Friedrichs Festsaal

Der Marmorsaal im Neuen Palais ist wieder für Besucher offen

Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) hat die im Mai 2013 begonnene Restaurierung des Marmorsaals im Neuen Palais in Potsdam abgeschlossen. Damit ist vom 13. April 2016 an auch der zweite der beiden zentralen Festsäle des Hauses wieder in den Besucherrundgang durch das Gästeschloss Friedrichs des Großen (1712–1786) integriert und für die Potsdamer und ihre Gäste zugänglich. Der Grottensaal im Untergeschoss, dessen Sanierung ebenfalls 2013 begann, konnte bereits im Juli 2015 wiedereröffnet werden.

Möglich geworden sind die umfassenden Instandsetzungsarbeiten im Marmor- und im Grottensaal durch das Sonderinvestitionsprogramm für die preußischen Schlösser und Gärten (Masterplan), das die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie die Länder Brandenburg (Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur) und Berlin (Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten) für die Jahre 2008 bis 2017 zur Rettung bedeutender Denkmäler der Berliner und Potsdamer Schlösserlandschaft aufgelegt haben.

Die Gesamtkosten für die Sanierung von Grotten- und Marmorsaal sowie für die statische Ertüchtigung der dazwischen liegenden Holzbalkendecke belaufen sich auf 4,9 Millionen Euro.

Geschichte des Marmorsaals

Der zentrale Festsaal des Neuen Palais wurde von dem Architekten Carl von Gontard (1731–1791) nach dem Vorbild des Marmorsaals im Potsdamer Stadtschloss gestaltet. Die Ausführung des Fußbodens in den Jahren 1766 und 1767 hatten der künstlerisch und unternehmerisch vielseitig tätige Johann Melchior Kambly (1718-1783) und der Dekorationsbildhauer Matthias Müller (von 1745 bis 1774 in Potsdam tätig) übernommen, wobei sicher ersterem die Gesamtleitung zuzuschreiben ist.

Die vier großformatigen Wandgemälde waren von Friedrich dem Großen bereits vor dem Siebenjährigen Krieg (1756–1763) in Auftrag gegeben worden. Es handelt sich um die  Arbeiten „Triumph des Bacchus und der Ariadne“ (1757) von Jean Restout (1692–1768), „Das Urteil des Paris“ von Jean-Baptiste Marie Pierre  (1714–1789),  „Raub der Helena“ von Antoine Pesne (1683-1757) und „Opferung der Iphigenie“ (1757) von Carle van Loo (1705–1765). Das Deckengemälde „Ganymed wird von Hebe in den Olymp eingeführt“ schuf 1769 der Nachfolger Pesnes als Hofmaler, Charles-Amédée-Philippe van Loo (1719–1795).

Eine Besonderheit des Marmorsaals ist die gewaltige Spannweite des für den Fußboden eingebrachten Tragwerks. Diese flache Sprengwerkkonstruktion mit Schubverzahnung überbrückt 18,40 Meter und wurde entgegen den Warnungen der Baumeister, die für den darunter liegenden Grottensaal ein massives Flachgewölbe geplant hatten, als Holzbalkendecke ausgeführt. Friedrich der Große sprach sich ausdrücklich für diese kostengünstigere Variante aus.

Doch bereits 1774 musste die Konstruktion umfangreich saniert werden. Da die Balken mit einer zu hohen Holzfeuchte verbaut und zusätzlich durch die Schleifarbeiten am Natursteinbelag des Fußbodens von oben durchfeuchtet worden waren, bestand durch schnell eintretende Fäulnisschäden Einsturzgefahr. Der gesamte Fußboden mit einem Gewicht von ca. 90 Tonnen wurde aufgenommen. Um die Stuckdecke über dem Grottensaal zu erhalten, wurden zwischen den vorhandenen Balken jeweils neue Holzbalken eingebaut, wodurch sich die lichten Balkenabstände extrem verringerten. Die sandsteinernen Trägerplatten mit den farbig inkrustierten Oberflächen wurden nun trocken im Sandbett auf dem Bohlenbelag verlegt, um keine weitere Feuchte in den Unterbau zu bringen.

Durch den Verbleib der fäulnisgeschädigten Hölzer kam es jedoch erneut zu Beeinträchtigungen. Die trocken verlegten Trägerplatten verschoben sich gegeneinander. 1791 wurden daher weitere Sanierungsmaßnahmen nötig. Der Fußboden wurde abermals komplett aufgenommen und die Tragwerkkonstruktion freigelegt. Ein Großteil der von Fäulnis befallenen alten Balken wurde nun ausgetauscht, der Bohlenbelag erneuert und für eine bessere Belüftung gesorgt.

Während der Untersuchungen zur Deckensanierung unter der benachbarten Großen Kammer im Februar 2008 wurden so starke Schädigungen an den konstruktiven Hölzern der Decke zwischen Grotten- und Marmorsaal festgestellt, dass ihre Tragfähigkeit nicht mehr ausreichend gegeben war. Der Marmorsaal musste für Besucher gesperrt werden. Im Grottensaal wurden Schutzdächer aufgestellt, um die Besucher vor herab fallenden Stuckteilen zu bewahren. Die beiden Festsäle des Schlosses waren nur noch eingeschränkt zu besichtigen, und es bestand dringender Sanierungsbedarf.

