Ausstellung Prinz Heinrich von Preußen. Ein Europäer in Rheinsberg.

Schloss Rheinsberg, 4. August - 27. Oktober 2002. Ausstellungsrundgang mit Kapitelbeschreibungen

"PRINZ HEINRICH IM URTEIL DER ZEITGENOSSEN (RAUM 77)

Das Urteil, das die Zeitgenossen über Prinz Heinrich fällten, enthüllt eine Persönlichkeit von kompliziertem Charakter und großen Fähigkeiten. Drei seiner Eigenschaften wurden von den besten Beobachtern am preußischen Hof, den französischen und englischen Gesandten, immer wieder hervorgehoben: Heinrichs Ehrgeiz in militärischen und politischen Dingen, sein Trotz gegenüber Entscheidungen des Königs, die ihm missfielen, weil er sie für falsch hielt, und seine Eitelkeit. Doch im Gegensatz zu den Historikern des 19. und 20. Jahrhunderts kreideten ihm die Zeitgenossen dies nicht negativ an - von Ausnahmen abgesehen. Denn sie schätzten den Prinzen: an erster Stelle für seine militärischen Leistungen und für seine weiten geistigen Fähigkeiten, aber auch für seine stets bezeugte Humanität sowie die Geselligkeit und gute Laune, die er in der Öffentlichkeit verbreitete. Dass Heinrich nicht den Frauen, sondern "jungen Männern zugetan" war, wurde frühzeitig registriert. Seine Erscheinung, vor allem aber sein Aussehen machte man dagegen erst spät, 1784, zum Thema. Sein dann als "häßlich" beschriebenes Äußeres machte Heinrich jedoch, so der durchgängige Tenor, durch geistreiche Gespräche schnell vergessen.

DIE KINDHEIT (RAUM 78)

Am 18. Januar 1726 kam Friedrich Heinrich Ludwig im Berliner Schloss als 13. Kind des preußischen Königs Friedrich Wilhelm I. und seiner Gemahlin Sophie Dorothea von Hannover und Großbritannien zur Welt. Als dritter überlebender Sohn rückte für diesen Prinzen die Anwartschaft auf die Krone in unerreichbare Ferne. Die lebenslange Abhängigkeit von seinem später regierenden königlichen Bruder Friedrich II. symbolisiert bereits die Tatsache, dass der 14 Jahre Ältere den Neugeborenen über das Taufbecken hielt. Ein besonderes Verhältnis entwickelte sich zwischen Heinrich und seinen Brüdern August Wilhelm (geb. 1722) und Ferdinand (geb. 1730).

WILHELMINE VON HESSEN-KASSEL, GEMAHLIN DES PRINZEN HEINRICH (RAUM 80)

Um von seinen Bruder Friedrich II. unabhängig zu werden und im Schloss Rheinsberg wohnen zu können, musste Heinrich heiraten. Auf seiner Brautfahrt 1751 hatte er in Kassel die zukünftige Gemahlin selbst aussuchen dürfen: Wilhelmine, drittälteste Tochter des Prinzen Maximilian von Hessen-Kassel und Lieblingsnichte des regierenden Landgrafen Wilhelms VIII, galt als vollendete Schönheit von bezauberndem, liebenswürdigem Charme. In der preußischen Königsfamilie herzlich aufgenommen, wurde ihre Vermählung 1752 im Schloss Charlottenburg glanzvoll gefeiert. Für Heinrich war die Ehe ein notwendiges Übel zur Erlangung seiner Freiheit. Nach zeitweiligem leidlichem Zusammenleben, ab 1753 auch in Rheinsberg, führte eine vermeintliche Affäre der Prinzessin 1766 zur endgültigen Trennung des kinderlosen Paares. Wilhelmine bewohnte fortan das Berliner Palais Unter den Linden (heute Humboldt-Universität).

