Königlicher Schreibtisch bleibt in Schloss Sanssouci

Der kostbare Schreibtisch Friedrichs des Großen gehört zu den erlesensten Kunstwerken in der ehemaligen königlichen Sommerresidenz

"Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) konnte den französischen Schreibtisch Friedrichs des Großen für Schloss Sanssouci sichern. Zu Beginn des Jahres 2002 stellte eine Erbengemeinschaft überraschend Antrag auf Restitution des Schreibtischs im Schloss Sanssouci. Der im Ergebnis ausgehandelte Rückkauf stellt einen Glücksfall dar, hätte die Abgabe des Ebenistenmöbels doch einen empfindlichen Verlust für die kostbare Ausstattung des Weinbergschlosses bedeutet. Diese glückliche Lösung eines Restitutionsfalls des NS-bedingt entzogenen Kulturgutes ist der Unterstützung der Kulturstiftung der Länder sowie der Erbengemeinschaft zu verdanken. Der Tisch ist aufgrund seiner großen Bedeutung in das Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes eingetragen.

Seit 2003 untersucht die SPSG ihre Bestände systematisch auf die Existenz unrechtmäßig entzogenen Kunstgutes. Dabei wurde festgestellt, dass ca. 1.000 Objekte vermutlicher Fremdbesitz sind, also die Eigentumsfrage zu überprüfen ist. Viele dieser Objekte zählen zu großen Konvoluten, darunter eine Bibliothek mit über 600 Büchern. Weiterhin sind es u.a. Gemälde, Skulpturen, Möbel, Graphik, Porzellan und Metallgegenstände. In den meisten Fällen befinden sich die Kunstwerke aufgrund ihres geringen künstlerischen Wertes oder der fehlenden Beziehung zum Sammlungszusammenhang der SPSG bereits seit Jahrzehnten in den Depots.

Der Fremdbesitz gelangte aus unterschiedlichsten Herkunftsbereichen in die Bestände der SPSG. Der Großteil stammt aus brandenburgischen Schlossbergungen, die im Rahmen der Bodenreform durchgeführt wurden, anderen Enteignungen der Sowjetischen Militäradministration, aber auch aus fehlgeleiteten Kriegsverlagerungen, sowohl aus privater Hand als auch von anderen deutschen Museen. Auch fehlgeleitete Rückgaben von Museumsgut, das anlässlich der sowjetischen Rückgabeaktion von Beutekunst 1958/59 nach Potsdam kam, konnten in den Beständen identifiziert und restituiert werden. In den vergangenen drei Jahren wurden 70 Kunstwerke an ihre rechtmäßigen Eigentümer zurück gegeben.

Anfragen jüdischer Alteigentümer bzw. von deren Erben wurden in den ersten Jahren nach der Wende nicht an die Stiftung herangetragen. Die Provenienzforschung der vergangenen drei Jahre eruierte in Selbstinitiative bislang acht Fälle NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kunstgutes in den Beständen der SPSG.

Schloss Sanssouci wurde 1745-1747 nach Plänen von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff erbaut. Für sein Schlafzimmer, das auch als Arbeitsraum diente, ließ der Monarch im Herbst 1746 in Paris durch Friedrich Graf von Rothenburg den Schreibtisch gemeinsam mit einem Aktenschrank erwerben. Die Rechnung lautete: "Pour un bureau à écrire avec des ornements de bronze doré d"or moulu avec un serre des papiers et une pendule de bronze doré déor moulu dessus, 2000 écus". Als Schöpfer wird der berühmte Ebenist Jean-Pierre Latz angenommen.

Der Restitutionsfall war auch Anlass für umfangreiche kunsthistorische und naturwissenschaftliche Analysen des Schreibtischs. Von Fachleuten war die Frage aufgeworfen worden, ob es sich um ein Stück des 19. Jahrhunderts handeln könnte. Holzbiologische und dendrochronologische Untersuchungen haben die Zweifel an der Echtheit des Schreibtisches jedoch nicht bestätigt.

Der Schreibtisch vom Typ eines "Bureau plat" ist mit exotischem Satinholz furniert. Das Konstruktionsholz ist Eiche. Der Korpus ist mit feuervergoldeten Bronzebeschlägen in Form von Rocaillen, Akanthusranken und Palmwedeln dekoriert. Auffälligster Schmuck sind die zierlichen vollplastischen Bronzeköpfe in den Einziehungen der Beine - zwei Mädchen- (sog. "Espagnolettes") und zwei Jünglingsköpfe.

