Das Stibadium von Sanssouci erstrahlt im neuen Glanz

Mit Abschluss der Sanierung erhält der Paradiesgarten im Park Sanssouci sein architektonisches Kleinod zurück

Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) hat die vom Freundeskreis des Botanischen Gartens der Universität Potsdam e.V. im Jahr 2008 initiierten Sanierungsarbeiten am Stibadium im Paradiesgarten des Parks Sanssouci beendet, die aus Mitteln des Masterplans und Dank einer großzügigen Spende der Hasso-Plattner-Förderstiftung, gemeinnützige GmbH, über die Deutsche Stiftung Denkmalschutz in Höhe von 265.500 Euro finanziert werden konnten. Die Gesamtkosten belaufen sich auf ca. 830.000 Euro zuzüglich 33.000 Euro für die Wiederherstellung des gärtnerischen Umfelds. Die offizielle Einweihung des Stibadiums erfolgt am Tag des offenen Denkmals, dem 13. September 2009, ab 13 Uhr (siehe beigefügtes Programm) Baugeschichte Das Stibadium im Paradiesgarten wurde 1846 unter Friedrich Wilhelm IV. nach Entwürfen von Ludwig Persius errichtet. Friedrich Wilhelm hatte dabei erheblichen Anteil am Ideenfindungs- und Planungsprozess. Die Bepflanzung des Paradiesgartens erfolgte nach Vorgaben von Peter Joseph Lenné 1841 bis 1845 durch Hermann Sello mit Mais, Kürbis, Weinspalieren etc. als südländischer Garten. Bereichert wird er durch Kleinarchitekturen wie das Stibadium, das von Terrakottasäulen getragenen Eingangsportal und die Wasserkaskade. Die Beschreibungen Plinius´ über seine Landgüter Laurentium und Tuscum führten zu umfangreichen Rekonstruktionsversuchen und dienten zu Neuschöpfungen unter der Bezeichnung "Antikes Landhaus", an denen sich Friedrich Wilhelm IV. intensiv beteiligte und seine Architekten dementsprechend involviert waren. Der Paradiesgarten ist letztlich die bauliche Umsetzung in kleinem Maßstab. Ludwig Persius war als Architekt in den Entwurfsprozess für das Stibadium und die Sandsteinpergola mit dem aus Terrakottasäulen gebildeten Eingangsportal tätig. Das Stibadium wurde in Form eines Atriums ausgeführt. Das Atrium, in der römischen Antike ein nach innen orientierter Raum mit einer Öffnung im Dach, ist stets Teil einer größeren baulichen Anlage und wurde hier zum Einzelbauwerk mit der Funktion einer Gartenarchitektur. Deshalb bedurfte das Atrium nun aufgrund seiner Außenwirkung einer Fassadengestaltung. Im Paradiesgarten übernehmen die angrenzenden Pergolen die Aufgabe, den Besucher durch einen umschlossenen Bereich in den im inneren gelegenen Bereich, das Atrium, zu führen. Die beiden Eingänge im Norden und Süden, sowie die portalartige Öffnung nach Osten geben dem Stibadium eine Transparenz, ohne ihm seine Abgeschlossenheit zu nehmen. Zusammenhalt bekommt die Architektur durch die umlaufenden Triglyphen, die hier im Wechsel mit rechteckigen Öffnungen, in denen ursprünglich weiße, rubinrote, blaue und grüne Glasvasen standen. Im Inneren sind die Wände mit Landschaftsdarstellungen von Karl Lompeck (1848) geschmückt. Das Bauwerk und der Paradiesgarten wurden bis in das 20. Jahrhundert bestimmungsgemäß als sommerlicher angenehmer Aufenthaltsort genutzt. 1937 wurde die Anlage nach Plänen H. Schefflers grundlegend umgestaltet, die gärtnerische Anlage von Hermann Sello ging dabei verloren. Die bauliche Ausstattung blieb teilweise erhalten. Seit den 1950er Jahren wurde der Paradiesgarten als Botanischer Garten (heute Universität Potsdam) umgenutzt und entsprechend den neuen Anforderungen umgestaltet. In den 1990er Jahren wurden erste Instandsetzungsarbeiten durch das Landesbauamt Potsdam durchgeführt: Dabei erfolgte die Instandsetzung der Pergola an der Maulbeerallee und die Rekonstruktion als doppelhüftige Pergola, die Wiederherstellung und Komplettierung des repräsentativen Eingangs mit