DER GROSSE (SPIEGEL-)SAAL (RAUM 3)

Am 28. Juni 1744 erhielt Heinrich Rheinsberg von seinem königlichen Bruder Friedrich II. als Geschenk. Ostern 1745 durfte der neue Hausherr seine Mutter, die Königinwitwe Sophie Dorothea, und seine Schwester Amalie auf seiner neuen Residenz empfangen. Auch Friedrich II. konnte Heinrich in den beiden Folgejahren in Rheinsberg begrüßen. Vermutlich genossen der Prinz und seine Gäste die bis dahin kurzweiligen Aufenthalte im Schloss insbesondere auch im erst 1740 vollendeten Spiegelsaal. Der lichtdurchflutete Raum, dessen Wirkung noch durch die vielfache Brechung des Lichtes auf der Wasseroberfläche des Grienericksees gesteigert wird, hinterließ beim Prinzen Heinrich ohne Zweifel ähnliche Empfindungen wie beim kronprinzlichen Bauherren, der von diesem märkischen Raumwunder auch in seinen anderen Residenzen nicht mehr lassen konnte. Heinrich ließ in 50 Jahren fast alle Schlossräume umgestalten. Der Spiegelsaal mit der Vorkammer (R. 2) und dem Bacchuskabinett (R. 4) blieb bis 1802 unverändert. Der Spiegelsaal blieb bis zum Tode des Prinzen das festlich-konzertante Zentrum der Residenz.

DIE FELDHERRENGALERIE UND DAS DENKMAL FÜR DIE HELDEN DES SIEBENJÄHRIGEN KRIEGES IM PARK ZU RHEINSBERG (RAUM 6 - AMALIENWOHNUNG, ROTE KAMMER)

Den Stellenwert, den Prinz Heinrich der Kriegskunst beimaß, spiegeln die Rote Kammer im Schloss und im Garten von Rheinsberg der Obelisk wider. Durch die Auswahl der ursprünglich acht Bildnisse in der Roten Kammer, von denen drei heute verschollen sind, ehrte Heinrich ausschließlich Feldherren, deren Art der Kriegsführung für ihn vorbildlich war und deren Verdienste er hoch schätzte. Turenne, den Großen Condé, Luxembourg und Catinat wählte er einerseits aus für ihr Geschick, den Gegner auszumanövrieren und von seiner Versorgung abzuschneiden sowie andererseits für ihre Klugheit, Schlachten nur dann zu schlagen, wenn dies unumgänglich war. Schwerin, Zieten, Leopold von Anhalt-Dessau und Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig rühmte der Prinz für die Meriten, die diese sich um das preußische Heerwesen erworben hatten. Auf dem Denkmal im Park verewigte Heinrich stellvertretend für alle preußischen Helden der Schlesischen Kriege zum einen diejenigen Offiziere, deren Leistungen von Friedrich II. wenig oder gar nicht gewürdigt worden waren, oder die den Operationen des Königs kritisch gegenübergestanden und weitgehend eigenständig gehandelt hatten. Zum anderen adelte er seine wichtigsten Unterführer und engen Vertrauten.

DER FELDHERR (RAUM 11/12, 13 - NORDPAVILLON)

Prinz Heinrich hielt seinen Erfolg als Soldat für die größte Leistung seines Lebens und sich selbst für einen besseren Feldherren als Friedrich. Und dies war, legt man die Kriterien der Zeit zugrunde, deren oberste Richtlinie lautete, das Heil des Heeres ist das höchste Gesetz, in der Tat der Fall. Im Gegensatz zu Friedrich, dessen ganze Kriegskunst darin bestand, zu "batailliren", wie der Prinz nicht ganz zu unrecht bemerkte, zeichnete sich Heinrichs Heerführung dadurch aus, dass er gegen die zahlenmäßig immer überlegenen Armeen seiner Gegner nach einem System vorging, das die Möglichkeiten seiner geringen Kräfte optimal nutzte: Er ließ seine kommandierenden Offiziere regelmäßig mit kleinen Verbänden tief ins feindliche Hinterland vorstoßen, um die Verbindung des Gegners zu unterbrechen und dessen Magazine zu zerstören, und besetzte selbst mit der übrigen Armee uneinnehmbare Positionen. Diese Stellungen ließ er dann sorgfältig verschanzen und mit Artillerie versehen. Und weil der Prinz mit seinem Heer eine viel größere Geländefläche besetzt hielt als üblich war, gelang es ihm auch, seine Soldaten aus diesem Gebiet regelmäßiger und besser zu verpflegen als der König es je vermochte.

