Ein Quart Geschichte. 600 qm friderizianisches Rokoko: Der Marmorboden im Neuen Palais

"Im Neuen Palais von Sanssouci fügt sich der 600 Quadratmeter große, reich inkrustierte Fußboden wie ein ornamentaler Teppich in den architektonisch streng gegliederten Marmorsaal des Neuen Palais. In seinen Dimensionen, durch seinen künstlerischen Entwurf und in seiner handwerklichen Ausführung stellt der Fußboden ein Meisterwerk der Innenraumdekoration dar, das in der europäischen Schlossbaukunst des 18. Jahrhunderts einmalig ist.

Friedrich der Große schätzte die dekorative Wirkung farbiger Natursteine und setzte sie vor allem für die Ausgestaltung der Festsäle in seinen Potsdamer Schlössern ein. Beim Fußboden des Marmorsaals wurde der variationsreiche und filigrane Ornamentstil des friderizianischen Rokoko, der sonst Wände, Decken und kunsthandwerkliche Objekte überzieht, auf die große steinerne Fläche übertragen.

Vier dominante Gurte, deren Ecken von üppigen Blattrocaillen besetzt sind, spannen den Fußboden in die Diagonalen und stellen ein Grundgerüst architektonischer Stabilität her. Diese leicht schwingenden Bögen führen zu einem querovalen Mittelstück, das von einer Girlande aus farbigen Blumen und Früchten umspielt wird. Dazwischen adaptieren Füllflächen das Motiv der zahlreichen mosaizierten Felder in Form eines schwarz-weißen Schachbretts mit quadratischen bzw. rautenförmigen Platten.

Der wohl durchdachte Entwurf lässt die Augen des Betrachters, der von seinem Standpunkt aus jeweils nur einen Ausschnitt aus dem Ganzen erfassen kann, unweigerlich die Schwingungen und Bewegung der in Stein geschnittenen Formen verfolgen. Durch die vielfältige Kombination relativ weniger Steinsorten wurde eine außerordentlich lebendig wirkende Farbigkeit erzielt.

Die Ausführung des Fußbodens 1766/67 hatten der künstlerisch und unternehmerisch vielseitig tätige Melchior Kambly und der Dekorationsbildhauer Matthias Müller übernommen, wobei man sicher ersterem die Gesamtleitung zuschreiben kann.

Beim Bau der Decke war eine sehr große Spannweite von 18,40 m zu überbrücken, wobei aufgrund der Geschosseinteilung nur eine sehr geringe Konstruktionshöhe zur Verfügung stand. Die Baumeister hatten Friedrich empfohlen, die Decke als Gewölbekonstruktion aus Mauerwerk herzustellen, wodurch im Grottensaal eine engere Pfeilerstellung erforderlich geworden wäre. Dies lehnte Friedrich ab und bestand auf der hölzernen Zwischendecke.

Sofort nach Einbau dieser Konstruktion senkte sich im Marmorsaal bereits der Fußboden, da der Marmor zu schwer war und das Holz aufgrund des Termindruckes vor dem Einbau nicht genügend ausgetrocknet war. Hinzu kam, dass durch das Schleifen des Marmorbodens weitere Feuchtigkeit in die Konstruktion eindrang und diese schädigte. Bereits 1774 musste daher die gesamte Decke wieder geöffnet werden. Neben die geschädigten Balken wurde eine hölzerne Sekundärkonstruktion eingebaut, die die Lasten aufnehmen sollte. Aber schon 1785 wurden erneute Schäden festgestellt, da das neue Holz von den Pilzen der alten Konstruktion befallen wurde. Eine erneute Sanierung war damals geplant, wurde aber nicht ausgeführt.

Ziel der jetzigen von SPSG-Restaurator Stefan Klappenbach betreuten Restaurierungsarbeiten ist es, den Marmorboden als einzigartiges Kunstwerk zu erhalten. Dabei wird die 250jährige Nutzungs- und Restaurierungsgeschichte mit der Lebendigkeit der Oberflächenstruktur bewahrt.

Nach den statischen Untersuchungen und einer 1:1 Dokumentation in Form von Messbildern werden die Restauratoren im Frühjahr 2010 mit den Arbeiten beginnen. Stück für Stück wird dann je nach vorgefundener Substanz (Originalsubstanz, Ergänzungen in Naturstein und Stuckmarmor sowie Notreparaturen etwa mit Gips und Beton) die Restaurierungsmethode festgelegt, wobei den historischen Technologien der Vorzug gegeben wird. Parallel müssen zwölf Skulpturen umgesetzt und ihre Postamente und Sockel bearbeitet werden."