Sanierung der Holzbalkenkonstruktion

Die Konstruktion besteht aus 31 sogenannten Alt-Balken aus der Erbauungszeit (1766) und 34 Zusatz-Balken aus dem Jahr 1774. Der Abstand zwischen den ca. 80 Zentimeter hohen Balken ist oft weniger als handbreit. Das Mauerwerk war direkt auf das Holz der Deckenbalken aufgesetzt, dadurch trug die fehlende Belüftung der Balken zur Schädigung der Balkenköpfe bei. Die Mauerwerkswände selbst waren oberhalb der Balken durch die früheren Baumaßnahmen, insbesondere das Zwischenlegen der Zusatz-Balken stark geschwächt.

Erhebliche Schwierigkeiten während der Wiederherstellungsarbeiten bereitete die eingeschränkte Zugänglichkeit der Balken. Eine Öffnung der Grottensaaldecke war wegen ihrer Fragilität nicht möglich. Die Sanierungslösung zielte deshalb darauf ab, die geschädigten Auflagerbereiche vom Marmorsaal aus zu erreichen. Um den originalen Fußboden zu schonen, wurden ca. 70 Zentimeter schmale Revisionsstreifen an den Saalwänden geöffnet, die weit ins Mauerwerk ragenden Balkenköpfe freigelegt und das Mauerwerk oberhalb der Arbeitsbereiche abgefangen. Die betreffenden Balken wurden über eine spezielle Stahlkonstruktion lastfrei gestellt und während der gesamten Bearbeitungszeit messtechnisch überwacht.

Besonders stark geschädigte Balkenköpfe wurden durch eine „Prothese“ ersetzt. Hierzu wurden die schadhaften Balkenköpfe zurückgeschnitten und mit Hilfe eingeklebter Stahlstäbe neue Balkenköpfe aus Holz angefügt. Die Maßnahmen verlangten den Beteiligten vor Ort Höchstleistungen ab, da die Arbeiten in sehr beengten und staubdichten Schutzeinhausungen durchgeführt werden mussten. 

Parallel zu den Zimmerleuten und Maurern, die die Balkenkonstruktion sanierten, arbeiteten außerhalb der Schutzeinhausungen zeitgleich mehrere Restauratorenteams an der Restaurierung des Marmorfußbodens und der Grottensaaldecke.

Aufbau der Decke zwischen Marmor- und Grottensaal

 5. Natursteinbelag im Marmorsaal (inkrustierte Oberfläche, Stärke ca. 0,2-2,5 Zentimeter
 4. Verlegebett (Schmelzkleber oder mineralischer Mörtel, Stärke ca. 0,3-0,9 Zentimeter)
 3. Trägerplatten (großformatige Sandsteinplatte, Stärke ca. 3,0-5,0 Zentimeter)
 2. Verlegebett (Kalk, Stärke ca. 0,2-1,5 Zentimeter)
 1. Blindboden (Holzschalung, Stärke ca. 4,0-5,0 Zentimeter)
 0. Deckenbalken
-1. Deckenträger (Rohrgewebe oder Schalung)
-2. Deckengemälde und Stuckornamentik im Grottensaal

600 Quadratmeter friderizianisches Rokoko

Wie ein ornamentaler Teppich fügt sich der 600 Quadratmeter große, reich inkrustierte Natursteinfußboden in den architektonisch streng gegliederten Marmorsaal. In seinen Dimensionen, durch seinen künstlerischen Entwurf und in seiner handwerklichen Ausführung stellt der Fußboden ein Meisterwerk der Innenraumdekoration dar, das in der europäischen Schlossbaukunst des 18. Jahrhunderts einmalig ist.

Friedrich der Große schätzte die dekorative Wirkung farbiger Natursteine und setzte sie vor allem für die Ausgestaltung der Festsäle in seinen Potsdamer Schlössern ein. Beim Fußboden des Marmorsaals wurde der variationsreiche und filigrane Ornamentstil des friderizianischen Rokoko, der sonst Wände, Decken und kunsthandwerkliche Objekte schmückt, auf die große steinerne Fläche übertragen.

Vier dominante Gurte, deren Ecken von üppigen Blattrocaillen besetzt sind, spannen den Fußboden in die Diagonalen und stellen ein Grundgerüst architektonischer Stabilität her. Diese leicht schwingenden Bögen führen zu einem querovalen Mittelstück, das von einer Girlande aus farbigen Blumen und Früchten umspielt wird. Dazwischen adaptieren Füllflächen das Motiv der zahlreichen mosaizierten Felder in Form eines schwarz-weißen Schachbretts mit quadratischen bzw. rautenförmigen Platten.

Der wohldurchdachte Entwurf lässt die Augen des Betrachters, der von seinem Standpunkt aus jeweils nur einen Ausschnitt aus dem Ganzen erfassen kann, unweigerlich die Schwingungen und Bewegungen der in Stein geschnittenen Formen verfolgen. Durch die vielfältige Kombination relativ weniger Steinsorten wurde eine außerordentlich lebendig wirkende Farbigkeit erzielt.