PRINZ HEINRICH ALS POLITIKER (RAUM 14 - NORDPAVILLON)

Prinz Heinrich besaß großen politischen Ehrgeiz. Aber als Prinz von Geblüt durfte er keine eigenen Entscheidungen treffen. Deshalb versuchte er zeitlebens, durch Denkschriften auf die Preußische Politik Einfluss zu nehmen. Die Ansichten, die er darin vertrat, fanden in den Regierungshandlungen von Friedrich II., Friedrich Wilhelm II. und Friedrich Wilhelm III. allerdings kaum Niederschlag - was Heinrich oftmals kränkte. Ein Ereignis allerdings ging maßgeblich auf seine Initiative zurück: Die erste Teilung Polens 1772 zwischen Preußen, Rußland und Österreich. Von Katharina II. ließ er sich diese Leistung daher als Ausweis seiner politischen Befähigung bestätigen. 1795 war er dann an den Gesprächen beteiligt, die zum Frieden von Basel führten. Seine Vorschläge wurden jedoch von der preußischen Verhandlungsführung nicht berücksichtigt. Wollte der Prinz Politik betreiben, so mußte er selbst regieren. Daß dies vielleicht möglich war, zeigte 1786 die Offerte einiger Kongreßmitglieder, die Regentschaft der Vereinigten Staaten von Amerika zu übernehmen, die ihm Friedrich Wilhelm von Steuben übermittelt hatte. Doch lehnte Heinrich diesen Antrag ab.

PRINZ HEINRICHS BERLINER RESIDENZ AN DER STRAßE UNTER DEN LINDEN (RAUM 18)

Dass das 1748 bis 1753 erbaute Gebäude der Humboldt-Universität früher einmal die Residenz des Prinzen war, ist heute nur noch Wenigen bekannt. Nach der Auflösung seines Inventars und der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg erinnert dort nichts mehr an die ursprüngliche Nutzung. Dabei zählte das mit vielen hochrangigen Kunstwerken ausgestattete Palais bis zu Heinrichs und Wilhelmines Tod zu den bekanntesten Bauten der preußischen Metropole. Baupläne aus Knobelsdorffs Architekturbüro dokumentieren, dass Friedrich der Große am Standort des Heinrichpalais ursprünglich eine große Schlossanlage erbauen lassen wollte, von der schließlich nur die Lindenoper verwirklicht worden ist.

PRINZ HEINRICH IN DEN NIEDERLANDEN 1768 (RAUM 20/21 - FERDINANDSWOHNUNG)

Von Anfang August bis Ende Oktober 1768 weilte Prinz Heinrich in den Niederlanden. Die Reise hatte ausschließlich privaten Charakter. Im Mittelpunkt stand der Besuch seiner geliebten Nichte Wilhelmine von Preußen, die ein Jahr zuvor den Erbstatthalter Wilhelm von Oranien-Nassau geheiratet hatte. Heinrich logierte im Huis ten Bosch in Den Haag und unternahm in Begleitung des jungen Statthalterpaares eine Reihe kurzer, streng organisierter Ausflüge zu den wichtigsten Orten Hollands. Neben den traditionellen Reisezielen, wie Amsterdam, Rotterdam, Schevenigen, Zaandam und dem Musterdorf Broek, verliehen die besonderen Interessen des Prinzen an Gartenkunst, Malerei, Schiffsbau und Militärtechnik dieser Unternehmung aber auch einen ganz persönlichen Charakter.

PRINZ HEINRICHS BESUCH IN SCHWEDEN 1770 (RAUM 22/23 - FERDINANDSWOHNUNG)

Auf seiner nach außen privat und familiär wirkenden Reise nach Schweden hatte Prinz Heinrich vorrangig eine diplomatische Aufgabe zu erfüllen. Friedrich II. schickte den Bruder nach Stockholm, um dort auf ihre Schwester Luise Ulrike, die seit 1744 mit dem späteren schwedischen König Adolf Fredrik verheiratet war, im Sinne der russisch-preußischen Bündnis- und Außenpolitik Einfluss zu nehmen. Luise Ulrike war dennoch über den Besuch Heinrichs hoch erfreut, hatte sie doch seit über zwanzig Jahren keines ihrer Geschwister mehr gesehen. Vor allem ihr Sohn, Kronprinz Gustav (III.), war eifrig um die Vorbereitungen zum Empfang seines Onkels bemüht.