den Terrakottasäulen und der Bagnerole, sowie die Instandsetzung und Komplettierung der Kaskade östlich des Stibadiums. Bau- und Restaurierungsmaßnahmen Neben dem Verlust der historischen Gartenstruktur und der damit einhergehenden Aufgabe der Einheit von Garten und Gartenarchitektur wies das Stibadium ein Schadensbild auf, das augenscheinlich vor allem strukturelle Schäden (Risse), Oberflächenverluste (Putz) und Verwitterungen am Dachwerk erkennen ließ. Die hölzerne Dachkonstruktion des Atriums war stark geschädigt. Daneben sind mehrere teilweise unsachgemäß ausgeführte Instandsetzungsmaßnahmen zu erkennen, die die Bausubstanz des Stibadiums gleichsam in Schichten überlagern. Besonders aber wurde das ursprüngliche Erscheinungsbild des Stibadiums durch die Entfernung von bestimmenden Teilen der Bauornamentik stark verändert. Im Vorfeld der Planung und der Sanierungsarbeiten wurden umfangreiche Recherchen zu Bau-, Restaurierungs- und Kunstgeschichte sowie ein verformungsgerechtes Aufmaß erstellt. Auf Grundlage intensiverer Voruntersuchungen wie Bauforschungen zu Konstruktion, Materialien und Bauschmuck sowie durch Kartierungen und Analysen zu sichtbaren Bauschäden konnte ein Denkmal- und Sanierungskonzept speziell zugeschnitten für dieses Gebäude erarbeitet werden. Das Konzept sieht vor, das Gebäude behutsam zu reparieren. Dabei sollen Spuren der Vergangenheit bewahrt werden. Zum Verständnis der Architektursprache erforderliche Fehlstellen werden geschlossen. Folgende Bau- und Restaurierungsmaßnahmen werden im Einzelnen durchgeführt: - Instandsetzung der Gründung zur Vermeidung weiterer Setzungen - Restauratorische Reparatur und statische Ertüchtigung des hölzernen Atriumdaches - Neueindeckung aller Dächer - Rissverpressungen und Putzreparaturen an den Wänden - Reparatur der Putzoberflächen und Neufassung der Außenwände nach hist. Befund - Restaurierung der Farbfassungen auf Wänden und Holzbauteilen - Reinigung und Restaurierung der Sandsteinbauteile und Terrakottasäulen - Restaurierung und Aufstellung der Marmorbänke - Erneuerung der Gitter und Gittertüren - Reinigung und Reparatur des Brunnenbeckens - Reinigung und Reparatur der Fußbodenmosaike - Anfertigung und Aufstellung von Kopien der Glasvasen in den Metopenfeldern des Gebälks - Neuerrichtung und Fassung der umgebenden Pergolen - Wiederherstellung des ursprüngliche Niveau des umgebenden Gartens Nach der Restaurierung des Stibadiums kehrt auch die Brunnenfigur in das Innere des Wasserbeckens zurück. Es ist ein "Adler, der ein Reh schlägt" von Friedrich Leopold Bürde. Die dramatische Tierkampfgruppe war schon für die Ausstellung "Friedrich Wilhelm IV. Künstler und König" 1995 aus Fragmenten restauriert worden. Der Originalguss aus der Erbauungszeit geht auf ein Gipsmodell zurück, dass der Berliner Maler und Bildhauer 1846 auf der Ausstellung der Akademie der Künste ausgestellt hatte. Ebenfalls aus der Originalausstattung des Stibadiums sind zwei von ehemals vier balusterförmigen Terrakottavasen erhalten, die der Berliner Ofen- und Terrakottafabrikant Ernst March 1846 angefertigt hat. Sie werden nun wieder am Rand des Wasserbeckens aufgestellt. Die Glasvasen Das Stibadium überraschte ursprünglich mit einem einzigartigen Baudekor: In den 40 offenen Feldern des Frieses am oberen Abschluss des Gebäudes befand sich je eine große Vase aus farbigem Glas. Der Raumeindruck muss, besonders bei einfallendem Sonnenlicht, beeindruckend und einzigartig gewesen sein, denn der großzügige Einsatz farbigen Glases auf engstem Raum ist für jene Zeit äußerst ungewöhnlich. Von den ursprünglich 40 Exemplaren sind heute nur noch 14 erhalten, davon sechs unbeschädigt. Die Zuwendung der Hasso-Plattner-Förderstiftung über die