Veranstaltung zum Tag der Provenienzforschung am 13. April 2022
Die Bronzeplastik „Ruhende Frau“ des Schweizer Bildhauers Fritz Huf (1888-1970) ist am Dienstag, dem 5. April 2022 aus dem Depot der Berliner Nationalgalerie nach Schloss Schönhausen in Berlin-Pankow zurückgekehrt. Damit endet eine Geschichte, die mit nationalsozialistischem Unrecht begann.
Fast 40 Jahre lang, von 1951 bis 1990, hatte die Bronzeplastik einen Platz im Garten des Schlosses Schönhausen, dem Sitz des ersten (und einzigen) Präsidenten und späteren Gästehaus der DDR. Ursprünglich jedoch gehörte sie in einen anderen Garten. Dieser umgab die Villa des Bankiers Hans Fürstenberg im Berliner Tiergartenviertel. Weil er nach den Nürnberger Gesetzen als Jude galt, musste Fürstenberg das nationalsozialistische Deutschland verlassen, die Villa zwangsweise verkaufen und ihre Einrichtung versteigern lassen.
Die Rückkehr der Plastik wurde nun möglich, weil zwei große deutsche und eine französische Stiftung sowie ein privater Förderverein Hand in Hand gearbeitet haben: 2018 begann der Förderverein Schloss & Garten Schönhausen e.V. mit ersten Nachforschungen zur „Ruhenden Frau“. Zeitgleich arbeiteten Mitarbeitende des Zentralarchivs der Staatlichen Museen zu Berlin an dem Bestandskatalog „Die Sammlung der Nationalgalerie 1905 bis 1945“. In diesem Zusammenhang recherchierten sie intensiv zur Provenienz der „Ruhenden Frau“ und ermittelten die rechtmäßige Erbin. 2021 restituierte die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) die Plastik an die französische Stiftung Fondation Fürstenberg-Beaumesnil. Dank einer fünfstelligen Spende des Fördervereins konnte daraufhin die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) die „Ruhende Frau“ von der Fondation Fürstenberg-Beaumesnil erwerben und sie nach Schloss Schönhausen zurückbringen.
Interessierte, die mehr über die kunsthistorische Bedeutung und die Geschichte der Bronzeskulptur wissen möchten, sind am Tag der Provenienzforschung zu einer Veranstaltung eingeladen:
Mittwoch, 13.04.2022 17:00
Zurück in Schloss Schönhausen: Die „Ruhende Frau“ von Fritz Huf
Vorträge zum Tag der Provenienzforschung 2022
Schlossgarten Schönhausen
Tschaikowskistraße 1
13156 Berlin
Treffpunkt: Eingang Schloss Schönhausen
Eintritt frei
Provenienz-Geschichte der Plastik „Ruhende Frau“
Die „Ruhende Frau“ gehört vor dem Zweiten Weltkrieg Hans (Jean) Fürstenberg. Sein Schwager, der Künstler und Bildhauer Fritz Huf, hat sie 1923 höchstwahrscheinlich in seinem Auftrag geschaffen. Bis mindestens 1932 steht sie im Garten der Fürstenbergschen Villa in Berlin Tiergarten, wie Fotos belegen. Nach seiner Flucht verkauft Fürstenberg seine Villa 1938 an das Reichsfinanzministerium, höchstwahrscheinlich inklusive der Plastik „Ruhende Frau“. Im Juni 1939 zieht das Ehepaar Ernst und Marianne von Weizsäcker ein, die Eltern des späteren Bundespräsidenten. Es ist davon auszugehen, dass Richard von Weizsäcker als Soldat den Heimaturlaub ebenfalls in der Villa verbringt und somit möglicherweise auch die Plastik der „Ruhenden Frau“ sieht. In den folgenden Kriegsjahren 1943 und 1944 zerstören Bomben das Haus, von da an verliert sich die Spur der „Ruhenden Frau“. Erst 1948 wird sie im Schrottlager der tschechoslowakischen Militärmission im Berliner Osthafen aufgefunden. Der Magistrat von Berlin übergibt sie der Nationalgalerie. Im Mai 1951 erfolgt die Aufstellung im abgesperrten Präsidentengarten von Schloss Schönhausen. Wind und Wetter verursachen in den darauffolgenden Jahrzehnten Schäden an der Bronzeplastik. Von September 1990 bis April 2022 wird sie im Depot der Nationalgalerie eingelagert.
Hans (Jean) Fürstenberg – Fondation Fürstenberg-Beaumesnil
Hans (Jean) Fürstenberg wird 1890 in Berlin als Sohn des Bankiers Carl Fürstenberg geboren. Als Jude im Sinne der Nürnberger Rassengesetze von 1935 wird er durch die Nationalsozialisten verfolgt. Zum 31. Dezember 1936 muss er seine Geschäftsinhaberschaft der Berliner Handels-Gesellschaft aufgeben und anschließend nach London und Frankreich fliehen. Im September 1938 verkauft er seine Villa in der Admiral-von-Schröder-Straße, heute Köbisstraße, an das Reichsfinanzministerium. Er kann seine wertvolle Bibliothek ins Exil mitnehmen und so zunächst vor dem Zugriff der Nationalsozialisten retten. In Frankreich leben Hans und seine Frau Eugénie Fürstenberg in Paris und im Schloss Beaumesnil in der Normandie. Nach der deutschen Besatzung Frankreichs 1940 fliehen sie in die Schweiz. Schloss und Pariser Wohnung werden 1940 durch den Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg beschlagnahmt und die Bibliothek verschleppt. Nach dem Krieg kehrt das Ehepaar Fürstenberg nach Beaumesnil zurück. Hans und Eugénie sterben 1982 kinderlos im Abstand von wenigen Monaten. Schon 1964 hatten sie die Fondation Fürstenberg-Beaumesnil gegründet, die heute Schloss Beaumesnil und den dazugehörigen Schlosspark verwaltet und der Öffentlichkeit zugänglich macht (https://www.chateaubeaumesnil.com/en/).
Förderverein Schloss & Garten Schönhausen e. V.
Der Förderverein Schloss & Garten Schönhausen e. V. wurde 2009 gegründet. Sein Ziel ist es, das Schloss als Geschichtsort bekannter zu machen und die SPSG bei der Pflege und Ausstattung von Schloss und Garten zu unterstützen. Mit wechselnden Schwerpunkten folgt die Vereinsarbeit der 300-jährigen Geschichte des Ortes – vom adligen Landsitz und Ort der Geheimverhandlungen zur Krönung Friedrichs III. (1657-1713) zum „König in Preußen“ zum königlichen Sommerschloss, vom Kunstmuseum und Zentraldepot der „Entarteten Kunst“ über den Amtssitz des Präsidenten der DDR, Wilhelm Pieck, bis zum Gästehaus der DDR-Regierung und schließlich Ort des Zentralen Runden Tisches und der 2+4-Verhandlungen. Seit 2014 werden gezielt einzelne Projekte gefördert. Zuletzt konzentrierten sich alle Anstrengungen auf die „Ruhende Frau“. Aktuell richtet sich die Arbeit darauf, den Schlossgarten als Denkmal sichtbarer zu machen und die Besucherinnen und Besucher in die Pflege des einzigartigen Gartendenkmals miteinzubeziehen.