PRINZ HEINRICH IN RUSSLAND 1770/1771 UND 1776 (RAUM 24-28 - AUDIENZZIMMER U. BOUDOIR DER FERDINANDSWOHNUNG, RITTERSAAL)

Durch geschickte und vor dem König geheim gehaltene Verhandlungen erhielt Prinz Heinrich während seines Aufenthaltes in Stockholm die bereits lang ersehnte Einladung der Zarin Katharina II. Anfang Oktober traf Heinrich in St. Petersburg ein. Es entwickelte sich eine zehn Jahre währende enge Freundschaft, die von gegenseitiger Hochschätzung und gemeinsamen geistigen Interessen geprägt war. Katharina bemühte sich nach allen Kräften, ihrem Gast den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Der Prinz wurde von ihr geradezu "königlich" behandelt. Ihm zu Ehren veranstaltete sie in den vier Monaten seines Besuches zahlreiche Feste und Vergnügungen aller Art. Daneben gelang es Heinrich auch seiner diplomatischen Mission, der Versöhnung Russlands mit Schweden, gerecht zu werden und im Auftrag Friedrichs II. mit Katharina über einen Frieden mit der Türkei oder über die polnische Politik zu diskutieren. Der Prinz ließ es sich nicht nehmen, auch in die "altertümliche und baufällige" Hauptstadt Moskau zu reisen, ein Ort, der bei anderen Staatsgästen so gut wie nie auf dem Programm stand. Reich beschenkt mit kostbaren Kunstwerken kehrte Heinrich nach Rheinsberg zurück. Im Frühjahr 1776 kam der preußische Prinz zu einer zweiten Visite in das Reich der "Minerva von Zarskoje Selo".

CARL GOTTHARD LANGHANS IN RHEINSBERG (RAUM 27 - HAUPTTREPPENHAUS)

"Da ich von der Geschicklichkeit und Erfahrung dero Bau Meister Langhans soviel Rhümens und Gutes gehöret, und Ich bey meinen Gebaudten in Rheinsberg einige Änderungen zu treffen willens bin […] so würden Mich Euer Liebden gantz Besonderes verbinden, wenn Sie obgedachten dero Bau Meister […] nur auf vierzehn Tage zu mir schicken wollten." Mit diesen Worten in einem Schreiben vom 17. Oktober 1766 bat Prinz Heinrich den Fürsten Franz Adrian von Hatzfeld um die Bewilligung einer Reise seines 1763 ernannten Bauinspektors Carl Gotthard Langhans von Breslau nach Rheinsberg. Der schlesische Architekt war im November 1766 vermutlich drei Wochen in Rheinsberg, wo er für den Ausbau und Modernisierung des Schlosses, die Errichtung neuer Schlossflügel, die Neugestaltung des Hofgärtnerhauses sowie die des Kirchturmes zahlreiche Pläne fertigte, die mit Ausnahme der Kirchturmentwürfe nicht überliefert sind. An deren Umsetzung war er allerdings nicht beteiligt, die - wie hier am Beispiel des Treppenhauses (R. 27) - erst durch den Bauintendanten Carl Wilhelm Hennert 1769 erfolgte. Durch eine Neugestaltung des Treppenhauses Anfang des 19. Jahrhunderts ging jedoch die Langhans-Fassung teilweise verloren, die im Bereich des Zwischenpodestes nach der Freilegung 1993 sichtbar belassen wurde. Der Muschelsaal (R. 29) zeigt noch heute die Raumfassung von 1769, die auf den Entwurf des späteren Architekten des Brandenburger Tores zurückgeht.

PRINZ HEINRICH UND DAS PORZELLAN (RAUM 29 - MUSCHELSAAL)

Für ein nicht regierendes Mitglied des preußischen Königshauses besaß Prinz Heinrich außergewöhnlich viel Porzellan. Reich ausgestattet waren die Räume, Konditoreien und Silberkammern seiner Schlösser in Rheinsberg und Berlin. Sein Interesse an Porzellan wurde wie bei seinem königlichen Bruder Friedrich II. während des Zweiten und Dritten Schlesischen Krieges im durch Preußen besetzten Meißen geweckt. Eine Besonderheit stellten die anlässlich seiner ersten Parisreise 1784 von Louis XVI. erhaltenen Porzellan-Geschenke dar. Sie waren genauso wertvoll wie ähnliche Zusammenstellungen für andere hohe Gäste. Die französischen Porzellane hatten direkte Auswirkungen auf die Weiterentwicklung der Berliner Manufaktur, als deren Förderer Prinz Heinrich sich hervortat.