Deutsche Stiftung Denkmalschutz schließt auch die Neuanfertigung der Vasen ein, so dass die SPSG die fehlenden Glasvasen kopieren lassen konnte und das Stibadium nach Abschluss der Sanierung seinen außergewöhnlichen Vasenschmuck zurück erhalten hat. Die ursprünglichen, 40 bis 60 cm hohen Vasen wurden mit großer Sicherheit in der Gräflich Schaffgotschen Josephinenhütte in Schreiberhau, Schlesien (heute: Szklarska Poreba, Polen), in der Friedrich Wilhelm IV. häufig bestellt hat, gefertigt. Die Glasmasse und Färbung war bei allen Vasen auffallend gleichmäßig und qualitätsvoll. Um so komplizierter und langwieriger gestaltete sich jetzt ihr Kopieren. Die ehemalige Josephinenhütte existiert heute nicht mehr. Mit Hilfe des schon häufig für die SPSG tätig gewesenen, im nordböhmischen Kamenický Senov arbeitenden Glasverlegers Peter Rath wurde in Tschechien eine Farbglashütte gefunden, deren Mitarbeiter noch heute in der Lage sind, die benötigten Glasfarben zu kopieren und die über Glasmacher verfügt, die diese schwierige und komplizierte Arbeit ausführen können. Als Berater fungierte dabei der Glastechnologe und -historiker Rudolf Hais aus Novy Bor. Bei der Einweihung des Stibadiums am Tag des offenen Denkmals, dem 13. September 2009, besteht Gelegenheit, sieben rekonstruierte Vasen in verschiedenen Farben für Preise ab 460 Euro, 600 Euro und 640 Euro (abhängig von der Größe) zu ersteigern. Der Erlös ist dafür vorgesehen, weitere Ersatzvasen zu erwerben. Die Restaurierung des Stibadiums und die Aufstellung der in Tschechien kopierten, leuchtend farbigen Glasvasen war Anlass für die Museumsshop Freunde der Preußischen Schlösser und Gärten GmbH, verkleinerte Nachbildungen (17 cm) einer Vasenform in granatrot und transparentgrün anfertigen zu lassen. Diese Vasen sind erhältlich in den Museumsshops im Schloss Sanssouci und im Schloss Charlottenburg für 49,95 Euro (2 Vasen 80 Euro). Infos dazu im Museumsshop: www.museumsshop-im-schloss.de Die Pergolen und das gärtnerische Umfeld Außer dem Gebäude hat die SPSG die Wege- und Platzflächen und das Pergolasystem um das Stibadium im ehemaligen Paradiesgarten nach dem Zustand um 1853 / 1855 wiederhergestellt. Erneuert wurden die Wegeflächen und die Rasenmanschette um das nördlich liegende Wasserbecken, die Wegeanbindung zur Brücke über den Wasserlauf, die Wegezuführung vom Eingang an der Maulbeerallee und die Platzausbildung in der Achse der sich östlich befindenden Wasserkaskade. Besonders die Ausbildung der seitlich der Wasserachse laufenden Blumenbeete mit den auslaufenden Bögen nach einer Vedute aus dem 19. Jahrhundert in die symmetrische Platzfläche lässt und die achsiale Verbindung vom Aussichtsaltan oberhalb der Kaskade über die große Wandöffnung im Stibadium wieder erlebbar werden. Die wegen des Rückbaues einer vor dem Zweiten Weltkrieg eingefügten Betonstufe an der südlichen Eingangsfront komplizierten Höhenverhältnisse in der Umgebung des Bauwerkes wurden an das ursprüngliche Niveau angeglichen. In Auswertung der historischen Abbildungen wurden die Pergolapfosten mit Spanndrähten zum Sibadium versehen. In enger Abstimmung mit dem Botanischen Garten sollen daran wieder die zur Lennézeit verwendeten Kletterpflanzen wachsen, wofür im Botanischen Institut eine Bachelorarbeit angefertigt wurde. Einige alte Stöcke von Wildem Wein wurden erhalten und während der Bauzeit an anderer Stelle kultiviert. Eine weitere Herstellung der Pergolen über das nördliche Wasserbecken und über den Zugangsweg von der Maulbeerallee sollen später folgen. Nach dem Tag des offenen Denkmals wird das Stibadium von außen zu besichtigen sein. Innenbesichtigungen sind an den folgenden vier Sonntagen ab 11 Uhr nach Anmeldung unter 0331/ 96 94 202 möglich.