Ausstellung „Antoine Watteau. Kunst – Markt – Gewerbe“ im Schloss Charlottenburg
2021 jährt sich der Todestag des französischen Malers Antoine Watteau (1684-1721) zum 300. Mal. Watteau gilt neben Giovanni Battista Tiepolo (1696-1770) als einer der größten Maler des 18. Jahrhunderts. Nach dem Louvre in Paris besitzt die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) die bedeutendste und berühmteste Sammlung seiner Werke. Die SPSG präsentiert deshalb im Neuen Flügel des Schlosses Charlottenburg in Berlin die Ausstellung „Antoine Watteau. Kunst – Markt – Gewerbe“. Sie wird vom 9. Oktober 2021 bis zum 9. Januar 2022 zu sehen sein und eines der Hauptwerke des Künstlers in den Mittelpunkt rücken: das „Ladenschild des Kunsthändlers Gersaint“. Dieses 1746 für die königliche Sammlung Friedrichs des Großen (1712-1786) erworbene Gemälde gilt heute als ein zentrales Meisterwerk der Malerei des 18. Jahrhunderts. Ursprünglich als Medium der Geschäftswerbung und als „Aushängeschild“ des Pariser Kunsthandels entstanden, fasziniert das Gemälde bis heute und regt Fragen an, die den Handel mit Kunst, deren Vermarktung, aber auch das Sammeln von Kunst und die intellektuelle Auseinandersetzung mit ihr betreffen.
Mit Blick auf die Aspekte „Kunst – Markt – Gewerbe“ wird nicht nur die wechselvolle Geschichte des 1720 entstandenen „Ladenschilds“ als Gemälde und Galeriewerk erzählt, vielmehr werden die Besucherinnen und Besucher auch mit Edme-François Gersaint (1694-1750) als einem einflussreichen Protagonisten des Pariser Kunsthandels des 18. Jahrhunderts bekanntgemacht. Dem Geschäftssinn dieses jungen, aufstrebenden Kunsthändlers ist es zu verdanken, dass unsere Vorstellungen vom Künstler Watteau immer noch durch die Vermarktungsstrategien dieser Zeit geprägt sind.
In der Ausstellung wird mittels einer 3D-Rekonstruktion die Pariser Notre Dame-Brücke mit dem Geschäft Gersaints virtuell erfahrbar. Auch werden von Gersaint entwickelte Werbemedien und -formate vorgestellt. Zugleich wird anhand von ausgewählten Werken gezeigt, dass nicht zuletzt Watteau selbst mit seiner Arbeitsweise der lukrativen Vermarktung seines Œuvres (?) den Weg bereitete.
Vom Künstler zur Stilikone
Antoine Watteau war einer der großen Erneuerer der europäischen Kunst im 18. Jahrhundert. Mit den „Fêtes galantes“ entwickelte er eine neue Bildgattung mit an sich unspektakulären, genau deshalb aber unmittelbar berührenden Themen. Zeitgenössische Frauen und Männer verbringen gemeinsam freie Zeit, unterhalten sich oder musizieren. Als aktuelle – ironisch gebrochene – Träume von Arkadien trafen seine Werke den Nerv der Zeit. Nach Watteaus Tod ließen Gersaint sowie der mit ihm befreundete Pariser Sammler und erfolgreiche Unternehmer Jean de Jullienne (1686-1766) die Zeichnungen und Gemälde des Künstlers druckgrafisch reproduzieren. Mit Julliennes Projekt, diese Drucke in einer vierbändigen Edition herauszugeben, dem sogenannten „Recueil Jullienne“, wurde für eine europaweite Verbreitung der Werke Watteaus gesorgt. Durch diese Geschäftsidee entstand zugleich der Prototyp eines modernen illustrierten Werkverzeichnisses, das Watteau zu jahrhundertelangem Nachruhm verhelfen sollte.