DIE BIBLIOTHEK DES PRINZEN HEINRICH (RAUM 30 - BIBLIOTHEK)

Zunächst nutzte Heinrich wie sein Bruder das Turmkabinett (R. 35) als Bibliothek. Von 1769 bis zur Errichtung des südlichen Pavillons 1785 befand sich seine zweite Bibliothek in einem Raum, der nach umfassenden Umbauarbeiten als Alkoven Teil der Paradeschlafkammer (R. 31) wurde. Die bis dahin in neun Schränken untergebrachte Büchersammlung wuchs auf mehr als 5000 Bände an, die 1802 in 16 Zedernholzschränken mit Bronzebeschlägen aufbewahrt wurden. Zur Ausstattung gehörte auch ein großer Tisch mit sechs Auszügen. Vermutlich ließ der Prinz mit der Neueinrichtung der Bibliothek im Pavillon die ursprünglich für seine öffentliche Bibliothek im Marstall gefertigten 16 Dichter- und Gelehrtenbildnisse ins Schloss bringen. In Ergänzung zu den Gemälden sowie den 22 Porträts an der Decke wurden auch Porträtbüsten von Jean Antoine Houdon in der neuen Schlossbibliothek aufgestellt. Nach dem Tode des Prinzen verkaufte sein letzter Adjutant La Roche-Aymon, der die prinzliche Bibliothek geerbt hatte, die Bücher zusammen mit den zur Ausstattung gehörenden Kunst-werken sowie Mobiliar an die Königliche Bibliothek zu Berlin. Anhand der hier ausgestellten Bücherverzeichnisse wurde nach 200 Jahren die Büchersammlung erstmalig rekonstruiert, wobei aus den Beständen der heutigen Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz Bücher mit der Provenienz aus der Rheinsberger Bibliothek ermittelt werden konnten.

PRINZ HEINRICH IN FRANKREICH 1784 UND 1788/1789 (RAUM 32 - LANGE KAMMER)

"Die Hälfte meines Lebens habe ich mir gewünscht, nach Frankreich zu kommen, die andere werde ich mich danach zurücksehnen", resümierte Prinz Heinrich nach seinem ersten Aufenthalt in Frankreich im Jahre 1784. Friedrich II. hatte ihm zunächst nur eine kleine, private Reise in die Schweiz und nach Südfrankreich gestattet. Insgeheim hatte Heinrich jedoch um eine inoffizielle Einladung Ludwigs XVI. nach Paris gebeten, der sich Friedrich II. nicht widersetzen konnte. Auch wenn der Prinz inkognito als Graf von Oels reiste, lag der politische Charakter dieser Reise auf der Hand: Er hoffte, als Sympathieträger für Preußen zu wirken und die preußisch-französischen Beziehungen positiv beeinflussen zu können. Über Basel und Genf, Lyon und Dijon erreichte er am 17. August 1784 Paris. Durch Baron Friedrich Melchior Grimm wurde Heinrich in die vornehme Pariser Gesellschaft eingeführt. Spätestens nach seinem Antrittsbesuch am Versailler Hof war klar, dass er auf dieser "Privatreise" Mittelpunkt europäischen Interesses wurde. Der knapp zweieinhalb Monate währende Aufenthalt war angefüllt mit Besichtigungen von Sehenswürdigkeiten und wissenschaftlichen Einrichtungen sowie Opern- und Theaterbesuchen. Heinrich stand für kurze Zeit im Mittelpunkt der aufgeklärten Welt und sah sich als Mittelpunkt der aufgeklärten Gesellschaft. Von Ludwig XVI. reich mit Kunstwerken beschenkt, kehrte er nach Hause zurück. Als 62-Jähriger unternahm Prinz Heinrich von November 1788 bis März 1789 eine zweite Reise nach Frankreich, die bereits von den ersten vorrevolutionären Unruhen überschattet war. Begeistert und voller Optimismus wohnte der Prinz der Eröffnung der Notabeln-Versammlung in Versailles bei, die über die Reformvorschläge beraten sollte. Für Heinrich erfüllte sich hier sein aufklärerisches Ideal: die Beteiligung der Bürger an den Staatsgeschäften, ohne dadurch die absolutistische Macht des Herrschers anzutasten. Seine finanzielle Lage zwang ihn im Frühjahr 1789 zur Rückkehr und damit auch zur Aufgabe seines Traumes, einen Stadt- und Landsitz in Paris zu erwerben.

