemäldes: "Damit ist der erste Schritt getan, um dieses hoch bedeutende Spitzenwerk nicht nur für die preußischen Schlösser, sondern auch für die gesamte Kunstwelt wieder zu gewinnen.""