Die in hoher Auflage reproduzierten und auch einzeln vertriebenen Stiche lösten im 18. Jahrhundert eine internationale Modewelle aus. In ganz Europa erwarben Sammler, Manufakturbesitzer und Gewerbetreibende die nach den Werken Watteaus entstandenen Druckgrafiken. Watteaus neue, zeitgenössische Themen, sein Einfallsreichtum und sein zeichnerisches sowie malerisches Ausnahmetalent machten seine Bilderfindungen populär. Sie inspirierten nicht nur Künstler, sondern auch Kunsthandwerker. Motive Watteaus finden sich u. a. auf Tapisserien, Wanddekorationen, Fächern, Kaminschirmen und Porzellanen wieder. Auch Preußen lieferte vor allem im Kunstgewerbe unter dem Einfluss Friedrichs des Großen einen wichtigen Beitrag zu dieser „Watteau-Mode“. Besonders deutlich lässt sich dies an den Erzeugnissen der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin (KPM) ablesen, in der sich die „Watteaumalerei“ zu einer eigenen anspruchsvollen Dekorart entwickelte. Porzellane mit Bildmotiven „à la Watteau“ wurden als kostbare Geschenke in Auftrag gegeben und vom König als modische Luxusgüter an Europas Fürstenhäuser verschickt.
Durch die Vorliebe Friedrichs für Watteaus Bildwelten der „Fêtes galantes“ wurden diese für die in Berlin oder Potsdam arbeitenden Künstler stilbildend. Besonders der Hofmaler Antoine Pesne (1683-1757) setzte sich intensiv mit Watteaus Werk auseinander, nahm Anregungen daraus auf und übersetzte sie in seinen eigenen Stil. Sowohl in Raumdekorationen preußischer Schlösser als auch in Gemälden lässt sich eine Vielzahl von Bezügen zum Werk Watteaus finden.
Die Ausstellung bietet Gelegenheit, dieser inspirierenden Wirkung Watteaus in verschiedenen kunsthandwerklichen Bereichen nachzugehen: Porzellane mit Watteaumalerei werden ebenso wie Fächer, Wandschirme oder eine aufwendig gearbeitete Tapisserie aus der Werkstatt von Charles Vigne (+ 1751) als Exponate zu sehen sein.
Watteau gestern und heute
Watteau wirkt bis in die Gegenwart. Seine Zeichnungen und Gemälde erfassen den Zeitgeist des 18. Jahrhunderts und begeisterten durch ihre Authentizität, Eleganz und Sinnlichkeit. Dass Watteaus Strahlkraft bis ins Heute reicht, beweisen zeitgenössische Künstler wie der Schweizer Maler Thomas Huber (* 1955) und die britische Modedesignerin Vivienne Westwood (* 1941), die jeweils mit einem Werk in der Ausstellung vertreten sein werden. Ihre künstlerischen Positionen zeigen, dass Watteau bis heute als innovativer Künstler wahrgenommen wird und sein Werk zur schöpferisch-kreativen Auseinandersetzung anstiftet.
Fazit
Als Institution, die dank der Sammelleidenschaft Friedrichs des Großen über einen der weltweit besten Bestände französischer Malerei des 18. Jahrhunderts verfügt, präsentiert die SPSG in dieser Ausstellung die Aktualität eines herausragenden Künstlers, der als virtuoser Maler und Schöpfer der „Fêtes galantes“ in die europäische Kunstgeschichte eingegangen ist. In einer facettenreichen Präsentation wird ausgehend von seinem späten Hauptwerk „Das Ladenschild des Kunsthändlers Gersaint“ die Bedeutung Watteaus als motiv- und stilbildendes Vorbild sowie die bis heute nachwirkende erfolgreiche Vermarktung seines künstlerischen Schaffens nachgezeichnet.
Exkurse
Thomas Huber: Das Ladenschild
2014 malte der in Berlin lebende Schweizer Künstler Thomas Huber ein Ladenschild für seinen
Genfer Galeristen. Huber übertrug die Komposition und einige Motive von Watteaus „Ladenschild des Kunsthändlers Gersaint“ in seiner eigenen künstlerischen Sprache in die Gegenwart. Seine sachliche Auslegung des detailreichen Vorbildes enthält eine Analyse des zeitgenössischen Kunstmarkts, nimmt mit Bildzitaten ironische Elemente des Watteau-Gemäldes auf und interpretiert sie auf ganz eigene Weise neu. Mit seiner Arbeit ermöglicht Thomas Huber einen frischen Blick auf das „Original“. Beide Werke werden zum ersten Mal gemeinsam in einer Ausstellung präsentiert und laden die Besucherinnen und Besucher zu einem vergleichenden Dialog ein.