DIE GEMÄLDESAMMLUNG(EN) DES PRINZEN HEINRICH (RAUM 33 - BILDERGALERIE)

Eine nicht sehr umfangreiche, aber erlesene Gemäldesammlung lässt sich 1769 im Berliner Palais des Prinzen Heinrich nachweisen. Sie umfasste in beispielhafter Auswahl Werke niederländischer Meister, wie sie der Prinz auf seiner Hollandreise 1768 bewundert hatte. Ihr Schwergewicht bildeten jedoch französische Gemälde des 18. Jahrhunderts, "moderner" in der Zusammenstellung als die berühmte, von Friedrich II. zusammengetragene Kollektion französischer Malerei. Bereits um 1773 verkaufte Prinz Heinrich den größten Teil der 1769 in seinem Besitz genannten Gemälde an Katharina II. Das Doppelporträt zweier Schau-spielerinnen von Jean-Baptiste Santerre gehört bis heute zu den markantesten Stücken der französischen Abteilung in der St. Petersburger Eremitage. Etwa zur Zeit dieser Transaktion richtete sich Prinz Heinrich im Schloss Rheinsberg eine Bildergalerie ein. Ein geeigneter Galerieraum entstand beim Umbau der Kronprinzenwohnung im Obergeschoss des Südflügels. Auch die Rheinsberger Sammlung nahm Stücke aus dem Berliner Kabinett auf. Darunter waren ein Gemäldepaar von François Marot, zwei Tänzerinnenporträts von Nicolas Lancret, mehrere Gemälde von Antoine Pesne und vermutlich "Der Tanz" von Antoine Watteau.

DER HOF DES PRINZEN HEINRICH (RAUM 38/39)

Das Geständnis des Prinzen in seiner Grabinschrift, sein Leben sei "gequält durch die Leidenschaften anderer,/aufgeregt durch die eigenen" kann auch als versteckter, selbstkritischer Verweis auf seine Intimsphäre gelten. Seine Gemahlin konnte nie die Rolle der Geliebten einnehmen. In besonderer Weise übernahmen dies die jeweiligen Favoriten am Hofe des Prinzen, die - oftmals in der Funktion des Adjutanten - auch großen Einfluss auf den leicht entflammbaren und emotional abhängigen Prinzen hatten, was insbesondere am Beispiel Christian Ludwig von Kaphengst zu sehen ist. Die Tagebücher des Kammerherrn Ernst Ahasverus Heinrich von Lehndorff, der die Zahl der Favoriten auf etwa 50 schätzte, sind eine außergewöhnliche Quelle, die die Rolle der Favoriten auch aus dem Blickwinkel eines solchen bewerten. Der prinzliche Hofstaat mit etwa 130 Personen, die große Schar der Gäste, die - wie im Falle der französischen Emigranten - auch für längere Zeit Gast des Prinzen waren, bildete das wirtschaftliche und gesellschaftliche Rückgrat der Stadt Rheinsberg, die nach dem Tode des Prinzen in arge wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet.

BAUINTENDANTEN (RAUM 45-47)

Die Intendanten am Hofe des Prinzen Heinrich blieben im Unterschied zum Vorgänger Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff am kronprinzlichen Hofe weitgehend unbekannt. Ihre Tätigkeit, die sich insbesondere auf die Rheinsberger Residenz konzentrierte, wurde weitgehend durch Entwurfsarbeiten anderer Architekten und Künstler ergänzt, die nicht unmittelbar bzw. nur für kurze Zeit im Dienste Heinrichs standen. Dem sensiblen Gespür des Prinzen für neue künstlerische Entwicklungen ist es zu verdanken, dass es ihm gelang, seine Intendanten, die in ihrer Funktion als Oberaufsicht über den baulichen Zustand seiner Residenzen eine Schlüsselposition am Hofe einnahmen, an moderne Gestaltungsformen im Schloss und Garten heranzuführen. Mit seinem ersten Intendanten Johann Georg von Reiswitz verbinden sich insbesondere die Errichtung der Feldsteingrotte (1753) und des Heckentheaters (1753/1758). Sein Nachfolger Baron von Nischwitz leitete die Umbauarbeiten in der ehemaligen Kron-prinzenwohnung mit dem Bau der Bildergalerie (R. 34) ein. Nach seinem frühen Tod 1764 berief der Prinz Langner zum Intendanten, der u.a. den Obelisk (1765) auf dem Triangelplatz schuf. 1767 wurde Carl Wilhelm Hennert zum Intendanten bestallt, der bis 1785 über vierzig Bauvorhaben in Rheinsberg betreute. 1798 wurde Johann Georg Wilhelm Steinert zum letzten Intendanten berufen, der schließlich auch die Grabpyramide errichtete.