Restaurierung des inkrustierten Fußbodens

Ziel war es, den Natursteinboden als einzigartiges Kunstwerk zu erhalten und die Lebendigkeit der Oberflächenstruktur zu bewahren. Nach den statischen Untersuchungen und einer 1:1-Dokumentation in Form von Messbildern erfolgte 2010 die Bearbeitung eines ersten Probefeldes und 2011/12 die Restaurierung der ersten ca. 100 Quadratmeter im Bereich der Besucherführung zwischen Tanzsaal, Oberem Vestibül und Großer Kammer. Abgedeckt mit einem Besuchersteg, konnte damit 2012 die Begehung des Marmorsaales während der Sonderausstellung „Friederisiko“ gewährleistet werden. Auf der Grundlage dieser Erfahrungen erfolgte ab 2013 parallel mit der Sanierung des Balkentragwerks die umfassende Restaurierung des Gesamtfußbodens.

Stück für Stück wurden dabei in enger Absprache zwischen den Restauratoren der SPSG und den ausführenden Restauratoren Methoden und Techniken festgelegt. Je nach vorgefundener Substanz (Originalsubstanz, Ergänzungen in Naturstein und Stuckmarmor sowie Notreparaturen z. B. mit Gips und Beton) und Situation variierten die Maßnahmen zwischen Ausbau und Restaurierung, Erneuerung oder Restaurierung vor Ort. Historischen Technologien wie der Steinschneide- und Schmelzklebetechnik wurde dabei der Vorzug gegeben. Abschließend erfolgten ein materialschonendes Polieren und der Auftrag eines Schutzwachses.

In zweieinhalb Jahren wurde die Restaurierung mit durchschnittlich sechs bis acht permanent arbeitenden Restauratoren im veranschlagten Finanz- und Zeitrahmen realisiert. Für die Ausführung konnten mit der Naturstein GmbH Potsdam und der Piepo Restaurierung GmbH aus Hannover zwei ausgewiesene Firmen auf dem Gebiet der Natursteininkrustation gewonnen werden.

Kosten der Sanierungs- und Restaurierungsmaßnahmen

Die Gesamtkosten für die Sanierung von Grotten- und Marmorsaal sowie für die statische Ertüchtigung der dazwischen liegenden Holzbalkendecke belaufen sich auf  4,9 Millionen Euro.

Die Kosten teilen sich wie folgt auf:

  • 1,0 Millionen Euro Baukosten Holzbalkendecke
  • 1,4 Millionen Euro Marmorsaal Fußboden
  • 0,3 Millionen Euro Grottensaal Decke
  • 0,2 Millionen Euro Restaurierung Wandsockel, Pilasterbasen etc.
  • 2,0 Millionen Euro Planungs- und sonstige Kosten

Für die Restaurierung des kostbaren Fußbodens war am 24.01.2010 anlässlich des Geburtstages Friedrichs des Großen die Spendenaktion „Ein Quart Geschichte“ ins Leben gerufen worden. Dank vieler Förderer und Unterstützer konnte ein Ergebnis von insgesamt 127.648 Euro erzielt werden.

Geschichte des Neuen Palais

Das Neue Palais ist der größte Schlossbau im Potsdamer Park Sanssouci und gehört seit 25 Jahren zum UNESCO-Welterbe der „Schlösser und Parks von Potsdam und Berlin“. Mit der vollständig erhaltenen originalen Substanz und Ausstattung zählt es überdies zu den kunst- und kulturgeschichtlich wertvollsten Schlossanlagen der Welt. Es ist eines der umfassendsten und zugleich auch authentischsten Beispiele für die dekorative Raumkunst im Zeitalter Friedrichs des Großen. Das Neue Palais wurde nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges zwischen 1763 und 1769 von Johann Gottfried Büring (1723–1788), Heinrich Ludwig Manger (1728–1790) sowie Carl von Gontard errichtet und sollte von der neuen Größe Preußens künden. Konzipiert war es als Sommerresidenz, die Friedrich der Große mit Appartements für Verwandte und Gäste sowie einer Wohnung für sich selbst ausstattete.

Das Sonderinvestitionsprogramm (Masterplan)

Mit dem Sonderinvestitionsprogramm (Masterplan) retten der Bund sowie die Länder Berlin und Brandenburg bedeutende Denkmäler der Berliner und Potsdamer Schlösserlandschaft vor dem Verfall. Das Abkommen sieht vor, dass die SPSG bis 2017 insgesamt 155,03 Millionen Euro in die Wiederherstellung nationaler Kulturgüter zusätzlich investieren kann. Der Bund trägt 77,5 Millionen Euro (50 Prozent) bei, das Land Brandenburg 53 Millionen Euro (2/3 von 50 Prozent) und das Land Berlin 24,53 Millionen Euro (1/3 von 50 Prozent).

Für die Sanierung des Neuen Palais stehen in einem Zeitraum von zehn Jahren insgesamt ca. 26 Millionen Euro zur Verfügung.

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Frank Kallensee
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