Vivienne Westwood: Watteau und das Kleid „Big Bow“
Die prominente britische Modeschöpferin Vivienne Westwood hat sich immer wieder mit historischen Kostümen und ihren Schnitten auseinandergesetzt. Deren Linienführungen, modische Details sowie Verarbeitungstechniken wirkten inspirierend auf Westwoods Kollektionen. Als sie von 1993 bis 2005 einen Lehrauftrag im Fachbereich Modedesign an der Berliner Universität der Künste (UdK) erhielt, veranstaltete sie Seminare und Workshops mit ihren Studenten vor den Watteau-Gemälden im Charlottenburger Schloss. Ihre 1996 in Paris gezeigte Sommerkollektion „Les femmes ne connaissent pas toute leur coquetterie“ („Frauen wissen gar nicht, wie kokett sie sein können“) spielt ganz gezielt mit diesen Einflüssen. Das aus dieser Kollektion stammende Kleid „Big Bow“, wird in der Sonderausstellung der SPSG zu sehen sein. Kreativ, witzig sowie mit raffinierten Details und Schnitttechniken setzt Vivienne Westwood „ihr“ Modevorbild Watteau in Szene. Die klassische „Watteaufalte“ interpretiert sie als farbenfrohe Stoffkaskade, die in einer riesigen Schleife mündet und sie spielt mit den technischen Möglichkeiten moderner innovativer Stoffe, deren Materialität sie opulent vorführt. Dem Pendant zu dem Kleid „Big Bow“, einem grünen Abendkleid, gab sie – und das ist als Hommage zu verstehen – den Namen „Watteau“. „Er (Watteau) ist ein Genie“, so Vivienne Westwood 2014. „Diese Kunstfertigkeit, dieser Strich, seine Menschen, ich liebe alles an Watteau. (…) Watteau zwingt Niemandem etwas auf. (…) Er zeigt eine menschliche Welt.“
Information
Antoine Watteau. Kunst – Markt – Gewerbe
9. Oktober 2021–9. Januar 2022
Schloss Charlottenburg – Neuer Flügel
Spandauer Damm 10-22
14059 Berlin
www.spsg.de/watteauinberlin
#watteauinberlin
Öffnungszeiten
Oktober: Dienstag – Sonntag, 09:00 – 17.30 Uhr, letzter Einlass 16.30 Uhr
ab November: Dienstag – Sonntag, 09:00 – 16.30 Uhr, letzter Einlass 15.30 Uhr
Montag geschlossen
Die Ausstellung ist für Rollstuhlfahrer zugänglich.
Eintritt
14 | ermäßigt 10 Euro inkl. Besuch im Obergeschoss zur Besichtigung des Bildes „Einschiffung nach Kythera“
Early-Bird-Ticket: 12 | ermäßigt 8 Euro. Gültig nur für die Ausstellung „Watteau“ im Erdgeschoss des Neuen Flügels für Einlasszeiten ab 9:00 bis 9:50 Uhr.
Familienkarten „Charlottenburg+ Familie“ 27 Euro (2 Erwachsene und max. 4 Kinder bis zum vollendeten 18. Lebensjahr)
Gültig für einen Besuch in allen Schlössern im Schlossgarten Charlottenburg an einem Tag inkl. der Ausstellung (inkl. Multimediaguide dt. / engl.).
Jahreskarte 60 | ermäßigt 40 Euro (gültig für 1 Jahr)
Besucherinformation
info(at)spsg.de, Tel.: 0331.96 94-200
Sichern Sie sich Ihr Ticket im Vorverkauf unter https://tickets.spsg.de
Begleitband
Zur Ausstellung erscheint ein Begleitband auf Deutsch und Französisch.
Veranstaltungen
Kuratorinnenführungen durch die Ausstellung
23. Oktober, 6. November, 20. November, 4. Dezember, 18. Dezember 2021, Beginn jeweils 15 Uhr, 18 | ermäßigt 14 Euro
Ihr Weg zu uns
Schloss Charlottenburg – Neuer Flügel
Spandauer Damm 10-22
14059 Berlin