PRINZ HEINRICHS RHEINSBERGER GARTENREICH (RAUM 50 - BILLARDSAAL)

Seit 1753 widmete sich Prinz Heinrich mit Eifer seinem Rheinsberger Garten. Er erweiterte den von Friedrich II. übernommenen Lustgarten anfangs unter Anleitung des Baron von Bielfeld, einem Kenner und Bewunderer englischer Landschaftsgärten. Der Buchenwald des Boberow wurde durch ein Alleensystem zum Park. Die zwischen dem Lustgarten und diesem Park liegenden Boberow-Kabeln wurden einige Jahre später erworben und gestaltet. 1762 schuf man dort die dem Schloss gegenüberliegenden Erdterrassen. Zuerst schmückte der aus dem Siebenjährigen Krieg heimgekehrte Prinz dieses Gelände mit den Insignien siegreicher römischer Feldherren. 1771 wurde mit der Errichtung des hölzernen Grabmals des Vergil ein neues Programm auf diesem, dem Schlosse gegenüberliegenden gärtnerischen Bühnenbild verkündet: Glück und Tugendhaftigkeit des Landlebens. Als Zeugnis des geographischen Interesses des Prinzen kam im gleichen Jahr die bis dahin wilde Remusinsel zum Park, gärtnerisch bepflanzt und mit chinoisen Bauten versehen. Damit war an den Ufern des Grienerick- und des Rheinsberger Sees ein dreiteiliges Gartenreich gewachsen, bestehend aus dem Lustgarten (ca. 20 ha), den Boberow-Kabeln (ca. 56 ha) und dem Boberow-Park (ca. 268 ha). Heimgekehrt aus Frankreich begann der Prinz 1790 eine letzte Gestaltungsphase auf den Boberow-Kabeln. Sie wird geprägt durch Monumente der Freundschaft und Trauer. Der 28-jährige Prinz begann sein Wirken im Rheinsberger Garten mit dem Remusgrab. Seine letzte Gartenarchitektur war die ihm bestimmte Grabpyramide mit der selbstverfassten Inschrift.

FRANZÖSISCHE EMIGRANTEN IN RHEINSBERG (RAUM 52 - WEIßLACKIERTE KAMMER)

Schon vor den revolutionären Unruhen in Frankreich lebten Franzosen unterschiedlicher Herkunft am Rheinsberger Hof. Dazu gehörte u.a. der Kammerherr und spätere Adjutant Pierre-Paul de Royer, den Prinz Heinrich bereits auf seiner ersten Frankreichreise 1784 kennengelernt hatte. Mit den in den 1790er Jahren eintreffenden Revolutionsemigranten war der Hof des Prinzen Heinrich ein typisches Beispiel für das am Ende des 18. Jahrhunderts sehr widersprüchliche und vielfältige frankophone Milieu in Preußen geworden. Der gemeinsame Nenner in Rheinsberg war die Vorliebe für die höfisch-literarische Kultur der gerade untergehenden französischen Aristokratie. Bei aller Verbundenheit mit Frankreich und seiner bedingungslosen Vorliebe für die Kultur und Lebensart dieses Landes ließ sich Heinrich jedoch zu keinerlei Unterstützung abenteuerlicher politischer Bestrebungen umtriebiger Emigranten hinreißen. Die nach der Revolution in Rheinsberg eintreffenden Franzosen gehörten vor allem dem hohen Adel an und waren oft gute Bekannte aus der Zeit seiner Besuche in Paris.

