Eines der Hauptwerke der Gemäldesammlung kehrte in die Bildergalerie zurück

"Der blinde Homer" von Nicolas Régnier ist wieder in Sanssouci zu sehen

"Nicolas Régnier wurde um 1590 in Maubeuge geboren. Von 1620 bis etwa 1626 arbeitete er in Rom und geriet dort unter den beherrschenden Einfluss Caravaggios. Mit dem Marchese Vincenzo Giustiniani konnte er einen der wichtigsten Sammler seiner Epoche als Auftraggeber gewinnen. Die Ausstellung „Caravaggio in Preußen“ im Berliner Alten Museum hat 2001 die Bedeutung der Sammlung Giustiniani auf beeindruckende Weise demonstriert.

Régnier hat das Homer-Porträt als ein ‚Porträt nach der Natur‘ nach dem lebenden Modell gemalt. Der berühmte Dichter erscheint in den Zügen eines Blinden, mit ausgemergeltem Gesicht, kahlem Schädel, den Kopf umgeben von einem armseligen Lorbeerkranz. Wie sein Vorbild Caravaggio weigert sich Régnier, das Alter zu idealisieren - er beschreibt ausführlich die Falten, die vorspringenden Knochen, die grauen Haare, die welke Haut des Halses, die verknöcherten Hände - und übersetzt den Schrecken der Blindheit in das Detail des aus der Augenhöhle verdrehten, weißen Auges.

Das Thema des Gemäldes, „Der blinde Homer, die Geige spielend“, war zu dieser Zeit extrem selten. Das Bild weist auf die griechische Sitte hin, Musik mit der Deklamation von Versen zu verbinden. Homer wurde traditionell als blinder Alter dargestellt, mit edlen Gesichtszügen, gelockter Frisur und langem Bart. Dieses antike Idealporträt des griechischen Dichters war in Rom seit dem Ende des 16. Jahrhunderts in verschiedenen Marmorversionen bekannt, eine davon in der Giustiniani-Sammlung. (Auch Friedrich II. besaß später eine Version dieses Skulpturenporträts, die sich in der Bibliothek des Schlosses Sanssouci erhalten hat.) Régnier stellte sich mit seinem Gemälde offen gegen diese Tradition. Für ihn ging es nicht darum, das konventionelle, vom antiken Modell abgeleitete Bild Homers in Malerei zu übersetzen, vielmehr wollte er dem berühmten Sänger durch das ‚naturalistische‘ Porträt eines armen, alten Blinden, der die Geige spielt, Leben einhauchen.

Die Bildergalerie von Sanssouci birgt eine der bedeutendsten Sammlungen italienischer Barockmalerei in Deutschland. Die wichtigste Gruppe dieser Werke gelangte 1829 in die preußischen Schlösser. 1815 hatte Friedrich Wilhelm III. die römische Barocksammlung der Brüder Benedetto und Vincenzo Giustiniani erworben, die in Paris zum Verkauf stand. In der Folge wurden die Gemälde zwischen dem neu gegründeten Berliner Museum (der heutigen Gemäldegalerie) und den Schlössern aufgeteilt. Dabei erhielten die Schlösser 76 Werke der Sammlung, darunter Hauptwerke wie den „Ungläubigen Thomas“ von Caravaggio. Zu dieser Zeit gelangten auch drei Gemälde des Malers Nicolas Régnier in die Schlösser, von denen zwei heute in der Bildergalerie hängen, das großformatige „Gastmahl zu Emmaus“ und der „Blinde Homer“. Sie gehören zu den bedeutendsten Werken Régniers, der wiederum als einer der wichtigsten Maler gilt, die in Rom unter den direkten Eindruck der revolutionären Werke Caravaggios gerieten.

Der „Blinde Homer“ war seit 1945 verschollen und ist vor kurzem in Paris aufgetaucht. Nach der erfolgreichen Rückerwerbung durch die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg ist dieses Hauptwerk der römischen Barockmalerei nun wieder in den preußischen Schlössern zu sehen.

Nicolas Régnier: „Der blinde Homer“ (um 1622/1623), Öl auf Leinwand, 119 x 95 cm"