Die Wiederentdeckung der Egeria

Fragmente der Nymphen-Skulptur bei Sanierungsarbeiten an der Egeria-Grotte in Rheinsberg gefunden

"Um 1790 wurde im Schlossgarten Rheinsberg die Egeria-Grotte für den Prinzen Heinrich errichtet und mit einer Figur der namengebenden Nymphe aus "gebranntem Ton" geschmückt. Schon bald nach dem Tod des Prinzen 1802 setzte der Verfall der Anlage ein. Das große Gewölbe stürzte um 1900 ein. Da auch der gewölbte Zugang einzustürzen drohte, wurden Eingang und Fenster vermauert und der Gang verfüllt. Bei Sicherungsarbeiten in den 1980er Jahren wurde das Grottengewölbe nicht wieder aufgeführt.

Seit 2006 wird die Grotte von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) mit großzügiger finanzieller Hilfe in Höhe von 160.000 Euro der Freunde der Preußischen Schlösser und Gärten saniert. Bei den Voruntersuchungen in Archiven und am Bauwerk wurden bereits überraschende Entdeckungen gemacht. So wurden bislang unbekannte Fotos vom Ende des 19. Jahrhunderts gefunden, die noch das intakte Grottengewölbe zeigen. Die archäologischen Untersuchungen konnten den noch aus der Erbauungszeit erhaltenen Uferverbau des vorgelagerten Teiches nachweisen und die Fundamente des oberhalb der Grotte gelegenen Bacchustempels freilegen. Ebenso wurden erste Überreste der einstigen Dekoration des Grottenraumes (Grottierwerk) gefunden wie Marmorstücke, farbige Glassteine und weiße Terrakotta-Muscheln in verschiedenen Größen.

Um so sensationeller war es, als im Zuge der Wiederherstellung des Uferverbaus vor dem Grottenraum ein Bauarbeiter am 19. September diesen Jahres zuerst den Teil eines Fußes der bisher verschollenen Figur der Egeria aus dem Schlamm zog. Daraufhin wurde sämtlicher Aushub gesiebt und das Gelände archäologisch ergraben, so dass im weiteren Verlauf der Grabung der Kopf, Teile von beiden Füßen, eine Hand und Gewandfragmente gefunden wurden. Dass sich noch wichtige Teile der originalen Skulptur aus Terracotta erhalten haben, ist überraschend, da die Figur in den historischen Garteninventaren bereits 1802 als "beschädigt", 1821 als "höchst desolat" beschrieben und 1843 "wegen Schadhaftigkeit fortgenommen" wurde. Der Fund ist außerdem insofern eine Sensation, als bisher keine historischen Darstellungen der Grotte mit der Egeria-Figur bekannt sind und das Aussehen der Figur nicht mit ausreichender Sicherheit ermittelt werden konnte. Nun kann abgesichert werden, dass die Figur einem berühmten antiken Vorbild in Rom folgt und nicht dem Bildwerk der ab 1788 errichteten Egeria-Grotte in Wörlitz, die Prinz Heinrich auf der Durchreise, aus Frankreich kommend, 1789 gesehen haben kann. Die "Grotte der Egeria", ein Nymphäum im Tal vor der Porta Campena in Rom, war im 18. Jahrhundert durch Reisende, aber vor allem durch Darstellungen wie die Kupferstiche Piranesis berühmt geworden. Das Abbild der Grotte mit der Nymphe Egeria, die der Sage nach dem König Numa Pompilius (715-672 v. Chr.) Ratschläge zu einer vernünftigen Regierung erteilt hatte, fand vielfachen Niederschlag in Gartenarchitekturen des 18. Jahrhunderts. Die darin dargestellte liegende Nymphe ist als antike Skulptur im Vatikan überliefert und wurde auch als Schlafende Ariadne oder Kleopatra bezeichnet. Während in Wörlitz eine freie Nachahmung geschaffen wurde, hielten sich andere Darstellungen wie die Rheinsberger enger an das antike Vorbild.

Die Instandsetzung der Egeria-Grotte

Aufgrund der dichten Befundlage musste bei den Instandsetzungsarbeiten der Grotte mit äußerster Vorsicht vorgegangen werden. Zuerst galt es, die Ursachen für den fortschreitenden Verfall zu beseitigen: Der Erddruck, der von dem anstehenden Hang auf das Gebäude lastete und die Mauern verdrückt hatte, wurde mittels steingefüllter Drahtgitterkörbe (Gabione) abgefangen, die hinter der Grotte als Stützbauwerk in den Hang gesetzt

wurden. Das erdberührende Mauerwerk wurde saniert und gegen eindringende Feuchtigkeit gedichtet. Danach konnte der Grottengang von der Verfüllung beräumt werden. Das Verfüllmaterial wurde vollständig gesiebt, da sich auch hierin Reste des ehemaligen Grottierwerks fanden.

Die Entscheidung, den Grottenraum wieder mit einem Tonnengewölbe zu schließen und die Flügelmauern in ihrer ursprünglichen Höhe aufzuführen, wurde vor allem mit der besseren Fernwirkung der Grotte begründet, die als Blickpunkt am Ende der großen Querallee liegt. Für das neue Gewölbe sprachen aber auch statische Gründe, da es den Grottenwänden zusätzliche Stabilität gibt. Über die genaue Dekoration des Grottenraumes ist außer Inventarbeschreibungen und die jüngsten Materialfunde nichts bekannt, so dass auf eine weitergehende Oberflächengestaltung verzichtet wurde. Da die restauratorische Befundung lediglich nachweisen konnte, dass die Gewölbe- und Mauerwerksflächen mindestens geschlemmt waren, wurden die neu aufgeführten Backsteinoberflächen mit einem dünnen Putz überzogen.

Das denkmalpflegerische Konzept zur Instandsetzung der Egeria-Grotte plädierte schon mit der Entscheidung zur Wiederherstellung der ursprünglichen Grottenraumgeometrie langfristig für das Aufstellen einer Ersatzfigur anstelle der verschollen geglaubten Egeria-Figur. Da aber über die Originalfigur wenig bekannt war, wurde die weitere Gestaltung offen gelassen. Die Instandsetzung des Grottenbauwerks und des gärtnerischen Umfelds werden in diesem Jahr abgeschlossen. Angesichts der spektakulären Funde in Rheinsberg wird die SPSG die bisherige denkmalpflegerische Konzeption für eine künftige Gestalt des Grottenraums präzisieren können.

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