MUSIK UND THEATER (RAUM 53 - SÜDPAVILLON)

Prinz Heinrich war ein begeisterter und gut ausgebildeter Musikliebhaber. Mit Beginn seiner selbständigen Hofhaltung begründete er eine eigene Kapelle. Mehrmals wöchentlich ließ er in seinen Residenzen Konzerte veranstalten. In Rheinsberg fanden diese meist im Spiegelsaal statt. Das Instrumentalrepertoire umfasste ein vom Barock über den Sturm und Drang bis hin zur Klassik reichendes musikalisches Spektrum. Heinrich, der mit einigem Talent mehrere Streichinstrumente spielen konnte, musizierte in kleineren, privaten Kammerkonzerten auch selbst mit. Früh zeigte der Prinz auch eine besondere Neigung zum Theaterspiel, die sich bald zu einer von Enthusiasmus und Kennerschaft getragenen Leidenschaft entwickelte und zur Begründung eines eigenen französischen Theaters führte.

DER 3. AUGUST 1802 (RAUM 57 - SCHLAFKAMMER DER SOMMERWOHNUNG, STERBEZIMMER)

Spätestens mit dem Wechsel zum neuen Jahrhundert begann Prinz Heinrich, der sich nun selbst "eine alte, aus der Mode gekommene Ware" nannte, Vorkehrungen für das Ende seines Lebens zu treffen. Eingehend beschäftigte er sich mit der Art und Weise seiner Bestattung sowie der Gestaltung der eigenen Grablege. In seinem Testament vom Mai 1801 traf er bezüglich des Ortes eine endgültige Entscheidung: "Aus mir bekannten und persönlichen Gründen bitte ich den König [...], in Rheinsberg in meinem Garten in einer Gruft, die ich selbst noch in diesem Jahr bauen lasse habe, beigesetzt zu werden." Für seine letzte Ruhestätte bestimmte Heinrich ein unweit des Schlosses, zwischen Heckentheater und Hauptallee gelegenes Gartenquartier. Hier ließ er ein Grabmonument in Form einer Pyramide errichten, der in Mahnung und Erinnerung an die Vergänglichkeit und Unvollkommenheit des Lebens von Anfang an die obere Spitze fehlte. Der aufmerksam vom Prinzen beobachtete Bau war nahezu fertiggestellt, als die Nachricht von dem sich akut verschlechternden Zustand des 76-Jährigen in Berlin eintraf. Dies veranlasste die Kinder des Prinzen Ferdinand, die ihrem Onkel freundschaftlich zugetan waren, sofort nach Rheinberg abzureisen. Heinrich hatte in den letzten Tagen jegliche ärztliche Hilfe in Befürchtung verweigert, die Medizin würde ihn am Leben erhalten, aber hilflos und "schwachsinnig" werden lassen. Er starb in den Morgenstunden des 3. August 1802 in diesem Raum.

DER PRINZ IM URTEIL DER NACHWELT (RAUM 59)

Mit der Auflösung und dem Verkauf des Nachlasses des Prinzen Heinrich verlor auch die Rheinsberger Residenz in nur wenigen Jahren den größten Teil des originalen Inventars. Damit schwand bereits im 19. Jahrhundert die unverwechselbare Identität, die durch eine reiche Kunst- und Büchersammlung gezeichnet war. Schon nach fünfzig Jahren ist der Prinz "ein Fremder" (Fontane), der auch im Tode seinem königlichen Bruder den Platz freigeben muss. Der Identitätsverlust geriet schließlich zur Fälschung, wenn man Schlossräume, die erst nach dem Tode Friedrichs II. durch Heinrich errichtet wurden, nunmehr auch als Wohnstätten des Kronprinzen ausgab. Der Besucher wurde seit 1903 vom bronzenen Standbild des Kronprinzen begrüßt. Realitätsflucht ist ein wesentliches Motiv für die Fahrt nach Rheinsberg, die ausschließlich dem Geburtsort des friderizianischen Rokokos gilt. Der Gedächtnisschwund war ein getreues Abbild einer Geschichtsschreibung bis ins 20. Jahrhundert hinein, die der Unfehlbarkeit Friedrichs des Großen galt. Kritik am König galt als Majestätsbeleidigung. Vermutlich geben erst die grausamen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts neue Sichten und Bewertungen frei, die "der Nachwelt die Möglichkeit des Vergleichs" (Fontane) einräumt."