In dem überaus reichen, filigranen Bronzeschmuck, der sich über das gesamte Möbel zieht, ist die Vorliebe Friedrichs des Großen für kostbare Bronzeobjekte zu erkennen. Mit seinen lebendig geschwungenen Pflanzenranken fügt sich der Schreibtisch harmonisch in die Raumgestaltung von Sanssouci ein. In der Innenarchitektur des Baus lassen sich zahlreiche Naturbezüge finden, etwa Eichen- und Weinlaubblätter an den geschnitzten und vergoldeten Konsoltischen in der Kleinen Galerie. Wahrscheinlich handelt es sich bei dem Schreibtisch um eine Auftragsarbeit für den preußischen Monarchen. Welche Bedeutung er für Friedrich II. einnahm, lässt sich an dem Umstand ablesen, dass er sowohl den Schreibtisch als auch den Aktenschrank in anderer Materialkombination kopieren bzw. vereinfacht nachbilden ließ; diese Möbel sind, von einer Ausnahme abgesehen, in den Potsdamer Schlössern bzw. in Warschau erhalten.

König Friedrich Wilhelm II. (reg. 1786-1797) ließ das Schlafzimmer im Schloss Sanssouci im Stil des Klassizismus umgestalten. Einen Teil der Möbel seines Onkels und Vorgänger verschenkte er an den Kastellan, darunter den prächtigen französischen Schreibtisch. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts kehrte das Bureau plat in die preußischen Schlösser zurück. Auf einem Interieur-Aquarell ist es um 1860 im Berliner Stadtschloss zu sehen. Wohl 1873 brachte man es ins Neue Palais nach Potsdam. Aus ungeklärten Gründen wurde der Schreibtisch 1924 an Prinz Wilhelm, den letzten deutschen Kronprinzen, nach Schloss Oels in Schlesien abgegeben. Von dort gelangte er 1926 an die Altkunst Antiquitäten GmbH in Berlin. Deren Direktor, der jüdische Kunsthändler Jakob Oppenheimer, und seine Ehefrau Rosa erbten drei Jahre darauf die Firma und mit ihr den Schreibtisch.

Als Jakob Oppenheimer im März 1933 aus Berlin fliehen musste, um einer bevorstehenden Verhaftung zu entgehen, nahm er den Schreibtisch mit ins Exil nach Paris. Im Februar 1934 wurde ihm in Deutschland eine Reichsfluchtsteuer auferlegt. In der Hoffnung, seinem Sohn eine spätere Rückkehr zu ermöglichen und um seinen Schwiegersohn zu schützen, beglich Jakob Oppenheimer diese im Januar 1935 mit der Abgabe des Schreibtisches an das deutsche Finanzministerium, das den Schreibtisch unmittelbar danach an die Schlösserverwaltung übergab.

In der Reihe "PATRIMONIA" der Kulturstiftung der Länder erscheint aus Anlass des Rückkaufs eine Publikation, die, illustriert durch zahlreiche Neuaufnahmen und historische Grafiken und Fotografien, die wechselvolle Geschichte des Schreibtisches nachzeichnet. Die Darstellung wird durch zwei Beiträge zu Furnier und Holzkonstruktion sowie zu Material und Technik der Bronzebeschläge ergänzt.

Ihre Ansprechpartner bei weiteren Fragen:

Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg

Dr. Ulrich Henze (Pressesprecher), Tel. 0331.9694318

Dr. Afra Schick (Kustodin für Möbel), Tel. 0331.9694142

Kulturstiftung der Länder

Dr. Philipp Demandt, Tel. 030.89363533

Dr. Britta Kaiser-Schuster Tel. 030.89363531

Lützowplatz 9

10785 Berlin

PATRIMONIA 321

Herausgegeben von der Kulturstiftung der Länder gemeinsam mit der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg

Berlin/Potsdam 2008

Text: Afra Schick, mit zwei Beiträgen von Katrin Diesing-Otto sowie Harald Weber und Martin Engel, Neuaufnahmen: Wolfgang Pfauder

ISSN 0941-7036

80 Seiten, 34 Abbildungen, davon 28 farbig, Broschur

Verkaufspreis: 16,00 Euro"